Nur den Auserwählten. Морган Райс
und in hohe See zu stechen?“, drängte Sir Bolis.
„Du kannst jederzeit umkehren, wenn du das möchtest“, schlug Mark in einem Ton vor, der offensichtliches Misstrauen zeigte.
„Und etwas so Wichtiges in die Hände von Gaunern und Picti legen?“, brüskierte sich Sir Bolis. Royce fragte sich, wie jemand in seinem Alter so aufgeblasen klingen konnte.
„Hast du ein Problem mit meinem Volk, Eindringling?“, fauchte Neave und griff nach ihrem Dolch.
„Das reicht“, fuhr Royce dazwischen. „Dieses Unterfangen wird auch schon so schwierig genug. Wir müssen zusammenarbeiten.“
Er war geradezu überrascht, als die anderen ihren Streit beiseitelegten.
„Sie vertrauen dir“, sagte Mark, als sich die Gruppe ein wenig entfernte. „Wenn du anführst, folgen dir die Menschen.“
„Kommst du deswegen mit mir mit?“, fragte Royce.
Mark schüttelte seinen Kopf. „Du weißt, dass das nicht der Grund ist.“
„Obwohl du denkst, dass die Sieben Inseln gefährlich sind?“
„Sie sind gefährlich“, betonte Mark. „Dort warten Kreaturen... die nicht einmal annähernd menschlich sind. Dort gibt es Trolle und Geschöpfe des Todes, und Schlimmeres. Bist du dir sicher, dass wird dorthin müssen?“
Wie sollte Royce es erklären? Wie sollte er erklären, was er mit Lori erlebt hatte, der alten Frau, die wieder jung geworden war und was er gesehen hatte? Sie hatte ihm gesagt, wo sein Vater war, und Royce er musste den Ort aufsuchen, egal wie schwer es sein würde.
„Ich bin mir sicher“, antwortete er stattdessen.
„Nun, du hast mir oft genug das Leben gerettet“, erwiderte Mark. „Wo immer du hingehst, werde ich dir folgen.“
Royce konnte nicht in Worte fassen, wie froh er war, das zu hören. Mit allem was vor ihm lag... doch es war nicht das, was vor ihm lag, was ihm die meisten Sorgen bereitete. Es was das, was er zurückgelassen hatte. Er hatte sich gerade erst mit Olivia verlobt und seine Gedanken wanderten immer wieder zur Tochter des Grafen Undine. Er wünschte, sie hätten mehr Zeit gehabt, bevor er gehen musste... und manchmal begann ihr Gesicht in seinem Verstand zu verschwimmen und mehr und mehr wie das von Genevieve auszusehen... immerhin konnte er diese Gedanken von sich schieben.
Royce preschte vorwärts und konzentrierte sich auf den Weg vor sich, damit er nicht mehr an Genevieve denken musste oder die Art, mit der sie ihn weggestoßen hatte, oder die Geschwindigkeit mit der alles mit Olivia passiert war.
Er dachte immer noch daran, als Ember herabstürzte und ihre Klauen bei der Landung in Royces Schultern vergrub. Sie schrie auf, doch Royce hörte die Stimme von Lori, deren Worte er glasklar in seinem Kopf hören konnte.
„Folge dem Vogel, Royce. Er wird dich zu jemandem bringen, den du treffen musst.“
Ember flog davon und Royce folgte dem Falken mit seinen Augen. Er fragte sich, wie stark die Hexe ihn kontrollieren konnte und welche Absichten Lori hatte. Sie hatte ihm bereits gesagt, dass sie Gewalt und Tod in seiner Zukunft sah und hatte ihm eine Teilschuld dafür gegeben, was im Dorf geschehen war. Es gab keinen Grund, zu glauben, dass sie ihm helfen wollte.
Und doch schien es so, als würde sie helfen. Und da sie wusste, wo sein Vater war, konnte Royce nichts anderes tun, als ihr zu vertrauen. Royce folgte dem Falken über das Heideland bis hin zu einem kleinen Flecken, an dem ein einzelnes, mit Gras bewachsenes Langhaus stand, vor dem es qualmte.
Dort war ein Feuer und es sah so aus, als wäre darin alles Mögliche - angefangen von Möbeln bis hin zu Kleidung - verbrannt worden. Jetzt glühten nur noch die letzten Überreste vor sich hin, während der Rauch weiter aufstieg. Zwei Körper lagen neben dem Feuer, gehüllt in die Reste von Soldatenuniformen. Sie waren so blutüberströmt, dass es schwer zu erkennen war, auf welcher Seite sie gestanden hatten. Royce konnte niemand anderen sehen.
