Mord im Herrenhaus. Фиона Грейс

Mord im Herrenhaus - Фиона Грейс


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war einzigartig, ganz gleich, ob es dort nun Kinderbekleidung, Kurzwaren, Gebäck oder Kaffee zu kaufen gab. Und dann war da noch ein altmodischer Süßwarenladen, in dem man die Wahl zwischen vielen farbenfrohen Süßigkeiten hatte, die alle jeweils nur einen Penny kosteten.

      Es war April und deshalb war die Stadt überall mit Girlanden für das bevorstehende Osterfest mit bunten Wimpeln geschmückt worden. Und die Sitzgelegenheiten vor den Pubs und Bistros der Stadt waren von Leuten bevölkert, die ihren Abend mit einem Bierchen oder einem schönen Essen ausklingen ließen. Die Laune war gut, es wurde geplaudert und gelacht.

      Angesichts dieses entspannten Moments, in dem Lacey endlich eine lang ersehnte Ruhe empfand, griff sie zu ihrem Smartphone und hielt das fröhliche Treiben in einem Schnappschuss fest. Da auf dem Foto auch der silbern glitzernde Ozean sowie der vom Sonnenuntergang in verschiedene Rosatöne versetzte Himmel zu sehen war, hätte dieses auch gut als Postkarte durchgehen können. Deshalb lud sie das Bild hoch, um es mit der vor einiger Zeit von Naomi unter der Bezeichnung Doyle Girlz gegründeten Gruppe - das heißt ihrer Familie zu teilen.

      Es ist alles noch so, wie ich es in Erinnerung hatte, schrieb sie unter das tolle Bild.

      Einen Augenblick später zeigte das Gerät Lacey mit einem leisen „Pling“ an, dass sie eine SMS bekommen hatte. Es war eine Nachricht von Naomi.

      Sieht ganz so aus, als wärst du zufällig in der Diagon Alley gelandet, Schwesterherz.

      Lacey seufzte. Diese Antwort von ihrer kleinen Schwester war genauso sarkastisch ausgefallen wie sie erwartet hatte. Denn natürlich konnte sich Naomi nicht einfach mit ihr freuen oder stolz auf sie sein, weil sie auf dem besten Weg war, ihr Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen.

      Hast du das mit Photoshop bearbeitet? fragte ihre Mutter einen Augenblick später.

      Lacey rollte mit den Augen und steckte ihr Smartphone wieder weg. Sie nahm sich vor, sich von niemandem die Laune verderben zu lassen und atmete tief ein, um sich wieder ein wenig zu beruhigen. Dabei war sie ein weiteres Mal erstaunt über den Unterschied zwischen der wunderbar frischen Luft hier und der verschmutzten Luft, die sie noch heute Morgen in New York eingeatmet hatte.

      Sie ging weiter die Straße hinab, wobei ihre Absätze auf dem Kopfsteinpflaster ein klapperndes Geräusch machten.

      Ganz oben auf ihrer To-do-Liste stand, ein Hotelzimmer für die ihr selbst noch unbekannte Zeit ihres Aufenthalts hier zu finden. Also blieb sie vor dem ersten B&B, das auf ihrem Weg lag, stehen. Es hieß „The Shire“, doch leider war es, wie auf einem in einem seiner Fenster stehenden Schild zu lesen war, „belegt“. Aber das machte ihr nichts aus. Denn die Hauptstraße war lang und wenn Lacey sich recht erinnerte, dann lagen noch einige andere Pensionen, bei denen sie ihr Glück versuchen konnte, vor ihr.

      Das nächste B&B – es hieß „Laurel’s“ – war ganz in Zuckerwatte-Pink gehalten, aber ebenfalls „ausgebucht“. Nur, dass die Erkenntnis, dass sie auch hier nicht unterkommen würde, anders als beim ersten „belegten“ B&B, bei Lacey inzwischen schon eine Art leichter Panik auslöste.

      Sie kämpfte die Panik nieder und sagte sich tapfer, dass diese nur daher kam, dass ihre Familie ihr ihren Trip hierher so madig gemacht hatte. Sie musste keine Angst haben. Denn sie würde ganz sicher bald ein Zimmer finden.

      Sie ging weiter. Das zwischen einem Juwelier und einem Buchladen gelegene Seaside Hotel war „ausgebucht“ und auch das nächste nach einem Laden für Campingbedarf und einem Schönheitssalon auf ihrem Weg Carol‘s B’n’B war belegt. Und das ging immer so weiter bis Lacey schließlich am Ende der Straße angekommen war.

      Jetzt wurde Lacey langsam wirklich panisch. Wie hatte sie nur so dumm sein können hierher zu kommen, ohne auch nur die allerwichtigsten Vorbereitungen für ihren Aufenthalt zu treffen? Alles Mögliche zu organisieren war das A & O in ihrem Beruf gewesen und jetzt stand sie da und hatte nichts, aber auch gar nichts, für ihren eigenen Urlaub vorbereitet! Sie hatte so gut wie nichts dabei und noch nicht einmal ein Zimmer. Hieß das jetzt, dass sie die Straße wieder hochgehen, weitere zweihundert Pfund für ein Taxi zurück nach Heathrow ausgeben und den nächsten Flug nach Hause nehmen musste? Kein Wunder, dass David sie bei ihrer Scheidung auf Unterhalt verklagt hatte, denn anscheinend konnte sie überhaupt nicht mit Geld umgehen!

