Schwerwettersegeln. Peter Bruce

Schwerwettersegeln - Peter Bruce


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lautet nun die Anwort auf die Frage, wie man Kenterungen vermeidet? Der beste und effektivste Weg ist, brechende Wellen zu meiden und Seebedingungen aus dem Weg zu gehen, bei denen solche Wellen leicht vorkommen können. Geraten Sie dennoch in solch extreme Bedingungen, halten Sie weiterhin die Yacht unter Segeln in Fahrt, damit Sie sich von den brechenden Wellenkämmen fernhalten können. Entweder surfen Sie die Welle hinunter, oder Sie lassen den Kamm am Bug vorbeirauschen. Dadurch vermeiden Sie das gefährliche, seitliche Anrollen der See und verzögern den Aufprall der Sturzbrecher so lange, bis sie ihre Energie verschüttet haben. Wie bereits früher gesagt, verlangt diese Taktik aktives Rudergehen und einiges Geschick. Sie deckt eindeutig auf, wie gut und erfahren eine Regattacrew ist – und insbesondere die Grenzen einer unterbesetzten Fahrtenyacht. Sind die Bedingungen einmal so hart, dass sich die Crew nicht an Deck aufhalten kann, muss die Yacht für sich selbst sorgen. Unglücklicherweise haben alle Yachten, wenn man sie sich selbst überlässt, die natürliche Tendenz, sich quer zu Wind und Wellen zu legen. In dieser Position ist die Yacht am leichtesten zu verletzen, und der Einfluss der Entwurfsmerkmale bezüglich des Kenterwiderstandes und der Aufrichtfähigkeit kommt ins Spiel. Dabei wird vielleicht deutlich, dass es für solche Bedingungen nicht einen einzigen konventionellen Yachtentwurf gibt, der gegen Kenterung völlig immun ist. Natürlich nimmt die Chance, von einer Welle zum Kentern gebracht zu werden, mit der Größe der Yacht ab.

      Nach unseren Tests und Berechnungen, bei denen all die genannten Entwurfmerkmale geprüft wurden, herrscht doch etwas Enttäuschung darüber, dass es keine Kombination aus Rumpfform und Ballast gibt, die einen tatsächlichen Schutz vor dem Kentern bietet, wenn die Welle etwa zur doppelten Höhe aufläuft.

      Es ist erwähnenswert, dass in den letzten Jahren das Wolfson Unit seine Experimente mit der Unterstützung des Royal Ocean Racing Club fortgesetzt hat, um den Einfluss von Treibankern auf das Verhalten einer Yacht bei brechenden Wellen besser einschätzen zu können. Diese Untersuchung wurde in den USA von dem inzwischen verstorbenen Donald Jordan durch ähnliche Studien ergänzt. Alle Studien zeigen, dass der Einsatz eines geeigneten Treibankers, der übers Heck ausgebracht wird, die Yacht ständig mit dem Heck zu Wind und Wellen hält, sodass jede brechende Welle nur den Spiegel der Yacht sieht und kein Kentern verursachen kann. Mehr darüber im folgenden Kapitel! Bei Einsatz eines ausreichend großen Seeankers könnte selbst die leichteste und breiteste Flossenkiel-Yacht eine Welle mit einer Höhe von 55 % der Schiffslänge ohne Unterstützung des Rudergängers sicher überstehen. Wogegen sie schon von einer 35-%-Welle, die sich bricht und von der Seite anrollt, leicht durchgekentert wird. Wir waren leider nicht in der Lage, größere Wellen in dem Schlepptank zu erzeugen. Dadurch kamen wir in der Untersuchung der sicheren Wellenhöhe nicht weiter. Wie man in der Bilderfolge sieht, bewegt sich die Yacht mit achterlich ausgebrachtem Treibanker direkt die Welle hinunter und mit einer unbedeutenden Kursänderung durch die Gischt des Wellenkamms. Deshalb ist es durchaus möglich, dass der Treibanker die einfachste und zuverlässigste Methode ist, das Kenterrisiko zu mindern.

       3. Entwicklungen im Yachtdesign in Bezug auf Schwerwetter

       PETER BRUCE

      Nach all den Jahren der Weiterentwicklung könnte man meinen, es gäbe längst die optimale Rumpfform einer Yacht. Die gibt es aber aus diesem oder jenem Grund nicht. Neue Yachten weisen immer wieder Veränderungen auf; keine ist wie ihre Vorgänger. Im Laufe der Weiterentwicklung verschwinden einige wünschenswerte Details, andere entwickeln sich weiter. Mit anderen Worten: Die Bootsindustrie produziert genau das, was die Leute wünschen – und das sind: Geschwindigkeit, Geräumigkeit, ansprechende Form, Komfort, eine Menge elektronische Hilfsmittel, mühelose Bedienung und wenig Tiefgang. Die weniger augenscheinlichen Merkmale wie Seetüchtigkeit – insbesondere Stabilität – und Festigkeit der Verbände werden von Käufern zumeist als selbstverständlich angesehen.

