Mord im Herrenhaus. Фиона Грейс

Mord im Herrenhaus - Фиона Грейс


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ältere Mann wirkte niedergeschlagen. „Deshalb bin ich überhaupt hier. Ich habe nämlich heute Morgen einen Anruf bekommen, in dem man mir gesagt hat, dass hier alles leergeräumt worden wäre.“

      Lacey schnappte nach Luft. „Sie sind ausgeraubt worden?“ Es fiel ihr schwer sich vorzustellen, dass es hier, in dem schönen und ruhigen Badeort Wilfordshire, so etwas wie Verbrechen geben solle.

      Das schlimmste Vergehen, das sie sich hier, in einem so netten Ort wie diesem, vorstellen konnte war, dass irgendein Lausbub einen zum Abkühlen auf eine Fensterbank gestellten Kuchen von diesem weg stibitzte.

      Der Mann schüttelte den Kopf und sagte: „Nein, nein. Die sind weggezogen. Sie haben ihr ganzes Zeug zusammengepackt und sind einfach gegangen. Haben mir nicht einmal Bescheid gesagt. Und haben mir auch noch ihre ganzen Schulden hinterlassen. Unbezahlte Gas-, Wasser- und Stromrechnungen und dazu noch einen Berg anderer Rechnungen.“ Er schüttelte traurig den Kopf.

      Lacey war entsetzt zu hören, dass der Laden erst heute Morgen ausgeräumt und verlassen worden war und sie auf diese Weise unabsichtlich in ein sich gerade entwickelndes Drama hineingestolpert war.

      „Das tut mir sehr leid“, sagte sie mit echtem Mitleid für den Mann. Jetzt war es an der Zeit, dass sie in die Rolle der Therapeutin schlüpfte und versuchte, den Mann ebenso zu trösten wie er es vorhin mit ihr gemacht hatte. „Wird es denn gehen?“

      „Ich glaube nicht“, sagte er traurig. „Um die Schulden dieser Leute los zu werden, werden wir den Laden wohl verkaufen müssen. Und ehrlich gesagt, denke ich, dass wir, also meine Frau und ich, viel zu alt dafür sind, mit so einem Stress fertig zu werden.“ Dabei schlug er sich leicht gegen die Brust, als wolle er damit sagen, dass er ein schwaches Herz habe. „Es geht mir sehr nahe, den Laden verkaufen zu müssen“, meinte er mit brechender Stimme. „Denn er war jahrelang im Besitz meiner Familie. Ich liebe ihn. Wir hatten über die Jahre einige sehr interessante Mieter hier drin.“ Die Erinnerung an diese scheinbar erlebnisreiche Zeit brachte ihn einerseits zum Träumen und gleichzeitig zu einem melancholischen Lachen. „Aber leider geht es jetzt nicht mehr weiter. Wir sind dem ganzen Stress und den Belastungen, die uns der Laden mittlerweile machen würde, einfach nicht mehr gewachsen.“

      Die Trauer, die man seiner Stimme anhören konnte, brach Lacey das Herz. In was für eine missliche Lage hatte man diesen Mann nur gebracht? Und wie schlecht musste es ihm und seiner Frau gehen? Das Mitleid, das sie für den alten Mann empfand war ähnlich stark wie der Jammer über ihre eigene Lage. Denn schließlich war sie damit konfrontiert, dass sie das ganze Leben, das sie sich zusammen mit David in New York aufgebaut hatte, verloren hatte und das ganz ohne jeden Grund. Sie wünschte sich sehr, dass sie das Problem des alten Mannes in ihre Hand nehmen und aus der Welt schaffen könnte.

      Und so platzte noch bevor sie eine Sekunde darüber nachgedacht hatte, was sie da eigentlich sagte, aus ihr heraus: „Ich miete den Laden“.

      Vor Überraschung schossen die weißen Augenbrauen des Mannes nach oben. „Ich glaube ich habe nicht richtig gehört, was Sie gerade gesagt haben.“

      „Ich miete den Laden“, wiederholte Lacey schnell, um zu verhindern, dass ihr logisches Denken zurückkam und ihr einen Strich durch diese blitzartig getroffene Entscheidung machen konnte.

      „Sie können den Laden nicht verkaufen. Dafür hat er – wie Sie selbst sagen - eine viel zu lange Geschichte in ihrer Familie. Da hängen doch jede Menge Erinnerungen dran. Und ich bin super vertrauenswürdig. Ich habe Erfahrung. Naja, wenigstens sozusagen.“

      In diesem Moment dachte sie wieder an die Kontrolleurin mit den dunklen Augenbrauen vom Flughafen zurück, die ihr gesagt hatte, dass sie, falls sie in England arbeiten wolle, ein Visum bräuchte und wie sie ihr im Brustton tiefster Überzeugung geantwortet hatte, dass arbeiten das letzte wäre, was sie hier tun wolle.

