Unser Kosmos. Andere Welten.. Ann Druyan

Unser Kosmos. Andere Welten. - Ann Druyan


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weiter schrieben und produzierten, plagten mich Albträume, dass mein begrenztes Wissen Carl, den ich liebe und bewundere, kaum Ehre machen würde.

      Mit dieser jetzigen, der dritten Staffel über die Reisen mit dem »imaginären Raumschiff«, arbeite ich nun 40 Jahre an Unser Kosmos. Das Raumschiff und der Kosmische Kalender sind keine Relikte vergangener »Reisen«. Einige bildliche Ausdrücke, Anekdoten und Lehrmittel verfügen aus meiner Sicht über eine unwiderstehliche Erklärungskraft, weswegen ich sie auch hier verwende. Es wird zwangsläufig Wiederholungen und Überschneidungen mit Gedanken geben, die Carl und ich zuvor schon erläutert haben. Doch heute sind sie dringlicher denn je. Einmal mehr unterstützten mich brillante Mitarbeiter und ich hegte die Befürchtung, den Ansprüchen nicht zu genügen. Aber mich treibt an, was wir heute erleben.

      Wir alle sehen den Schatten, den unsere Gegenwart auf die Zukunft wirft. Wir müssen etwas tun, sonst verdammen wir unsere Kinder zu Gefahren und Sorgen, denen wir uns niemals gegenübersahen. Wie rütteln wir uns selbst wach, damit wir nicht schlafwandlerisch in eine unumkehrbare klimatische oder nukleare Katastrophe stolpern, die unsere Zivilisation und zahllose Arten zerstört? Wie lernen wir, lebensnotwendige Dinge wie Luft, Wasser und unser gesamtes Lebenserhaltungssystem auf der Erde mehr zu schätzen als Geld und kurzlebige Annehmlichkeiten? Nur ein globales Erwachen kann uns alle verändern.

      Wie die Liebe ermöglicht es die Wissenschaft, zur Fülle des Lebens zu finden. Die wissenschaftliche Annäherung an die Natur und mein Verständnis von Liebe decken sich: Liebe überwindet kindliche Projektionen persönlicher Hoffnungen und Ängste, um die Wirklichkeit des Anderen zu erfassen. Diese Art der Liebe hört nie auf, tiefer zu schürfen oder nach Höherem zu streben.

      Genau so liebt die Wissenschaft die Natur. Das Fehlen eines endgültigen Ziels, einer absoluten Wahrheit, macht die Wissenschaft zur geeigneten Methode für die wahrhafte Suche, eine endlose Lektion in Demut. Die Weite des Universums und die Liebe, die diese Weite erträglich macht, bleiben den Überheblichen verschlossen. Der Kosmos ist nur jenen zugänglich, die auf ihre innere Stimme hören, die uns sagt, dass wir uns auch irren können. Was real ist, muss schwerer wiegen als das, was wir glauben wollen. Doch wie erkennen wir den Unterschied?

      Der dunkle Schleier, der uns daran hindert, die Natur vollständig zu erfassen, kann nur durch die Regeln der Wissenschaft gelüftet werden: Ideen durch Versuche und Beobachtungen zu überprüfen, auf denjenigen aufzubauen, die den Test bestehen, und zu verwerfen, was durchfällt. Den Beweisen zu folgen, wo immer sie auch hinführen. Alles zu hinterfragen, auch Autoritäten. Dann gehört der Kosmos dir.

      Was sonst wäre der lange Weg zum Verständnis unserer tatsächlichen Rolle im Universum, des Ursprungs von Leben und Naturgesetzen, anderes als eine spirituelle Suche?

      Ich bin keine Wissenschaftlerin, sondern sammle nur Geschichten. Am liebsten solche über Forscher, die uns den großen dunklen Ozean durch Inseln des Lichts erschließen halfen und die sich in die bodenlosen Weiten des Kosmos vorwagten. Reisen wir gemeinsam zu den Welten, die sie entdeckten – zu den vergessenen, den noch blühenden und denjenigen, die noch kommen werden.

      Auf den folgenden Seiten erzähle ich Ihnen die Geschichte eines unbekannten Genies, das einen Brief 50 Jahre in die Zukunft sandte, mit dessen Hilfe die Apollo-Mission zum Mond erfolgreich durchgeführt werden konnte. Und eine über jenen Wissenschaftler, der den Kontakt zu einer alten Lebensform fand, die wie wir eine symbolische Sprache besaß. Diese in Physik und Astronomie gebildeten Wesen führten mathematische Berechnungen durch und lebten eine Konsensdemokratie vor, die unsere übertraf.

