Schwerwettersegeln. Peter Bruce

Schwerwettersegeln - Peter Bruce


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id="ulink_f4562a88-25f3-5ca7-9b47-af910966844c"> Abbildung 2.2 Linienrisse von Standard-Serienyachten (Lüa 9,75 m)

      Bei den Kenterversuchen konnten die Grundform (1) und die breite Form (2) von einer brechenden Welle, die 40% der Rumpflänge (Lüa) hatte, umgedreht werden, wogegen die schmale Rumpfform lediglich bis 120° niedergedrückt wurde und sich dann wieder aufrichtete. Eine Welle von 55% Lüa, die von der Seite anrollte, brachte aber alle Boote zur Durchkenterung. Einer der Faktoren, der das Verhalten der breiteren Boote beeinflusste, war das Eintauchen des Decks auf der Leeseite, wenn das Boot von dem brechenden Wellenkamm seitwärts gestoßen wurde. Das Eintauchen des Seitendecks schien eine Kettenreaktion auszulösen, die das schmale Boot vermeiden konnte. Beim Ablaufen vor der See erwies sich der breite Rumpf als schwierig zu beherrschen und zeigte keine Bereitschaft mehr, die Wellen hinunterzusurfen wie die schmaleren Schwestern.

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       Freibord

      Im Weiteren wurde das Verhalten des Modells mit geringem Freibord und Kajütaufbau (1–3 Abb. 2.2) mit dem Verhalten des Modells mit großem Freibord und Glattdeck (4–6) verglichen. Beide Modelle wiesen die gleiche Neigung zum Kentern auf, wobei sich zeigte, dass ein höheres Freibord das Kenterrisiko nicht verstärkt. Bei einer Kenterung besitzt die Yacht mit dem geringeren Freibord und einem Kajütaufbau die größere Fähigkeit, sich selbst aufzurichten.

      Studiert man die Stabilitätskurven dieser beiden Rümpfe, kommt man zu dem Ergebnis, dass der Auftriebsanteil des Kajütaufbaus den Bereich der inversen Stabilität vorteilhaft verringert. Das zeigen sehr gut die Stabilitätskurven dieser beiden Rümpfe (s. Abb. 2.4). Genauso interessant ist Abbildung 2.5 mit der Stabilitätskurve einer traditionellen Yacht mit und ohne Kajütaufbau. Hier zeigt sich, in welch deutlichem Umfang der Auftrieb des Kajütaufbaus den Kenterwinkel hinausschiebt.

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       1. Finnkiel-Grundform mit Kajütaufbau

       2. Höherer Freibord ohne Kajütaufbau

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      Die Analyse der statischen Stabilität beweist, dass ein weiteres Anwachsen des Kajütaufbau-Volumens die inverse Stabilität völlig eliminieren kann. (Ein Konzept, das beim Bau von Seenotrettungsbooten verfolgt wird.) Dieses leistet insbesondere ein sehr leichtes, breites und sich selbst aufrichtendes Fahrzeug.

       Flossenkiel oder Langkiel?

      Eine nicht zu übersehende Entwicklung im Yachtdesign der letzten ungefähr 50 Jahre ist die deutliche Reduzierung der Lateralfläche des Kiels. Dieser Aspekt wurde bei den Untersuchungen im Schlepptank nicht nur durch Vergleich zwischen traditionellen und modernen Entwürfen beurteilt, sondern auch durch Hinzufügen von Verlängerungsstücken vorne und hinten am Flossenkiel, wodurch die Kielfläche annähernd verdreifacht wurde, wie Abbildung 2.6 zeigt. Dabei stellten sich kaum erkennbare Verbesserungen bezüglich des Widerstandes gegen Kenterungen ein und – zur großen Überraschung – nur eine geringfügige Verbesserung der Kontrollfähigkeit beim Segeln vor dem Wind. Ein ähnliches Ergebnis brachte ein Vergleich bezüglich des Kenterwiderstandes zwischen einem Flossenkiel und einem traditionellen Entwurf – vorausgesetzt, bei beiden wurden das Gesamtgewicht und die Position des Gewichtsschwerpunktes nicht verändert. Keiner der Entwürfe zeigte eine erkennbare Überlegenheit, obwohl der traditionelle Entwurf mit der schmalen Breite und dem großen Kajütaufbau natürlich einen größeren Kenterwinkel hatte und sich deshalb leichter von einem Niederschlag erholte.

