Schwerwettersegeln. Peter Bruce

Schwerwettersegeln - Peter Bruce


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die Finite-Elemente-Methode können dabei die grundlegende Berechnung der Zugkräfte an den Püttingen und der Stauchkräfte auf den Mast aufgrund des aufrichtenden Drehmoments nicht ersetzen. Die meisten Yachtkonstrukteure arbeiten mit Eulerschen-Last-Formeln, oft unter Abschätzung der Nachgiebigkeit an den Endpunkten und Sicherheitsfaktoren nach eigenen Erfahrungswerten. Solche Abschätzungen fallen unterschiedlich aus, müssen aber für unerwartet harte Bedingungen bei Schwerwetter großzügig bemessen sein.

      Riggtyp und Takelung werden oft von persönlichen Vorlieben bestimmt. In besonders schwerem Wetter können zwei unabhängig voneinander verstagte Masten vorteilhaft sein. Starke Sturmsegel und Vorrichtungen, um sie schnell und einfach zu setzen, sind auf einer gut ausgestatteten Hochseeyacht unverzichtbar. Sturmsegel sollten nicht zu groß sein. Das Trysegel sollte maximal ein Drittel der Fläche des Großsegels haben und die Fläche der Sturmfock sollte fünf Prozent der Vorstagslänge zum Quadrat nicht übersteigen. Wie groß die Segelfläche einer Yacht im Verhältnis zu ihrer Stabilität ausfällt, hängt meist vom Segelrevier ab und wird mehr vom Komfortanspruch als von der Sicherheit bestimmt. Die Segelfläche kann jederzeit durch Reffen verkleinert werden, aber bei einem großzügig bemessenen Rigg muss das frühzeitig und oft erfolgen oder es muss eine unangenehm starke Krängung in Kauf genommen werden. Die oben genannten Größen für Sturmsegel liegen sehr nah an den Vorschriften von World Sailing (früher ISAF), die zwar für Regattayachten gedacht sind, aber sehr gut und vernünftig ausgelegt sind. Ich empfehle jedem, der auf Hoher See segelt, diese Vorschriften genau zu studieren und einzuhalten.

      In Bezug auf Rumpfformen habe ich das Verhältnis der Breite zur Rumpfhöhe angesprochen. Es gibt noch weitere, nicht ganz so entscheidende, aber dennoch wichtige Faktoren. Dazu zählt ein gutes und leichtes Steuerverhalten. Auch im Zeitalter wissenschaftlich analytischen Yachtdesigns gibt es für intensive Studien kein lohnenderes Gebiet als Balance und Steuerverhalten. Vieles liegt noch im Unklaren, und das mag der Grund sein, warum es bei der Formgebung der Lateralfläche einschließlich Kiel und Ruder die meisten Meinungsverschiedenheiten gibt. Kursstabilität wird oft als Eigenschaft verstanden, wie gut ein Boot, das durch einen äußeren Einfluss von seinem Kurs abgelenkt wurde, von allein, also ohne Steuerimpuls, auf seinen ursprünglichen Kurs zurückschwenkt. Das könnte auch als Definition dienen, wie gut sich ein Boot selbst steuert. Viele Boote lassen sich so trimmen, dass sie unter bestimmten Umständen einen Kurs halten, aber nur wenige Boote können bei jedem Windwinkel und jeder Windstärke auf Kurs bleiben. Die auftretenden Kräfte, ihre Richtungen und Auswirkungen sowie die Eigenschaft eines Rumpfes, je nach Krängung und Geschwindigkeit zur einen oder anderen Seite zu gieren, ergeben ein hochkomplexes Gefüge. Diese Schwierigkeiten muss man akzeptieren, darf aber dennoch ein leichtes und ansprechendes Steuerverhalten fordern – keine leichte Aufgabe für einen Yachtkonstrukteur.

      Langkieler werden oft als beste Lösung genannt und wahrscheinlich sind sie es auch, sofern die Geschwindigkeit bei schwachem Wind weniger wichtig ist als die Kursstabilität und der Kiel weit nach achtern geführt ist. Der Nachteil besteht in der großen benetzten Oberfläche eines Langkiels. Bei einem solchen Kiel wirken Steuerimpulse weniger abrupt und außerdem liegt ein Großteil seiner Lateralfläche achterlich des Gewichtsschwerpunkts. Stellen Sie sich den umgekehrten Fall vor. Läge die Kielfläche vor dem Gewichtsschwerpunkt, an dem die Vortriebskraft ansetzt, und das Boot würde durch eine Welle von seinem Kurs abgebracht werden, dann wäre es so, als würde das Boot an einem Punkt gezogen, der hinter seinem Drehpunkt liegt. Je größer die Kursabweichung ausfällt, umso stärker und weiter würde es von seinem ursprünglichen Kurs abgelenkt werden. Liegt der Punkt, an dem das Boot gezogen wird, der Gewichtsschwerpunkt, jedoch vor dem Drehpunkt, dem sogenannten Lateralschwerpunkt (CLR), so ist die zum ursprünglichen Kurs rückführende Kraft umso größer, je stärker das Boot zuvor vom Kurs abgebracht wurde. Ich möchte hinzufügen, dass dieses Prinzip der Segelbalance nicht allgemein akzeptiert wird, obwohl es vielen offensichtlich erscheint.

