Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe). О. Генри

Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen &  Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe) - О. Генри


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beendet, und er stellt, mit Mühe, wie du siehst, seine Gemütslage auf die kommenden Freuden ein. Und nun der Ritus.«

      Harro legt seinen Kopf auf das Wickelkissen, und sofort geht ein Lachen auf in dem kleinen Gesicht. Die Händchen und Füßchen tasten und schlagen, und endlich gelingt's. Er hat eine von Harros krausen Locken erhascht, und nun kreischt er auf. Zugleich bearbeiten die winzigen, einwärts gedrehten Sohlen Vaters Gesicht. Und jeden Tag findet er ein neues Tönchen, um seiner Freude Ausdruck zu geben. Die junge Mutter steht daneben und legt ihre weiße Hand auf Harros Schulter. Und Harro doziert ruhig weiter über Dämmerzustände, Bewußtseinswellen und so weiter, der Fürst hört andachtsvoll zu und vergißt ganz, daß er Harro darauf aufmerksam machen wollte, daß ein Mann als Kindermädchen doch eine etwas lächerliche Figur mache. Dann bekommt der Genüßling sein letztes Mahl, Rosmarie sitzt in der Veranda, wenn es noch warm genug ist, ihr Kind an der Brust, ihr holdes Haupt herabgeneigt, ganz verträumt. Harro und der Vater gehen am Rain auf und ab und rauchen, und drüben, über dem letzten Wiesenzipfel, erhebt ein Reh den feinen Kopf. So wächst und gedeiht Heinz Friedrich im Waldeshauch und an blühender Sommerwiese. Und erlebt das erste Abenteuer, als eines Tages ein vorwitziger kleiner Frosch auf seine Decke hüpft. Er stößt ein helles Kreischen aus, und als der Frosch wieder forthüpft, muß er weinen. Große blanke Tränen, die ersten seines Lebens.

      Der Juni wurde dann voll schwerer Gewitter. Der Fürst brachte manche ängstliche Nacht zu, wenn er an sein Liebesnest dachte im tiefen Walde. Zuweilen litt es ihn nicht mehr, und er bestieg bei dem schlimmsten Unwetter sein Pferd. Ganz allein sprengte er hinaus in jede Sturmesgewalt, ritt einmal die Buchenallee entlang, wo grelle Blitze ihm die seidengrauen Wände des Hauses zeigten, und wenn sich das Unwetter gelegt hatte, ritt er wieder nach Hause. »Er bespricht das Wetter,« sagen die Bauern, wenn sie seine Hufe durch die Nacht hören, und sie nehmen ihm seine Rehböcke weniger übel.

      Und Rosmarie flüstert halb im Traum: »Es ist mir, als ob der Vater käme.«

      Harro meint: »Den wilden Jäger hörst du, Rose. Seine Meute bellt, Käuze fliegen mit, Katzen schreien, und heute heulen die armen Seelen. Hussah – hör, wie er über die Wipfel hinknallt.«

      »O Harro, ich fürchte mich, höre doch auf.«

      »Schäfchen, wer tut dir etwas, wenn du deinen Harro neben dir hast!«– – –

      Die Fürstin hat den Sommer über in Brauneck wie eine Gefangene gelebt. Die alljährliche Wiesbadener Reise hatte ihr der Fürst glattweg verweigert. Und ihr ganzes Wesen fieberte doch nach Befreiung von diesem Braunecker Druck und nach dem süßen Gifte, das sie nun gekostet hat und dessen Feuer ihr durch die Adern lief. Und sie stieß auf eisernen Widerstand. Umsonst hatte sie alle möglichen leidenden Zustände beschworen. Aber sie blieb nicht konsequent dabei. Das Hingestrecktsein und Herumwanken ward ihr bald verleidet, und sie mußte sich in einem tollen Ritt austoben. Dann flaute des Fürsten Mitleid sofort wieder ab.

      Einmal war sie nach der Römerwiese geritten, um Rosmarie in ihrem Magddienst zu genießen. Rosmarie war allein und saß in einem Kleide von lichtblauer Sommerseide und einem Margueritenkranz auf dem Haupte unter der Kastanie neben dem schlafenden Heinz und las. Sie riß sich sofort den Kranz herunter, als sie ihre Mutter sah, und begrüßte sie scheu. Als diese sich über das Kind neigen wollte, schob sie ihren Arm darüber und sagte: »Er liebt es nicht, wenn man ihm im Schlafe zusieht.«

      Dabei war der Fürstin Auge auf den Ring gefallen. Die Fürstin sagte mit leisem Beben: »Wie kommt es, daß du meinen Ring trägst?«

      »Vater bat mich, ihn zu nehmen, er sagte, du wolltest ihn nicht.«

      »Darum gehört er mir doch, und ich brauche nur den Stein anders fassen zu lassen, so ist er mir recht. Ich will den Stein. Gib mir den Ring!«

      Die Fürstin ist ganz allein mit ihrer Tochter, so ist es nicht nötig, daß sie Höflichkeit heuchelt.

