Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe). О. Генри

Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen &  Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe) - О. Генри


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und zartes metallisches Klingen von Sporen und Ordensketten entgegen.

      Und wie sie in die große glänzende Versammlung eintreten, da wird es sofort still. Alle Augen richten sich auf die Braut. Mit leisem Erstaunen namentlich die Damen. Die Herren wissen ja nachher nur, daß sie wunderschön war und keine Toilette, sondern ein Gewand anhatte. Die Augen der Damen bleiben schon an dem Kranze hängen, der nicht ein weißgrünes Blumenornament ist, sondern, wie wenn sie ihn vielleicht selbst gewunden hätte. Ein richtiger Kranz, wie ihn jedes Bauernmädchen aufsetzen könnte, und der wundervolle Schleier mit zwei Griffen darüber gezogen. Aber der Fürstin ist zuzutrauen, daß dies eine allerletzte Feinheit ist.

      Rosmarie erhebt ihre sanften Augen zu den dunkeln Tanten, so rührend vertrauend und liebevoll, daß die eine, die längste mit der tiefsten Stimme, sagt, was als Flüstern gelten soll: »Du schöner goldener Engel!«

      Neben ihr steht ein alter, weißbärtiger Herzogs, dessen Augen bei ihren Worten aufleuchten:

      »Das einzige richtige Wort, Gräfin.«

      Der Prinz Robert Schillingsberg flüstert seinem Nachbar, einem alten General, zu:

      »Wenn ich der Fürst wäre, für eine so wunderschöne Tochter hätte ich mir den Schwiegersohn auf Europens Thronen gesucht. Die Fürstin sieht ganz mesquin neben ihrer Tochter aus.«

      Da ertönen vom Hofe her der Brautchor und zugleich verwehte Orgeltöne und Glocken. Glocken, viele Glocken, vom Berge herab schwingen sich die Töne, schweben aus den Tälern herauf, brechen sich an den Waldbergen drüben und kehren wieder. Die ganze Luft ist voll Glockentönen, sie fluten zu den hohen Fenstern herein, sie klopfen mit ihren starken Wellen an Rosmaries Herz.

      Dir klingen sie, die du einst Vaters arme Kleine, das häßliche Entlein warst.

      Es bewegt sich der lange glänzende Zug unter den Rosengewinden hin, zwischen deren weißen Blumenhäuptern die alten Mordwaffen blitzen. Stärker und feierlicher werden die Klänge. Sie überschreiten die teppichbelegte Schwelle, und der frische Herbsthauch erfaßt Rosmaries Schleier und weht ihn von den Schläfen hinweg, daß die Goldhaare aufglänzen.

      Immer an Vaters Arm geht sie hin. Da fängt ihr Herz an ängstlich zu klopfen: Ja, wo ist denn Harro?

      Und die Glocken dröhnen, und die Orgel jubelt, und sind es wirklich Knabenstimmen, die da von der höchsten Höhe der Kapelle kommen, oder sind's Engelchöre?

      Oh, wie sich die Wellen der Töne auf Rosmaries Herz legen und es still machen und hinaufreißen, dorthin, wo die ewige Liebe wohnt.

      Und nun hat sie Vaters Arm verloren, und Harro steht neben ihr. Ein blasser, ganz veränderter Harro. Der einzige dunkle Mann, unter all diesen glänzenden besternten Herrschaften. Eines Hauptes höher als alles Volk.

      Der Herr Stiftsprediger steht vor dem blumengeschmückten Altar und richtet seine tiefliegenden Augen auf seine ehemalige Schülerin. Er hat sie nicht vergessen, er hat es immer bedauert, daß er nicht mehr mit ihr in Berührung kam. Und er weiß, daß sie neben dem Mann ihres Herzens steht. Sonst wäre ihm sein Dienst heute schwer geworden, denn er kennt die feine Seele vor ihm, und er hofft für sie und den Mann, dem sie sich vertraut, daß bei ihnen die Worte seiner Liturgie wahr werden möchten... daß eines das andere in den Himmel bringe.

      Aber als Harro mit Rosmarie an den Altar tritt, da durchfährt sie ein leiser Schauer, – kältet das Kreuz so durch die bunte Blumenhülle, auf der sie steht?

      Doch dann ist's verweht, und noch nie hat eine Braut den Herrn Stiftsprediger mit so großen, ernsten, sanften Augen angesehen. Und ihr Blick ist so tief, daß Hochwürden mit einem Male fühlt, daß er von seinem Manuskripte abgewichen ist und mit der Seele spricht, die da zu ihm aus den Augen blickt.

      Und damit geht auch durch diese so zusammengewürfelte Gesellschaft, die zu einem Fest, zu einer vornehmen Familienfeier gekommen ist und diese Kirchensache eben so mitnimmt, ein Hauch der Andacht. Das ist ein wunderliches Wehen des Geistes, und kein Redner, der es nicht fühlte, wenn seine Wogen an ihn herankommen.