      Das Modell mit dem traditionellen Entwurf ließ sich vor dem Wind leichter steuern und kontrollieren und kam trotz des größeren Gewichts leicht ins Surfen. Bei einem modernen Entwurf war es dagegen schwierig, die See achterlich zu halten, und war der Rumpf erst einmal vom Kurs abgebracht, drehte er sich seitlich zu der brechenden Welle und war in dieser Position leicht verletzlich und anfällig für eine Kenterung.

      Diese Tests beweisen also, dass die Lateralfläche allein nicht den Kenterwiderstand verbessert und dass die Kontrolle vor dem Wind nicht allein von der Kielfläche bestimmt wird. Es waren die besser ausbalancierten Enden des traditionellen Entwurfs, die bei der Kontrollfähigkeit behilflich waren, weniger die größere Lateralfläche des Kiels, weil sich nämlich das Heck, wenn eine Welle von achtern anrollte, weniger anhob und folgerichtig der Bug weniger eintauchte.

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      Der moderne Entwurf mit dem breiteren Heck hat den Nachteil, dass eine durchlaufende Welle das Heck anhebt und den Bug niederdrückt. Der Bremseffekt am Bug kann ein starkes Drehmoment auf den Rumpf ausüben, und weil das Ruder nicht schnell genug gegen das Drehmoment eingesetzt werden kann, läuft die Yacht sozusagen aus dem Ruder und schlägt quer.

      Das unterschiedliche Verhalten der drei Modelle – der traditionellen, der Flossenkiel- und der vergrößerten Flossenkielform – gaben einen kurzen Einblick in die komplizierte Reaktion der Rumpfmerkmale auf die Kontrollierbarkeit, wenn die Yacht vor großen Wellen ablief. Das schnelle Gleiten und die gute Kontrolle des traditionell entworfenen Modells waren eine Überraschung. Die Resultate können aber nicht zu einer abschließenden Beurteilung über traditionelle und moderne Yachten führen. Weil ein leichterer Rumpf sich von einer von achtern anrollenden Welle bereitwilliger nach vorne tragen läßt und von dem Welleneffekt profitiert, muss er so geformt sein, dass er sich leicht auf Kurs halten läßt. Bei sehr harten Winden, wie beispielsweise in Überlebenssituationen, kann eine Yacht mit breitem Heck von den Segeln schnell vorangetrieben werden, und der fehlende statische Auftrieb im vorderen Rumpfteil wird durch den dynamischen Auftrieb, der beim Aufgleiten des Bugs auf die Wasserschichten entsteht, kompensiert. Dadurch wird der Bug hochgedrückt, und der Rudergänger kann die Yacht gelassen steuern. Wenn jedoch plötzlich der Antrieb durch die Segel ausfällt und die Yacht ihre Geschwindigkeit verliert – diese Situation wurde in den Tests nachgestellt – wird deutlich, dass ausgewogene Enden einen hohen Kontrollwert haben. Bei all den vielen Aspekten der Leistung einer Segelyacht ist die Kombination aller Entwurfsmerkmale entscheidend, und das Geschick des Designers liegt darin, Rumpfform, Kielfläche und Gewicht mit Erfolg in ein harmonisches Ganzes zu bringen.

       Verdrängung, Gewichtsschwerpunkt und Rollträgheit

      Diese drei Parameter unterscheiden sich von den bisher besprochenen insofern, dass sie entgegen den ersten Parametern, die durch den Entwurf festgelgt und fix sind, ohne weiteres abgeändert werden können.

      Wächst das Deplacement einer


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