Schwerwettersegeln. Peter Bruce

Schwerwettersegeln - Peter Bruce


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ausreichend feste Struktur ermöglichen und die Beladung durch das Gewicht der Crew, der Ausrüstung und der Vorräte sowie einen ausreichend groß bemessenen Ballast beinhalten, der für das Segeltragevermögen und einen großen positiven Stabilitätsumfang verantwortlich ist. Durch den effizienten Einsatz der besten Materialien können leichte und starke Rümpfe sowie Riggs entstehen. Durch ausreichend Ballast kann eine entsprechende Konstruktion gute Stabilität erlangen. All diese Voraussetzungen ergeben unter Wahrung der Sicherheit ein konstruktives Mindestgewicht. Hier soll es zwar nicht um einzelne Materialeigenschaften gehen, Fakt ist aber, dass man aus unterschiedlichen Materialien leichte und feste Rümpfe bauen kann. Dazu zählen Holz, GFK und Aluminium. Hochfeste Materialien, wie Kohlefaser, die im Kompositbau eingesetzt werden, können, sofern richtig und sorgfältig verarbeitet, Festigkeit bei geringem Gewicht gewähren. Stahl und insbesondere Ferrozement sind unausweichlich schwerer. Leichte Boote müssen einen leichtgewichtigen Rumpf haben, um noch ausreichend Ballast für die nötige Stabilität aufzuweisen. Bei Booten mit im Verhältnis höherer Verdrängung kommt es weniger auf die Wahl des Materials an.

      Die Höhe des Gewichtsschwerpunkts und die Form des Rumpfes bestimmen den positiven Stabilitätsumfang. Ein guter Stabilitätsumfang von beispielsweise mindestens 120° stellt im Prinzip sicher, dass sich eine Yacht in einem Seegang, in dem es zu einer Kenterung gekommen ist, auch wieder aufrichtet. Deutlich geringere Werte könnten das genaue Gegenteil bewirken. Die Höhe des Gewichtsschwerpunkts, die für die Stabilität außerordentlich wichtig ist, wird von den Segeln beeinflusst, insbesondere von aufgerollten Segeln an nachgerüsteten Rollreffanlagen. Das zeigt, dass eine Reserve über dem errechneten Minimum an Stabilität nötig ist. Leider haben die Einflüsse der Regattayachten unter der IOR und dem IMS zu großer Breite und einem flachen Unterwasserschiff geführt, wodurch der Stabilitätsumfang leidet. Zumindest ergeben sich nach den IMS-Regeln Rümpfe mit tiefem Gewichtsschwerpunkt, wohingegen die IOR einen bedenklich hohen Gewichtsschwerpunkt zur Folge hatte. Der Stabilitätsumfang bei einem schmalen, tiefen Rumpf mit Ballastkiel, wie in der Meter-Klasse nach der alten »International Rule«, beispielsweise bei einer eingedeckten 12mR-Yacht, reicht bis 180° und deckt somit die gesamten 360° einer Durchkenterung ab. Bei Breite und Höhe eines Rumpfes ist Mäßigung anzuraten. Große Breite erhöht die Anfangsstabilität und schafft Raum unter Deck, zu viel davon vermindert aber den positiven Stabilitätsumfang und erzeugt unangenehme, schnelle Bootsbewegungen. Ein hoher Rumpf macht die Bewegungen angenehmer, erlaubt mehr Kopffreiheit unter Deck, eine festere Rumpfstruktur und mehr Platz für etwas Wasser in der Bilge – alles positive Eigenschaften, doch der Geschwindigkeit gegenüber ist ein hoher Rumpf abträglich. Ein hoher Ballastanteil erhöht zwar den Stabilitätsumfang, verursacht jedoch ebenfalls ein Seeverhalten mit schnellen Bootsbewegungen. Ein gemäßigtes Verhältnis der Breite zur Höhe des Rumpfes ist ideal, beispielsweise eine Breite, die nicht das Dreibis Vierfache der Höhe des Rumpfkörpers übersteigt und einen ausreichend tiefen Gewichtsschwerpunkt, der einen positiven Stabilitätsumfang von mindestens 130° ergibt. Die Havarie der VERTUE XXXV, die in früheren Ausgaben von Schwerwettersegeln beschrieben war, entstand durch eine brechende See, die das Boot mit der Seite in ein Wellental warf. Bei diesem Aufprall zerbrach die Seite des Kajütaufbaus in Lee, wo der Verlauf der Rumpfstruktur unterbrochen ist und dadurch eine Schwachstelle aufweist. Die kleinen Abmessungen der VERTUE hatten es vermutlich nicht gestattet, Materialien für eine größere Festigkeit zu verwenden. Bei der PUFFIN, eines meiner eigenen Designs und nicht ganz so klein, entstand ein ähnlicher Schaden, als sie an einer Schwachstelle hart getroffen wurde. SAYULA überstand eine schwere Kenterung im Whitbread Race 1973. Die Crew hatte zu kämpfen, aber die Yacht erlitt nur minimale Schäden und bestärkte das grundsätzliche Vertrauen in größere Boote.