      Das seltsame und unbestimmbare Element der Gemeinschaft, das man nicht messen und wägen kann, und das doch so sicher vorhanden ist und seine Ströme aussendet und an all die in ihren Leibern eingesperrten und gefangenen Seelen herankommt und sie bezwingt.

      Dann hört Rosmarie die Worte der Einsegnung und erschauert über ihnen, und Harros gute, eisenharte und starke Hand hält ihre Hand, die so weich und zart und schmal ist. Und dann wird für Rosmarie alles in einen goldigen Nebel gehüllt. Sie steht auf einmal wieder im Waffensaal unter den Rosen, und Mama küßt sie spitzig auf die Wangen, und man küßt ihr die Hand, und so viele Menschen, deren Titulaturen ihr so sorgfältig eingeprägt sind, und die sie gar nicht verwechseln soll, reden mit ihr und wünschen Glück und Rosmarie gibt sich die größte Mühe, alles recht zu machen, und weiß es doch über dem goldenen Nebel nicht, ob es ihr gelingt. Und nun wieder Musik und die festliche, mit Blumengewinden geschmückte Tafel im großen Saal, dort ihr Platz neben Harro unter einem Baldachin, aus weißen Rosen gewebt, mit Rückwänden aus grünsilbernem Brokat.

      Und man tut, als ob man äße, und dann hält Vater eine Rede, von der Rosmarie weiß, daß sie ein diplomatisches Meisterstück ist, denn keiner der hohen Gäste, die alle ja irgendwie verwandt sind, darf unberücksichtigt bleiben und alles in bestimmter Reihenfolge.

      Und Harro sagt leise zu ihr, sie hat ja nicht gewagt, mit ihm zu sprechen, aus Angst, daß sie darüber die Welt da vor ihnen vergäße:

      »Welch ein Glück, daß der Bräutigam den Mund halten darf! Und Rosmarie, trinke doch einen Tropfen Wein und versuche dies unschuldsweiße, mir ganz unbekannte Ding auf deinem Teller, und sieh nicht ganz aus wie ein verklärter Geist. Ich möchte aufstehen, brennend gern, und dich von drüben in deiner grünsilbernen Altarnische sehen, gar zu gern möcht ich's.«

      »Aber man darf nicht, Harro.«

      »Nein, leider darf man nicht. Man darf vieles nicht.«

      »Und du hast ja auch eine Altarnische.«

      »Meinst du, es sei nicht köstlich gewesen, es in Tante Ulrikes Augen aufblitzen zu sehen, wie sie mich darin installiert fand? Ist sie nicht einzig, die Tante Ulrike? Wir müssen sie noch halten; die Tantenstube, die ich für sie gebaut – sie verweigert glattweg es zu glauben –, die für sie bestimmt ist, wenn sie einmal ihrem Stift entrinnen möchte, muß sie sehen.«

      Und Harro lächelt so eigen und sieht in dem Augenblicke ganz verschmitzt aus. Die Tanten bringen einen solchen Jugendhauch mit, und wenn er sie ansieht, so kommt er sich zwanzig Jahre jünger vor.

      »Und nun, Rosmarie, sehe ich an Vaters Augen, daß das Symposion bald ein Ende haben wird. Meine Nische, obgleich sie mich liebreich beschützt, beengt mich doch mächtig. Sag mir, darf ich dich noch ein einziges Mal sehen – nicht nur wie jetzt, als Anbetungsgegenstand in Nischen, ehe dein Schleier fällt?«

      »Ich weiß nicht... Ach, Harro, es ist so wunderlich... Sieh, das schöne blasse dunkle Mädchen mit den Augen –, ›was hat man dir, du armes Kind, getan?‹ – in dem Gewand von Fliederblütenhauch. Oh, wie ist sie lieblich!«

      »Es ist eine Prinzessin Tarn und Cousine, und ich sehe sie heute zum ersten Male und vielleicht zum letzten Male!«

      »All die Menschen, die nur um unsertwillen gekommen sind, wir sehen sie so nicht wieder, und sie ziehen alle wie Schatten vorüber, fort – zu den vielen Schatten, die schon durch den Saal gegangen sind, und auch wir gehören zu den Schatten...«

      »Jetzt nicht philosophisch werden. Liebste... Augen links ... nun hält der Großherzog seine Rede. Lächle lieblich, Rose. O Himmel, sollte ich nun etwas tun oder nicht?«

      Bald ergießt sich die ganze glänzende Versammlung über die Gemächer. Noch einen Augenblick faßt das farbenprächtige schimmernde Bild, die Toiletten der Damen, die Uniformen der Herren, der vornehme Rahmen des alten Saals mit seinen Gemälden und goldenen Wappen ein.

      »Wie seltsam ist es zu denken, daß eben hier das Seelchen mir den Ring brachte. Wer weiß, ob traumhaft in ihr schon das


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