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      Die Vorteile einer geringen benetzten Oberfläche haben zur allgemeinen Verbreitung einer in Kiel und Ruder unterteilten Lateralfläche geführt. Vergleichsweise kann dadurch dieselbe Segelleistung mit weniger Segelfläche erzielt werden, besonders bei schwachem Wind und bei Amwindkursen, bei denen die Geschwindigkeit geringer ausfällt. Die nötige Position des Ballasts bestimmt die Position eines kurzen Finnkiels, was wiederum die Position des Lateralschwerpunkts (CLR) vorgibt. Dieser Nachteil kann dadurch abgeschwächt werden, dass man freies Gewicht möglichst weit nach vorn verlagert, wodurch der Ballastkiel weiter nach achtern gebracht werden kann. Das aber hat seine Grenzen, und die beste Strategie, um den Lateralschwerpunkt nach achtern zu bringen, scheint, ein großes Ruder und einen großen Skeg zu verwenden. Diese haben die gleiche Funktion wie die Federn am Ende eines Pfeils. Die meisten neuen Boote folgen diesem Muster und weisen ein gutes Seeverhalten auf, ohne einen Verlust an Ruderkontrolle oder anderen guten seegehenden Eigenschaften, wie dem Beiliegen, einzubüßen.

      Weitere Eigenschaften, die zu einem guten Seeverhalten beitragen, sind weitgehend aufeinander abgestimmte Rumpfenden mit ausreichend Auftrieb sowie mittleres bis leichtes Deplacement (siehe Abb. 1.1 und 1.2). Beides minimiert die unvermeidbare Tendenz einer Yacht, bei zunehmender Krängung ihren Trimm zu ändern und vom Kurs abzuweichen, sodass diese Abweichung nur leicht und graduell ausfällt und man nur selten abrupt gegensteuern muss. In starkem Seegang ist ein leichtes und ansprechendes Steuerverhalten sehr wertvoll.

      Für gute Steuereigenschaften und Kursstabilität muss der Wasserdruck gleichmäßig über die eingetauchte Rumpffläche verteilt sein und im gesamten Geschwindigkeitsbereich und bei unterschiedlicher Krängung konstant bleiben. Langgezogene Linien mit minimaler Rundung und konstanter Krümmung lassen das Wasser an allen Stellen am Rumpf gleich schnell vorbeiströmen und erzeugen somit konstanten Wasserdruck auf der Rumpfoberfläche. Jede scharfe oder enge Kurve in der Strömung des Wassers verursacht einen plötzlichen Druckwechsel an der Rumpfoberfläche und damit höchstwahrscheinlich eine Kursänderung. Wiederum erfüllt ein leichtgewichtiger Rumpf mit gemäßigter Breite und eher gerade auslaufenden Linien an den Enden diese Kriterien am besten.

      Die Bewegungen einer Yacht in rauer See sind wahrscheinlich besser erforscht als die Balance unter Segel. Diese Bewegungen hängen sehr stark mit dem Gewicht und der Gewichtsverteilung zusammen. Die Gewichtsverteilung kann in jeder gewünschten Schnittebene betrachtet werden, gewöhnlich in Längs- und Querschnitten. Sie wird als Trägheitsmoment gemessen und gewöhnlich durch den Trägheitsradius ausgedrückt, der das Trägheitsmoment in Abhängigkeit zur Verdrängung bringt. Das Trägheitsmoment ist die Summe aller Gewichte multipliziert mit dem Quadrat ihres Abstands zur Drehachse. Der Trägheitsradius ist dagegen die Quadratwurzel aus Trägheitsmoment geteilt durch die Gesamtmasse. Er dient als Maß für den Widerstand einer Yacht, um eine bestimmte Achse gedreht zu werden. Ein großer Trägheitsradius, sowohl in Längsals auch in Querrichtung, bewirkt somit ein angenehmes Seeverhalten und ist für den Komfort an Bord wünschenswert. Nebenbei bemerkt, ist das Bestreben nach einem möglichst geringen Trägheitsradius in Längsrichtung unter Regattaseglern zu einem Glaubensbekenntnis geworden. Man vermutet, dass sie wohl eher richtig als falsch liegen. Studien über den Widerstand in Wellen zeigen, dass eine Gewichtsverteilung, die zu einer Resonanz mit den aufprallenden Wellen führt, schlecht ist, andernfalls sich aber nur geringfügig auswirkt.

      Gewicht, oder physikalisch Masse, verlangsamt die Beschleunigung, sodass die Bewegungen eines schweren Bootes dazu neigen, angenehmer empfunden zu werden. Bei diesen Berechnungen hat das Rigg aufgrund seines großen Abstands zur Drehachse einen entscheidenden Anteil. Jeder, der schon


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