      Anders als Fahrtenyachten unterliegen Regattayachten in der Regel einer Handicap-Formel, die die Designer zur Verbesserung der Seetüchtigkeit nutzen könnten. Aber aufgrund des Drucks der Eigner werden die Formeln vornehmlich zur Vergleichbarkeit der Konkurrenten verwendet. Bis Mitte der 1970er-Jahre waren Seetüchtigkeit und Festigkeit die obersten Ziele bei Regattayachten. Seitdem genießen sie den Ruf, dass die Crews allein zurechtkommen müssen, wenn es zu blasen beginnt. Früher gab es kaum eine Yacht, die die Regatta abbrechen musste, weil der Entwurf und die Konstruktion nicht stimmten oder weil Ausrüstungsteile brachen.

      Im Lauf der Zeit erhöhten Yachtkonstrukteure zunehmend die Breite, um den Rümpfen mehr Formstabilität zu verleihen. Manchmal wurde der Ballast reduziert, was zu mehr Leistung auf Kosten von Stabilität bei starker Krängung führte.

      In den 1960er-Jahren wurde die International Offshore Rule (IOR) als Kompromiss zwischen der geltenden amerikanischen und britischen Vermessungsregel eingeführt. Die IOR erforderte einen Stabilitätswert, der durch einen praktischen Krängungstest ermittelt wurde. Um einen günstigen Rennwert zu erzielen, haben manche Konstrukteure die durch das Kielgewicht erzielte Stabilität verringert, welche durch Gewichtstrimm der Crew auf der Kante in Luv ausgeglichen werden sollte. Die IOR wurde im Lauf der 1990er-Jahre durch andere Vermessungsregeln wie der IRC des Royal Ocean Racing Clubs, des IMS und der verbesserten Regeln der ORC, der sogenannten ORCi, abgelöst, die sich hinsichtlich der Stabilität positiver auswirkte.

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      Dieses Schwesterschiff von HALF PINT ist mit ihren ausgewogenen Enden und ihrer Seetüchtigkeit ein gutes Beispiel für eine stabile Yacht aus den 1960er-Jahren. image Ben Davies/PPL

      Die Kiele wurden immer schlanker und tiefer, bis hin zu der Form eines langen Messers. Dadurch wurde zwar die Effektivität erhöht, allerdings ist es schwierig, solche Kiele ausreichend stabil mit dem Rumpf zu verbinden, besonders für den Fall einer Grundberührung.

       Entwürfe in den 1950er- und 1960er-Jahren

      Einige Vergleiche sollen das Problem verdeutlichen. In einem Brief beschreibt John McDonell einen Sturm, der ihn mit seiner CAVALIER auf dem Heimweg vom Sydney–Hobart Race im Jahre 1963 erwischte, bei dem er den zweiten Platz belegt hatte. Die 9,40 Meter lange Holzyacht war bei Swanson Brothers in Sydney gebaut worden. Nach modernen Gesichtspunkten war die Yacht wohl extrem schwer und nach heutigem Standard ohne jeglichen Komfort. Da sie nach der Kenterung keine Beschädigung aufwies, muss man sie wohl als eine überaus seetüchtige Yacht mit einerm starken Rigg bezeichnen. Die CAVALIER hielt dem Sturm problemloser stand, als man aufgrund ihres traditionellen Entwurfs vermutet hätte. Von John McDonell kamen nicht so viele Klagen, wie man erwartete. Zunächst kritisierte er nur, dass das Cockpit nicht rasch genug lenzte, was bei damaligen Yachten typisch war. Das zweite Problem in dem Sturm war: Die Yacht war nicht ausreichend schnell, um Brechern auszuweichen. Heutige Yachten haben dazu ein ausreichend hohes Geschwindigkeitspotenzial, müssen in der Regel jedoch durchgehend geschickt gesteuert werden. Das bringt den gewünschten Erfolg, vorausgesetzt, es sind hoch motivierte und absolut fähige Rudergänger an Bord. Regattayachten wie die beim Volvo Ocean Race haben genügend solche Rudergänger; Fahrtenyachten dagegen selten.

      Ein Aspekt in John McDonells letztgenannten Klagen ist interessant und unterscheidet sich von anderen, bei denen es meist darum geht, die Geschwindigkeit auf ein komfortables Maß zu verringern: Vielleicht hätte sich die CAVALIER unter Einsatz des Motors besser steuern lassen, auch wenn diese Taktik nur so lange möglich wäre, wie es der Treibstoffvorrat an Bord zulässt. Aber es hätte das abrupte Abstoppen der Yacht in den Wellentälern verhindert, und die Anströmung des Ruders wäre zu keinem Zeitpunkt abgerissen.

      Tatsache ist, dass viele traditionell gebaute Yachten für ihre guten Seeeigenschaften berühmt sind, insbesondere die, die Olin J. Stephens gezeichnet hat. Hier ist ein Sturmbericht über einen seiner Entwürfe, die HALF PINT, eine Swan 36. Geschrieben hat ihn der Eigner Christopher Price, der die Seetüchtigkeit des Rumpfes hervorhebt:

       Atlantischer


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