Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe). О. Генри

Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen &  Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe) - О. Генри


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lacht mich grimmig aus. Von der Million, die ich dazu brauchte, und ob ich die mit Tapetenzeichnen zu verdienen gedenke, redet er nicht. Brauchst du denn eine Festung? Bilde dir nicht ein, daß du könntest mit allen Rissen und Plänen, die du machen magst, – was wir konnten. Wir bauten, weil wir nicht anders konnten. Und gegen wen willst du in deinen Wällen Geschütz auffahren? Gegen die Hollacher? Da versank der schöne Traum, und ich habe ihm auf meinem Schragen wie ein Bub nachheulen müssen. So wird's nun eben ein festes gutes Haus. Und wenn ich mich darum mein Lebtag nicht besser betten kann als auf dem Knechtsschragen. Und zuerst habe ich mit meinen zwei Händen angefangen und dabei das Berliner Elend hinausgeschwitzt. Der erste Herr von Thorstein wird auch seine Schultern angestemmt haben, wenn ein gar zu schwerer Stein das letzte Eck am Schloßberg heraufkam. Woher wären denn die meinen so breit? Und heutzutage, wo die Kinder schon mit dem Rundreisebillett im Steckkissen ankommen, muß es auch noch Leute geben, die wissen, wo sie hingehören und für was sie leben und vielleicht sterben müssen.«

      »Aber du baust dein Dach wieder dorthin, wo der Himmel so leer ist zwischen den Bäumen, daß du wieder hinsehen magst,« flüstert ein halbträumendes Stimmchen.

      Er erschrickt fast, so gut hat sie aufgemerkt. Nun, bis morgen wird sie alles vergessen haben.

      Und jetzt blinkt plötzlich ein goldenes Licht durch das weiße Gegitter eines Holunders. Der lange Thorsteiner klopft an einen Fensterladen, ein Frauenkopf fährt heraus. Von ihrer ungeheuren Nachricht ist die Gute so bedrängt, daß sie es sofort, eh sie noch weiß, was er will, weitergeben muß.

      »Wissen Sie's schon, Herr Graf, drüben die Prinzessin, das Arme, das nicht so recht im Kopf ist, ist ertrunken im Wach. Seit vier Uhr suchen sie's mit Stangen und Fackeln.«

      »Unsinn, Frau Scheiterlein, schnell packe Sie Peterles Strümpfe und Sonntagsschuhe in einen Korb und komme Sie zu mir, aber schnell.«

      Und schon ist er mit seinen langen Schritten weiter. Wieder eine Reihe hoher Bäume, dann eine Mauer. Und nun kommt's. Dem Kinde, das sich vor der Stimme der Frau ganz in seine Hüllen verkrochen hat, klopft das Herz. Denn nun kracht und brummt und stöhnt das Tor.

      »Der singende Brunnen, du!«

      Aber der schläft. Durch graues Gestein, ein Lichtlein schimmert, ein hoher großer Raum tut sich auf, aus dem eine wohlige Wärme und ein köstlicher Duft ihnen entgegenschlägt. Ein herrlicher, großer Tannenbaum auf einem Aufbau von Moos und Steinen, und darunter etwas Wunderbares, das das Kinderherz höher schlagen macht.

      Nun läßt er sie heruntergleiten. Ein langer Kaliban steht vor seinem Herrn, den er ansieht wie ein treuer Hund, der jede Bewegung vorauszuberechnen scheint. Zwei Schriftstücke bedeckt der Haus- und Schloßherr mit langen, eiligen Zügen.

      »Wenn du's gewinnen kannst, vor acht Uhr, Märt!«

      Und mit eiligen Schritten verschwindet der Bursche und läßt gerade noch die Frau Scheiterlein mit Peterles Strümpfen ein.

      »Nun, Frau Scheiterlein, wie fühlt Sie sich als dame d'honneur?«

      Die Frau macht eine wilde Armbewegung, und mit einem Schwall von ihm unverständlichen Worten wird das Kind in den Salon geleitet, der in einer der vier Fensternischen bequem Platz hat, wo sie mit vielem Protest zwar – weil sie voll Stacheln seien – Peterles Strümpfe anziehen muß, während er im Nebenraum seine Toilette macht. Sie wird nicht eleganter dadurch. Peterles Schuhe erweisen sich als zu drückend und werden unnötig erfunden, Peterles Strümpfe stehen von selbst.

      Und nun erhebt sich die schwierige Frage: »Frau Scheiterlein, was kann Sie kochen?«

      Ein Zündhölzchen flammt und unter einer Teemaschine hüpft ein blaues Flämmchen. Frau Scheiterlein kann vielerlei kochen, Pfannkuchen, Eierschmarren; aber sie empfiehlt einen guten, festen Kindlesbrei als in allen schwierigen Lebenslagen das beste für hoch und nieder. Bei hoch macht sie einen kleinen Knix. Dann geht sie ab, und man hört bald draußen ein Feuer knistern.