      »Ich kann nicht,« sagt Rosmarie und schiebt sich zwischen ihr Kind und die Fürstin. »Der Ring geht nicht herunter, er hat eine Feder. Nur Vater kann ihn lösen. Ich weiß ja, daß der Ring mir nicht zu Recht gehört.«

      Ach, wenn Harro käme, die Angst befällt sie wieder, die törichte, dumme Angst. Die Fürstin sieht sie mit starren Augen an:

      »Also auch das noch! Du weißt wohl auch, warum ich nicht nach Wiesbaden ging?«

      Rosmarie hat die unglückliche Unfähigkeit, ihre Gedanken zu verbergen. Sie hat ja von Tante Helen doch etwas erfahren. Mit einem Blick sieht die Fürstin ihr an, daß sie etwas weiß. Aber auf das Richtige kommt sie nicht. Sie hat ja immer irgend welche nicht eingestandene Toilettenrechnungen stehen, und Rosmarie wird von dem letzten Großreinemachen in Brauneck gehört haben. Vielleicht soll sie durch den Landaufenthalt von Versuchungen ferngehalten werden. Und Rosmarie weiß darum, das überlegt sie sich blitzschnell, und darunter liegt noch eine dumpfe Angst.

      Und Rosmarie schweigt. Mit Ausreden hat sie immer nur Unglück gehabt.

      »Nun, ich bekomme keine Antwort. Da du so wenig gastfreundlich bist...«

      »Mama,« fleht Rosmarie, aber sie verstummt schon wieder, denn sie fühlt, daß sie so froh sein wird, wenn Mama wieder ihren Rappen bestiegen hat.

      »So sehe ich nicht ein, warum wir uns länger aneinander erfreuen sollen. Also lebe wohl, teure Rosmarie, und ich wünsche dir, daß all die Freundlichkeiten, die du mir schon erwiesen hast, dir einmal ebenso vergolten werden. Ich habe eine schöne lange Liste, Rosmarie. Von vielen Jahren her...«

      Und damit faßt sie ihren Reitrock zusammen und geht hinter das Haus zu ihrem Reitknecht. Rosmarie macht nicht einmal den Versuch, sie zu begleiten.

      Von diesem Besuche haben die Herren nichts erfahren. – –

      Im Spätherbste dieses Jahres malte Harro in wenig Wochen im großen Saal des Braunecker Schlosses, für den es bestimmt ist, das Bild seiner Frau, das unter dem Namen »die Lindenprinzessin« in die Welt hinausging und Harro mit einem Schlage berühmt machte. Rosmarie trug das Silberkleid und in ihren Haaren, an der alten, goldenen Spange, zwei Büschelchen Lindenblüten und -blätter. Den Hintergrund bildete der alte Saal selbst, im Spätnachmittaglicht, das ihm am besten stand, und zwar die eine, noch leere Wand, für welche der Fürst das Bild bestimmt hatte. Die Fürstin war so lange bei ihren Eltern gewesen, wo eine ihrer Schwestern Hochzeit hatte.

      Als sie zurückkam, erfuhr sie den Verkauf von Palais Brauneck in Berlin, und daß ihr ein Braunecker Winter bevorstünde.

      Ihr erster Gedanke ist: das ist Rosmarie. Die Fürstin hat Arno Schwelm nicht wiedergesehen und wird ihn also nicht wiedersehen. Nach Brauneck kann er ja nicht kommen. Seine Briefe waren selten geworden wie Diamanten. Und wenn er einmal schrieb, so schwelgte er in Herbstgefühlen, welken Rosenblättern, grauen Dämmernebeln, – er hatte ein sehr dünnes, auf dickem Papier gedrucktes Bändchen Lyrik herausgegeben, – Entsagen, Versinken, Seligkeit des Vergehens, entschwindende Masten in fernen Brandungen.

      Auf diese Note war die Fürstin nicht eingestellt. Wenn er schoß und über seine seltsamen zweifarbigen Augen ein wunderliches Flackern lief, gefiel er ihr viel besser. Was hatte sie mit entschwindenden Masten zu tun?

      Und die Lindenprinzessin hielt ihren Triumphzug. Die Damen der hohen Aristokratie wünschten brennend, von Harro gemalt zu werden, und eine Akademie bietet ihm eine Professorenstelle an. Der Wert seiner Bilder steigt um ein Beträchtliches. Unter den vielen Briefen, die er nun täglich bekommt, erhält er einen, der als Autogramm sehr interessant ist, denn er stammt von einem ganz großen Kunstgenossen, mit dem er in früheren Jahren einmal zusammengetroffen war, und den er dennoch nicht seiner neugierigen Rose zeigt.

      Lieber Thorstein.

      Ich gehe wie alle Welt und sehe mir Ihre Lindenprinzessin an. Schon zum zweiten Male. Und je öfter ich sie ansehe, desto mehr ergreift mich eine unruhige Sorge um Sie. Ich warne Sie, lieber Thorstein, lassen Sie sich von dem Radau. den die Leute mit Ihnen machen, nicht blenden. Ich höre, daß die blonde Liebliche Ihre Frau sei. Wenn sie doch Ihre Geliebte wäre! So kommen Sie ja von dem himmlischen Blondhaar und den Händen, die eine Novelle von Paul Heyse verdienen, gar nicht mehr


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