      Lacey drehte sich um und betrachte niedergeschlagen den sich vor ihren Augen auftuenden Rückweg, ganz so, als wäre es möglich, allein durch ihr hilfloses Herumschauen ein weiteres B&B herbeizaubern, das ihr bisher entgangen war. Erst durch dieses ängstliche Herumschauen bemerkte Lacey, dass das letzte Haus am Ende der Straße, vor dem sie sich gerade befand, tatsächlich ein Gasthaus war. Es hieß „The Coach House“.

      Obwohl Lacey sich ziemlich blöd dabei vorkam, sammelte sie sich und klärte ihre Stimme. Dann betrat sie das Gasthaus, das mit seinen großen Holztischen, der als Speisekarte dienenden Schiefertafel und dem unvermeidlichen, in einer Ecke stehenden Spielautomaten das Urbild eines Pubs abgab. Sie ging an die Bar, hinter der man bis zum Anschlag mit Weinflaschen gefüllte Glasvitrinen und eine Menge Flaschen, die Schnäpse in allen möglichen Farben enthielten, sehen konnte. Das Ganze wirkte ziemlich altmodisch. Und es gab sogar den sprichwörtlichen alten Trinker, der an der Bar eingeschlafen war und seinen Kopf auf seine verschränkten Arme gebettet hatte.

      Hinter der Bar stand ein dünnes Mädchen mit hellblondem Haar, das auf ihrem Kopf zu einem unordentlichen Knoten geschlungen war. Sie wirkte viel zu jung, um an einer Bar zu arbeiten. Doch dann dachte Lacey, dass ihr die Barfrau wohl nur so jung erschien, weil man in England schon früher mit dem Alkoholkonsum anfangen durfte als in Amerika als deswegen, weil sie langsam in das Alter kam, in der ihr alle anderen viel zu jung vorkamen.

      „Was darf es für Sie sein?“ fragte die Barfrau.

      „Ein Zimmer und ein Glas Prosecco“, antwortete Lacey.

      Ihr war irgendwie nach Feiern zumute.

      Doch die Barfrau schüttelte den Kopf und sagte mit einem so weit geöffneten Mund, dass man den Kaugummi zwischen ihren Zähnen sehen konnte: „Wir sind über Ostern ausgebucht. Übrigens genauso wie alle anderen Unterkünfte in der Stadt auch. Denn wegen der Schulferien machen viele Familien Urlaub hier bei uns in Wilfordshire. Mindestens für die nächsten zwei Wochen geht da zimmermäßig gar nichts mehr.“ Nach einer kleinen Pause fragte sie: „Also dann nur einen Prosecco?“

      Lacey musste sich an der Bar festhalten, um nicht umzukippen. Ihr Magen rotierte. Jetzt glaubte sie endgültig, die dümmste Frau der Welt zu sein. Inzwischen wunderte es sie gar nicht mehr, dass David sie verlassen hatte. Denn sie war einfach das personifizierte Chaos. Eine Schande für die ganze Menschheit. Da stand sie nun und tat so, als wäre sie ein erwachsener Mensch, der zu selbstständigem Handeln in der Lage war, und dabei konnte sie sich nicht einmal ein Hotelzimmer organisieren.

      In diesem Moment sah Lacey jemanden von der Seite her auf sie zukommen. Als sie sich umdrehte, stellte sich dieser jemand als ein Mann von etwas über 60 Jahren heraus, der ein in seine Jeans gestecktes Hemd mit Gingham-Muster sowie eine von seinem Gürtel baumelnde Handy-Gürteltasche trug und sich eine Sonnenbrille auf seinen Glatzkopf gesteckt hatte.

      „Habe ich richtig verstanden, dass Sie eine Unterkunft suchen?“ fragte er sie.

      Lacey wollte gerade sagen, dass dem nicht so sei – denn so verzweifelt sie auch sein mochte, war es eher Naomis Stil mit einem Mann mitzugehen, der doppelt so alt war wie sie und sie noch dazu in einer Bar angesprochen hatte. Doch dann sagte der Mann: „Ich vermiete nämlich Ferienhäuser.“

      Sie war so überrascht, dass sie nur ein erstauntes „Oh?“ als Antwort hervorbrachte.

      Der Mann nickte und zog eine kleine Visitenkarte aus seiner Jeanstasche hervor, die Lacey schnell überflog. Da stand:

      Ivan Parrys gemütliche, rustikale, einfach zauberhafte Ferienhäuser Die ideale Unterkunft für die ganze Familie!

      „Wie Brenda schon sagte bin auch ich ausgebucht“, fuhr Ivan mit einem


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