      Und wie sollte es dann mit Naomi weitergehen? Und wie mit ihrem Job bei Saskia? Wie sollte es überhaupt mit ihrem ganzen bisherigen Leben weitergehen?

      Doch auf einmal spielte das alles keine Rolle mehr. Denn das Gefühl, das Lacey schon beim ersten Anblick dieses Ladens überkommen hatte, war so etwas Liebe auf den ersten Blick gewesen. Uns so war sie gerade dabei ins kalte Wasser zu springen.

      „Und? Was sagen sie dazu?“ fragte sie den Mann.

      Der alte Mann wirkte ziemlich überrascht, was ihm Lacey aber nicht verdenken konnte. Da stand nun eine seltsame Amerikanerin, die Klamotten trug, die schwer nach Ramschladen aussahen und versuchte ihn zu überreden, dass er ihr seinen Laden vermieten solle. Und das, wo er sich doch schon dazu entschlossen hatte, diesen zu verkaufen.

      „Also…ich…“, setzte er zur Antwort an. „Es wäre schon schön, den Laden noch ein wenig länger im Familienbesitz zu halten. Außerdem sind die Preise für den Verkauf von Immobilien zurzeit nicht gerade gut. Aber ich muss zuerst mit meiner Frau Martha über das alles reden.“

      „Das ist doch klar“, sagte Lacey. Überrascht darüber, wie sicher sie sich ihrer Sache war kritzelte sie schnell ihren Namen und ihre Telefonnummer auf ein Stück Papier und reichte es dem Mann. „Nehmen Sie sich so viel Zeit wie Sie brauchen.“

      Denn sie selbst brauchte ja auch noch etwas Zeit, zum Beispiel um sich ein Visum zu besorgen, einen Businessplan auszuarbeiten, das nötige Geld zum Eröffnen eines eigenen Ladens aufzutreiben und überhaupt für alles.

      Vielleicht sollte sie sich zu aller erst einmal das Buch „Einen Laden führen für Dummies“ besorgen.

      “Lacey Doyle”, las der Mann von dem Zettel ab, den sie ihm gegeben hatte.

      Lacey nickte. Noch vor zwei Tagen war ihr dieser Name noch komplett fremd vorgekommen und jetzt war er wieder ganz der ihre.

      „Ich heiße Stephen“, antwortete er.

      Sie gaben sich die Hand.

      „Ich freue mich auf Ihren Anruf“, sagte Lacey.

      Voller Vorfreude verließ sie den Laden. Wenn Stephen ihr diesen vermietete, dann würde sie sehr viel länger in Wilfordshire bleiben, als sie vorgehabt hatte. Eigentlich hätte ihr diese Vorstellung Angst machen müssen, doch stattdessen löste er reine Freude in ihr aus. Denn hier zu bleiben fühlte sich einfach richtig an – nein, mehr als nur richtig: hier zu bleiben fühlte sich an als wäre es ihr Schicksal.

      KAPITEL FÜNF

      „Ich dachte du wärst auf Urlaub dort!“ schrie ihr Naomi aufgebracht durch ihr zwischen ihrem Ohr und ihrer Schulter festgeklemmtes Handy entgegen.

      Seufzend versuchte sie die Tirade ihrer Schwester auszublenden und sich weiterhin auf die Tastatur des für die Nutzer der Bücherei von Wilfordshire bereitstehenden Computers, an dem sie saß, zu konzentrieren. Sie war gerade dabei, den Status ihres Online-Antrages zur Umwandlung ihres Urlaubervisums in ein Visum für Firmengründer zu überprüfen.

      Nachdem sie Stephen kennengelernt hatte, hatte sie begonnen sich darüber zu informieren, was man mitbringen musste, wenn man in England ein Geschäft aufmachen wollte. Ihre diesbezüglichen Nachforschungen hatten ergeben, dass ihr als jemandem, der der englischen Sprache sehr gut mächtig war und etwas Geld auf der hohen Kante hatte, nur noch eines fehlte, um hier ein Geschäft aufmachen zu dürfen und dies war ein vernünftiger Businessplan. Doch einen solchen zu erstellen würde Lacey dank Saskia, die immer alle möglichen Arbeiten – auch solche, für die sie bei weitem nicht gut genug bezahlt wurde – auf sie abgewälzt hatte, auch keinerlei Probleme bereiten. Denn dadurch, dass sie im Zuge ihrer Arbeit für Saskia schon so einige Businesspläne erstellt hatte, war diese Aufgabe nichts Neues mehr für Lacey. Und so hatte es Lacey nur wenige Abende und noch weniger Mühe gekostet, einen Businessplan auszuarbeiten und einzureichen, wobei die Mühelosigkeit dieses Unterfangens, wie es Lacey schien, ihr nur ein weiteres Mal beweisen sollte, für wie richtig das Universum es erachtete, dass sie hierblieb und ihr Leben neu ordnete.

      Als


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