„Hallo?“, rief er und stieg von seinem Pferd ab. „Ist jemand hier?“
Er ruhte seine Hand auf dem Griff des Kristallschwerts an seiner Seite, unsicher ob er auf Banditen oder andere Feinde treffen würde. Offensichtlich war jemand hier gewesen, um die Männer zu töten und es konnte nicht lange her sein. Jetzt wirkte das Haus leer und die Tür war sperrangelweit offen, als hätte sie jemand eingetreten.
Dann hörte er ein Knurren aus dem offenen Eingang und erblickte die Kreatur mit gelben Augen und einem gefährlichen Fauchen.
„Wolf!“, rief Mathilde, als sich ihr Pferd aufbäumte.
Es war jedoch nicht wirklich ein Wolf. Die Kreatur war größer und hatte gleichermaßen Ähnlichkeiten mit einem Fuchs, als auch mit einem Wolf. Ihre Zähne waren lang und ihre Krallen wirkten scharf. Sie war blutüberströmt und es schien offensichtlich, dass das Blut von den Männern stammte.
„Kein Wolf“, sagte Neave. „Ein Bhargir, ein magisches Geschöpf.“
„Nur ein großer Wolf“, antwortete Sir Bolis, während er abstieg und sein Schwert zog.
„Kein Wolf“, beharrte Neave. „Mein Volk erzählt Geschichten über diese Kreaturen. Manche sagen, dass sie von bösen Magiern erschaffen wurden, andere meinen, dass sie die Seelen der Toten sind, oder Männer, die das Fell von zusammengenähten Bestien tragen und sich verwandeln.“
Was auch immer die Kreatur war, sie sah wütend aus. Sie knurrte, bewegte sich vorwärts und fixierte Royce mit ihren gelben Augen. Einen Moment lang glaubte Royce, sie würde sich auf ihn stürzen. Dann landete Ember wieder auf seiner Schulter.
„Sein Name ist Gwylim.“
„Wer?“, fragte Royce. „Was passiert hier, Lori?“
Der Vogel flog wieder davon und Royce nahm an, dass er sowieso keine Antworten bekommen hätte. Er blickte zurück und sah, wie sich Sir Bolis näherte, sein Schwert erhoben, als wollte er die Bestie damit zu Fall bringen.
„Es ist in Ordnung“, sagte er. „Ich kümmere mich darum.“
Der Ritter holte mit seiner Klinge aus und, fast ohne nachzudenken, stürzte sich Royce dazwischen und griff nach dem Arm des jungen Ritters.
„Warte“, sagte er. „Warte, Bolis.“
Er spürte, wie der Ritter seinen Angriff zurückzog, aber Bolis hielt seine Klinge immer noch bereit.
„Dieses Ding hat zwei Männer getötet und bedroht uns“, sagte Bolis. „Wir sollten es töten, bevor es jemand anderem Schaden zufügt!“
„Noch nicht“, erwiderte Royce. Er wandte seinen Blick auf das... wie hatte Neave es genannt? Einen Bhargir? Jetzt konnte er sehen, dass nicht das gesamte Blut von den Männern stammte. Es hatte eine Wunde an seiner Seite, welche seine gesamte Flanke entlanglief. Kein Wunder, dass die Kreatur knurrte.
„Gwylim?“, fragte Royce.
Beinahe sofort nachdem er es gesagt hatte, hörte das Knurren auf und der Bhargir legte seinen Kopf zur Seite, eindeutig schlauer als jeder Wolf.
„Du kannst einiges von dem verstehen, was ich sage, nicht wahr?“, vermutete Royce. „Die Hexe Lori hat mich gesandt. Wenn sie deinen Namen kennt, dann kennst du sie vielleicht auch?“
Die Kreatur hatten offensichtlich keine Möglichkeit zu antworten, doch sie schien sich zu beruhigen und legte sich zu Royces Füßen. Während der Bhargir dies tat, bemerkte Royce etwas Unmögliches: Die Wunde an seiner Seite begann sich mit unglaublicher Geschwindigkeit zu schließen. Nichts an dieser Kreatur war normal.
Royce wusste nicht, was er tun sollte. Lori hatte ihn offensichtlich nicht ohne Grund zu dieser Kreatur geschickt, aber was war der Grund? Er sah sich im Haus um und versuchte es herauszufinden, doch das Haus wirkt leergeräumt