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      Typischer Sonnenschuss einer modernen Regattayacht, hier einer Mumm 36. Bei Verlust der Balance zwischen Spinnaker und Groß krängt die Yacht derart stark, dass eine Korrektur mit dem Ruder nicht mehr möglich ist. Es ist schwierig, die Yacht aus dieser Zwangslage zu befreien, weil durch den Auftrieb des breiten Hecks das Ruder aus dem Wasser kommt. Bei modernen Regattayachten kommt das öfter vor. Es mag entnervend sein, wenn man nicht daran gewöhnt ist. Yachten und Personen kommen dabei jedoch selten zu Schaden. image PPL

      Die mögliche Schwächung durch den Kajütaufbau bei einem kleinen Boot soll nicht bedeuten, dass ein solcher Aufbau grundsätzlich schlecht ist. Er sorgt für Stehhöhe unter Deck und kann auch den Stabilitätsumfang durch sein Volumen positiv beeinflussen, solange kein Wasser in den Rumpf eingedrungen ist. Es solle nur daran erinnert werden, dass alle Stellen, an denen die Rumpfstruktur unterbrochen ist, sowie alle Ecken mögliche Schwachpunkte darstellen und sehr sorgsam konstruiert und ausgeführt sein sollten.

      Es ist unstrittig, dass der Trend zu schlanken Kielen, die an einem schmalen Flansch mit dem Rumpf verbunden sind, einen ohnehin stark belasteten Bereich schwächen. Die hohen Lasten in diesem Bereich beanspruchen die Kielbolzen, den Kiel und die umliegende Rumpfstruktur. Bei einem schmalen Kielflansch muss die Struktur des Rumpfes mit größter Sorgfalt spezifiziert werden.

      Segeltragevermögen und Stabilität sind zwei ganz verschiedene Parameter. Ein Yachtkonstrukteur beurteilt sie bei geringen Krängungswinkeln, anhand des senkrechten Abstands zwischen dem Gewichtsschwerpunkt und dem Metazentrum, wo sich bei kleinen Krängungswinkeln die Senkrechte durch den Auftriebsschwerpunkt und die gekrängte Mittschiffsebene schneiden. Multipliziert man diese sogenannte metazentrische Höhe mit dem Tangens (eine trigonometrische Winkelfunktion) des Krängungswinkels, erhält man den aufrichtenden Hebelarm bei kleinen Krängungswinkeln. Multipliziert man dann noch diesen Hebelarm mit der Verdrängung, ergibt sich das aufrichtende Drehmoment. Die Verdrängung bleibt konstant, aber mit zunehmender Krängung hängt das aufrichtende Drehmoment stark von der Rumpfform und dem Verhältnis der Breite zur Rumpfhöhe ab. Ein breiter, flacher Rumpf hat anfangs eine große metazentrische Höhe, bei Krängung aber nur ein geringes aufrichtendes Drehmoment. Mit weiter zunehmender Krängung verkleinert sich das aufrichtende Drehmoment wieder, da sich der Hebelarm verkürzt, bis er schließlich ins Negative umschlägt. Gute Proportionen zwischen Breite und Rumpfhöhe halten diesen Faktor bis zu einem Winkel von 35 oder 40° konstant und gewähren einen sicheren positiven Stabilitätsumfang. Das breite Boot aus dem obigen Beispiel fühlt sich steif an, muss aber aufrecht gesegelt werden, um Kraft aus seinem Rigg zu schöpfen, während ein Boot mit tiefgehendem Rumpf die volle Kraft aus seinem Rigg bis hin zu hohen Krängungswinkeln nutzen kann. Auf einer breiten, leichtgewichtigen Yacht muss die Crew ihr Gewicht einsetzen, um der Krängung entgegenzuwirken und Vortriebskraft sowie Geschwindigkeit beizubehalten. Auch der Komfort an Bord hängt mit der Breite zusammen. Übermäßige Breite erzeugt mehr Platz und ein größeres Raumgefühl unter Deck, bringt aber auch ein unangenehmes schnelles Seeverhalten mit sich und reduziert den Stabilitätsumfang.

      Um Wasser davon abzuhalten von Deck aus ins Innere zu gelangen, liegt es mir nahe, den Doradelüfter zu empfehlen. Trotz seines Aussehens und der vielen Versuche daran etwas zu ändern oder zu verbessern, ist er unübertroffen, wenn es darum geht, möglichst viel Luft und möglichst wenig Wasser durchzulassen. Wird ein Doradelüfter oder ein Lüfter anderen Typs jedoch vollständig untergetaucht, wie es bei einer Kenterung der Fall ist, so kann Wasser ungehindert durchströmen. Deshalb sollten als Vorbereitung auf extreme Bedingungen alle Lüfter mit Schraubverschlussdeckeln abgedichtet werden. Der Niedergang und alle Decksöffnungen sollten auf der Mittschiffslinie liegen, um das Risiko durch einströmendes Wasser zu minimieren. Um nur kurz auf weitere Sicherheits- und Komfortaspekte einzugehen, möchte ich starke, gutplatzierte Handläufe sowie abgerundete Ecken und Kanten anführen. Die Galley sollte so angeordnet sein, dass sich der Smutje gut verkeilen oder festgurten kann und möglichst nicht dort steht, wo sich kochend heißes Essen oder Wasser über ihn ergießen kann. Wasservorräte sollten auf mehrere Tanks mit separaten Ventilen aufgeteilt sein. So verliert man nicht den gesamten Wasservorrat, wenn ein Tank undicht oder kontaminiert wird und zudem kann das Gewicht besser verteilt und die Yacht besser im Trimm gehalten werden. Auch der Wasserschlag in den Tanks wird reduziert. Bei schwerem Wetter kann Wasser über die Auspuffanlage eindringen, doch eine sorgfältige Installation kann dieses Problem reduzieren. Das Rigg muss für hohe und unvorhersehbare Belastungen


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