Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe). О. Генри

Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen &  Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe) - О. Генри


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es schier zu gut.

      »Rosmarie, habe Geduld, nur noch die kurze Zeit, mein Kind, du wirst sehen, wie viel erfreulicher und besser alles werden wird,« sagt ihr der Fürst, »wir verlangen Opfer von Mama, und die müssen wir ihr zu erleichtern suchen.«

      Es ist auch ein großes Opfer, das die Fürstin dem künftigen Erben von Schloß und Herrschaft Brauneck, Schweigen und Kirchhalden, und noch drei anderer nahrhafter und romantischer Schlösser und Güter bringen muß. Sie hat Berlin mitten in der Saison verlassen müssen, später wäre dem Fürsten eine Reise zu gefährlich erschienen, und der Erbe und zukünftige Herr von Brauneck wird nicht in der Fremde geboren, sondern in der Heimat. Und die lange Zeit soll die Fürstin liegen, der es am wohlsten auf dem Rücken ihres Pferdes, auf dem Kutschierbock und auf dem Schießstand ist. Arme Fürstin, wie eingekerkert und bewacht kommt sie sich vor bei aller Fürsorge, und wie nur je ein armer Gefangener seine Kerkermeister gehaßt hat, so haßt sie abwechselnd den Hofrat, den Fürsten, Rosmarie, – wer nur eben gerade an der Reihe ist.

      »Die Zeit wird vorübergehen,« sagt der Fürst, wenn er sein blasses Kind ansieht; sie hat ja nun freilich all das nicht, was der Berliner Arzt für sie verlangte. Aber wo zwischen Himmel und Erde kann er ihr denn das verschaffen – schöne Ruhe, kleine Freuden, möglichst wenig seelische Erregungen! – Der Frühling wird schon Besserung bringen, er kommt nur so zögernd, und auf einen Sonnentag gibt's zehn frostige Regentage. Rosmarie könnte irgendwohin mit Miß Granger geschickt werden, aber bei der Erwähnung des Planes kommt die Fürstin außer sich. Nein, sie kann Rosmarie nicht entbehren, die Bergmann liest schändlich vor, bei allen rührenden Stellen schnüffelt sie, und es rührt sie schon, wenn sie liest: der Jüngling erblickte seine Vaterstadt im Abendglanze. Rosmarie kann wenigstens anständig vorlesen, wenn sie will, und mit wem soll sich die Fürstin denn sonst den ganzen langen Tag unterhalten? Man schlägt die zweitjüngste Schwester der Fürstin vor, diese kommt auch, reist aber schon nach einer Woche wieder ab, sie muß plötzlich einen Zahnarzt konsultieren. Aber Fräulein Bergmann vertraut es dem Nähröschen an, daß sie ein Gespräch der beiden Damen angehört hat, wobei die jüngere Schwester zur älteren sagte: »Meinst du, du könntest mit mir Katze und Maus spielen wie mit deiner einfältigen Rosmarie!«

      Der Frühling kommt, und er ist unsäglich schön und herrlich, und Rosmarie kann ihn vom Fenster aus besehen. Es reicht gerade zu einem täglichen Gang in den Park und zu einer kurzen Fahrt ins Tal hinunter und wieder herauf. Die Fürstin kann nicht einmal in den Garten gebracht werden, es haben sich bei ihr allerhand beängstigende Symptome gezeigt, und so spielt sich ihr ganzes Leben in den Zimmern ab. Rosmarie hat die geschicktesten, sanftesten Hände, sie kann stundenlang vorlesen, sie kann in den Schlaf bringen durch leises Streichen über Stirn und Hände und kann wie ein Schemen hinausgleiten, wenn sie das erreicht hat. Rosmarie ist unentbehrlich geworden.

      Die Felder glühen schon im frühen Juli in goldener Pracht, an den Spalieren röten sich die Birnen und Äpfel, und die Rosen verglühen an einem Tage. Und zuweilen ziehen schwere Gewitter herauf, und nie hat man von so viel Blitzschlag und plötzlichen Bränden gehört.

      Heute ist wieder ein tiefblaugoldener Himmel, und am frühen Morgen ist es so still, daß sich selbst in des Fürsten Sommerstube kein Vorhang blähen will wie sonst fast immer auf der Bergeshöhe. Rosmarie sitzt auf ihres Vaters Lederdiwan, sie hat ihm eben den täglichen Rosenstrauß für seinen Schreibtisch gebracht. Der Fürst sieht sie an und seufzt. Sie verändert sich immer mehr, und es kommt ihm vor, als werde sie immer blasser.