      Ich möchte Sie in Welten führen, die wir uns nur dank der Wissenschaft vorstellen, wieder zum Leben erwecken und besuchen können; in eine Welt, in der es Diamanten regnet; zu einer uralten Stadt auf dem Meeresgrund, in der womöglich das Leben auf der Erde anfing; zur innigsten stellaren Beziehung im Kosmos, zu zwei in ewiger Umarmung vereinigten Sternen, die über eine 13 Millionen Kilometer lange Feuerbrücke miteinander verbunden sind.

      Lauschen wir am verborgenen, weltweiten irdischen Netzwerk, das für die uralte Kooperation der Reiche des Lebens steht. Lernen wir einen kaum bekannten Wissenschaftler kennen, der uns eine längst verlorene Welt erschloss. Er deckte vor über 200 Jahren auch eine logische Lücke in der Realität auf, die noch immer unerklärbar ist, trotz Einsteins großartiger Bemühungen.

      Am bewegendsten ist für mich die Leidenschaft jenes Mannes, der einen entsetzlichen Tod durch die Hand eines schrecklichen Mörders wählte. Durch einen wissenschaftlichen Betrug hätte er sich retten können, aber das wollte er nicht. Seine Schüler folgten ihm bereitwillig in ein Martyrium, um etwas zu schützen, was für sie lediglich eine abstrakte Vorstellung war – die Generationen nach ihnen. Wir.

      Das bringt uns zu jener anderen Welt, die mich am meisten reizt – zur Zukunft, die unsere Welt immer noch haben kann. Der Missbrauch der Wissenschaft gefährdet unsere Zivilisation, doch sie besitzt auch erlösende Kräfte. Sie kann die mit Kohlendioxid vergiftete Atmosphäre durch Lebewesen reinigen, die das von uns freigesetzte Gift neutralisieren. In einer Gesellschaft, die nach Demokratie strebt, kann der Wille einer informierten und motivierten Öffentlichkeit diese Zukunft Realität werden lassen.

      Dies sind Geschichten, die mich für unsere Zukunft hoffen lassen. Durch sie spüre ich den Zauber der Wissenschaft noch intensiver, genauso wie das Wunder, jetzt zu leben, in diesen speziellen Koordinaten der Raumzeit, weniger alleine, mehr zu Hause, hier im Kosmos.

      ANN DRUYAN

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      DIE LEITER ZU DEN STERNEN

      Nicht ich, sondern die Welt sagt es: Alles ist Eins.

      HERAKLIT, UM 500 V. CHR.

      99 Prozent der Zeit seit Entstehen unserer Spezies waren wir

      Jäger und Sammler … Nur die Erde, der Ozean und der Himmel

      setzten uns Grenzen …

      Wie sollen wir uns ins Weltall vorwagen, Welten versetzen,

      Planeten umformen, benachbarte Sternensysteme besiedeln, wenn wir

      nicht einmal unseren Heimatplaneten in Ordnung halten können? …

      Wenn wir fähig sind, das nächstgelegene Planetensystem zu besiedeln,

      werden wir uns verändert haben, schon weil so viele Generationen verflossen

      sind. Wir mussten uns verändern. Wir sind eine anpassungsfähige Art. …

      Trotz all unserer Fehler, trotz unserer Einschränkungen und

      Fehlbarkeit können wir Menschen Großartiges bewirken …

      Wie weit wird unsere nomadische Art am Ende des nächsten

      Jahrhunderts gewandert sein? Und des nächsten Jahrtausends?

      CARL SAGAN, BLAUER PUNKT IM ALL:

      UNSERE ZUKUNFT IM KOSMOS, 1996

      

      Das Band der Saturnringe – ein Regenbogen der Gravitation. Die NASA-Sonde Cassini eröffnet einen Blick auf einen fast 1,5 Milliarden Kilometer entfernten hellblauen Punkt: die Erde.

      

      Antares, einer der größten Sterne in der Milchstraße, leuchtet trotz seiner Entfernung von mehr als 600 Lichtjahren hell über der chilenischen Atacama-Wüste auf.

      Wir sind sehr jung, Neulinge in der Unermesslichkeit. Wir verharren am Ufer des kosmischen Ozeans wie Kleinkinder, die gelegentlich einen Vorstoß wagen, bevor ihre Angst sie wieder in den Schoß der Mutter zurücktreibt.

      Vor einem halben Jahrhundert statteten wir Menschen dem Mond einige kurze, vorübergehende Besuche ab. Seither überließen wir unsere Erkundungsreisen Robotern. 1977 schickten wir Voyager 1, unseren


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