      Aus dem braunen Tuch, das zum Verlüften hinausbefördert wird, hat sich ein sehr, sehr schmächtiges Mägdlein in einem blausamtenen Hänger mit altem Spitzenwerk am feinen Hälschen geschält. Aber es könnte anhaben, was es wollte, man sieht nur die wallende Mähne vom blassesten Gold, die zu beiden Seiten des Gesichts herabfällt. »Wenn du so dick sein wirst wie die Haare, Seelchen, so ist's recht. Nun gibt's bald eine Schale Tee.«

      Aber sie will gar nichts. Auf den blassen Wangen brennen rote Flecken und die Augen leuchten vor Verlangen. Ach sie ist in des rechten Christkinds Reich gekommen, da unter dem Baum ist etwas so unglaublich Schönes! sie hüpft auf ihren grauen dicken Strümpfen dorthin. Aber er hält sie zurück. »Einen Augenblick, Seelchen, mach fest die Augen zu.«

      Da steht sie, vielleicht zum ersten Male in ihrem armen, kleinen Leben ein erwartungsvoll seliges Kind. Und es hat sich doch von jeher der ganze Segen der so hoch entwickelten deutschen Spielwarenindustrie über sie ergossen. Und nun klingen alle Weihnachtsglocken zugleich in ihrem Herzen zum erstenmal, und sie macht krampfhaft die Augen zu, so fest, daß sie noch die feinen Händchen ballen muß. Ein Streichhölzchen knistert und ein feiner köstlicher Wachsduft erfüllt den Raum. Augen auf! Da steht der Baum im Glanz seiner zehn Kerzen, denn einen andern Schmuck trägt er nicht. Und darunter erglänzt im sanften rötlichen Schein das Wunderwerk. Eine Krippe, aber nicht ein Stall, sondern aus grauem Steinwerk erbaut, eine Ruine, eine Steinplatte als Dach, die Ritzen mit Moos gefüllt. Und durch eine Rubinglasscherbe, die zwischen die Steine eingelassen ist, von oben in sanftes Rosenlicht getaucht, die heiligen Gestalten. Aus farbigem Wachs modelliert von den glücklichsten Künstlerhänden. Ein tiefer Atemzug des Entzückens!

      »Das Christkind! Liegt so mein Brüderchen in meiner Mutter Arm im silbernen Sarg?«

      Denn unter dem Rosenlicht liegt so sanft und lieblich ausgestreckt auf einem Bettchen von seidenweichen Disteldaunen Maria, ihr Kind im Arm. Sie schläft, das rundliche rosa Köpfchen ist an ihre Brust geschmiegt, und mit der einen Hand hält sie, wie den köstlichsten Wiegenvorhang, ihr weiches gelbes Haar um das schlummernde Kind. Über die beiden beugt sich, mit dem schönsten Ausdruck beglückter Liebe und treuer Sorglichkeit, Joseph. Auf dem Pfädlein, das durch Moos und graue Flechten hinaufführt zu der Öffnung, wandern ein Knabe und ein zerlumptes Mägdlein. Ein graues Wachseselein und eine biedere breite rotbraune Kuh sehen aus einem Verschlägchen heraus.

      Das Kind kniet vor den Herrlichkeiten auf dem Boden und schaut und schaut. Und der lange Thorsteiner hinter ihr sieht mit der gleichen Kinderfreude auf sein Werk.

      »Ein Engelreigen gehörte wohl auch noch dazu, aber ich bin nicht zurecht gekommen mit dem Federvolk. Wo denen wohl die Flügel herauswachsen?«

      »Hast du das gemacht?«

      »Siehst du, es war freilich eine große Zeitverschwendung. Aber etwas muß der Mensch zu Weihnachten bekommen. Die letzten Jahre gab's nichts, und es war ein Weihnachtselend, wie es nicht an die größte Wand zu malen ist. Aber jetzt bin ich Hausherr und werde mich doch nicht mir gegenüber lumpen lassen. Und siehst du, das hat mir wohlgetan, es ist wie bei Dürer, das Kind der Welt liegt auch in einer Ruine.«

      Nun singt die Teemaschine. »O laß mich da, ich muß immer nach der Maria sehen,« flüstert sie, und auf einem alten Wollteppich kauernd, feiert sie die wonnigsten Weihnachten. Der Hausherr hat sich in seiner ganzen gewaltigen Länge auf den Boden ausgestreckt, eine dampfende Teeschale neben sich, ein Urbild des Behagens. Wie das Kind so zusammengekauert sitzt, fallen seine glänzenden Haare fast auf den Boden, die Ellenbogen stützt sie auf die Knie, und schaut und schaut, kaum daß die Teetasse dazwischen zu Ehren kommt.

      So ist in ihrem immergleichen Dasein noch kein Tag gewesen, so wundervoll und so lang, als könnt er nie enden. In Wirklichkeit ist's kaum sieben, und mit einem Blick auf seine Uhr berechnet er, ob es noch gelingen kann, mit der guten Nachricht vor der schlimmen zu kommen. Wohl kaum.

      »Du, Harro! Für wen hast du das gemacht?«

      »Nun, für mich und meine Kinder.«

      »Du hast doch keine und du brauchst keine.« »So, brauch ich keine?«

      »Sieh die schöne Maria; wenn die Kinder


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