      »Du bringst ein Opfer, Rosmarie, und du hast so gar kein Vergnügen gegenwärtig – so wenig hast du von deiner schönen Jugend. Und doch bin ich froh, daß du Mama so unentbehrlich bist.«

      Rosmarie lächelt ein wenig, ein Lächeln, das nur die Spitzen ihrer wunderschönen Zähne zeigt. Der Fürst wird unruhig, wenn er dies Lächeln sieht: es ist etwas darin, was ihm Gedanken macht. »Wir müssen etwas ganz Schönes für dich herausfinden, wenn nun der Sommer so hingeht. In Berlin bekommst du auch keine roten Backen. Weißt du, was ich denke? Wir suchen dir irgend einen schönen Ort an der Riviera heraus, ein Küstennest am blauen Meer, mieten dir und Miß Granger eine kleine Villa für den nächsten Winter. Da kannst du dann sehen, wie der Frühling eigentlich ist. Was meinst du? Wie geht es dir übrigens, keine Ohnmachten mehr?«

      »Ich danke, Papa, – Ohnmachten, – ja hie und da einmal, wenn es so heiß ist, aber du brauchst dich nicht zu sorgen, ich erschrecke Mama nicht damit, ich gehe schon vorher, ich fühle es ja immer kommen. Mama hat ja so angegriffene Nerven und fürchtet sich vor Gewittern, – ich habe Sorge, ob wir nicht heute eins bekommen, so heiß, wie es schon ist.«

      Sie erhebt sich und tritt zu ihrem Vater hin und legt ihm von hinten her ihre Arme um den Hals und küßt ihn auf die Wange und geht hinaus an ihr schweres Tagewerk. Sie denkt: Wie einsam ist der Mensch, wie sterneneinsam –, man liebt sich, man streckt die Hände nacheinander aus und kann sich doch nicht fassen, und jedes muß auf seinem Stern bleiben. –

      Die Fürstin liegt in ihrem großen Himmelbett, das mitten im Zimmer steht. Um sie herum ist ein wahres Toilettenlager aufgehäuft, Fräulein Bergmann, die Klara und Rosmaries neue Jungfer, die Lisa, jedes trägt einen Arm voll Toilettensachen und legt sie irgendwo ab, auf dem Diwan, auf Stühlen, auf Kästchen, – fluchtartig sieht es aus. Jedesmal, wenn etwas Neues zum Vorschein kommt, muß es der Fürstin ans Bett gereicht werden, sie riecht daran und befiehlt: »Dieses auch.« Und dann wird das Schneiderkunstwerk wieder weggelegt. Rosmarie steht eine ganze Weile unbeachtet in dem Wirrsal seidener Röcke und Umhänge, bis die Fürstin ihr ruft: »Ich bitte dich, Rosmarie, rühre dich auch ein wenig, ich will doch nicht ewig in diesem Durcheinander liegen.«

      »Guten Morgen, Mama, o gerne, wenn ich weiß, was ich soll, was geschieht denn? Darf ich dir nicht zuvor deine Kissen richten?« Sie tut's, und die Fürstin sagt: »Nun rieche einmal selbst ... Riecht es nicht unverschämt nach Rosen ... dem häßlichen Duft von alten Rosenblättern.«

      »Doch, Mama, und es kommt von dem wunderschönen alten Schrank. Sie sagen, er sei innen mit Rosenholz gefüttert, Fräulein Berger ließ mich manchmal hineinriechen, als ich noch ein Kind war, das freute mich sehr.«

      »Und ich hasse den Geruch. Er verträgt sich auch gar nicht mit meinem neuen persischen Parfüm, und wenn meine Kleider in den gräßlichen Kasten kommen, verlieren sie das, und die alten Rosen sind wieder da.«

      »Dein neues Parfüm ist sonderbar, Mama, und stark, und freilich mit den Rosen vereinigt es sich nicht angenehm, zu laut find ich's. Willst du's nicht weglassen und bei den Rosen bleiben?«

      »Ganz gewiß nicht, Rosmarie, und ich habe mich überzeugt, daß dem alten Kasten keine Raison mehr beizubringen ist, alles muß heraus und gelüftet werden, und der Schrank muß fort.«

      »Aber der ist ja angewachsen, Mama.«

      »Ach, dann haut man ihn ab!«

      »Ist das nicht schade, es geht so viel hinein, er ist ein wahres Haus und so praktisch und bequem.«

      »Ich sage, es ist ein Ungetüm, eine Arche, und der Geruch geht mir auf die Nerven, nimm ihn, wenn du ihn willst, Rosmarie, aber komme mir gefälligst nicht zu nahe, wenn du Kleider daraus trägst. Lisa, müssen Sie denn wie eine Kuh auf den Spitzen trampeln, Sie schleifen ja nach!«

      Rosmarie atmet erleichtert auf. Nun ist Mama für den ganzen Tag versorgt und von der ungraziösen, langen, blassen, schlecht angezogenen, langweiligen Rosmarie abgelenkt. Die Fürstin kommandiert und besieht ihre Toiletten, und der tägliche furchtbare Kampf mit der Langeweile ist schon am frühen Morgen durch einen Sieg entschieden. Die Türe ins Vorzimmer wird zwar geschlossen, als die Diener kommen; vier reichen nicht, es müssen sechs, nein acht Leute sein, um den alten widerspenstigen Riesen von der Stelle zu rücken. Er ist wohl für eine Dame gebaut worden, die Veränderungen nicht liebte und an ihren Ruheplätzen im Garten Steinbänke anbringen ließ. Nicht einmal Füße hat das Ungetüm, es liegt mit seinen dunkel geschnitzten Leisten direkt auf dem Boden auf. Der Schrank gibt Unterhaltung für den ganzen Tag ab. Schlimm zerrissen sind freilich seine unteren Leisten, als er wie ein erschlagener Riese auf Rollen im Gang fortgeführt wird, in Rosmaries Reich hinüber. Das Gerumpel, das Gepuste der Männer, der bunte


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