Trust me, Vögelchen!. Sara-Maria Lukas

Trust me, Vögelchen! - Sara-Maria Lukas


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und geschlagen hat, hebt er sie hoch, stellt sie auf ihre Füße und steht ebenfalls auf. „Das sollte reichen. Ab in unser Schlafzimmer, Süße.“

      Sie grapscht nach Hose, Schuhen, Strümpfen und läuft kichernd los.

      „Bis nachher, Jungs.“ Logan tippt sich an die Stirn und schlendert seiner Liebsten hinterher.

      Jason stellt sich ans offene Scheunentor. „Rosie!“

      Aus Richtung der alten Sattelkammer ist ein leises „Ja, hier“ zu hören. Ohne ein weiteres Wort marschiert er über den Hof und verschwindet im Stall. Kurz darauf tönt der spitze Aufschrei einer Frauenstimme über den Hof.

      Ian seufzt. Die Glücklichen. Vielleicht sollte er mal darüber nachdenken, sich ebenfalls in eine feste Beziehung zu stürzen. Doch wenn er an die Frauen denkt, mit denen er sich trifft, ist keine dabei, die er jeden Tag um sich haben will. Er wird wohl nicht darum herumkommen, sich selbst um seinen erigierten Schwanz zu kümmern.

      Sein Handy brummt. Er greift in seine Gesäßtasche, zieht es raus und meldet sich.

      „Spreche ich mit Ian Carter?“, fragt eine näselnde Männerstimme.

      „Da Sie meine Nummer gewählt haben, werden Sie das wohl tun.“

      „Entschuldigung. Blöde Frage, Sie haben recht. Sorry, bin grade verschnupft und mein Job versinkt im Chaos, da funktioniert mein Gehirn nicht so, wie es soll. Mein Name ist Tim Spenger, Redaktion Yellow Light.“

      „Das Filmmagazin?“

      „Genau. Uns ist eine Mitarbeiterin ausgefallen, wir brauchen dringend und sehr kurzfristig jemanden, der einen Termin in Los Angeles wahrnehmen kann. Jan Beier von der Kunstakademie hat Sie uns empfohlen. Es geht um den neuen Wartenheimer-Film.“

      Ian runzelt die Stirn. Das klingt nicht uninteressant. Jim Wartenheimer ist zurzeit der angesagteste Filmemacher der USA. Er lehnt sich in den Türrahmen. „Um was für ein Projekt handelt es sich?“

      „Um eine Auswanderergeschichte. Da seine Familie ja deutschstämmig ist, wird das ziemlich authentisch. Sie ist 1938 rübergegangen, als abzusehen war, was Hitler plante. Wartenheimers Vater war Unternehmer und baute in den USA schnell ein kleines Imperium auf, doch während des Zweiten Weltkrieges wurde die Familie angefeindet und seine Tochter, Jims Schwester, nahm sich das Leben. Angeblich soll sein Vater vor ihrer Auswanderung Juden um ihren Besitz betrogen haben, um das nötige Startkapital für die USA zusammen zubekommen. Weltweit ist man gespannt darauf, wie der Sohn mit dem Thema umgehen wird. Regisseur ist Trevor Quentin, auch nicht gerade ein kleines Licht in der Branche. Die beiden arbeiten zum ersten Mal zusammen. Die Produktionsfirma hofft auf großes Interesse in Deutschland und hat uns gebeten, eine umfangreiche Reportage darüber zu machen. Könnten Sie sich vorstellen, nicht nur Fotos zu schießen, sondern auch Interviews zu führen?“

      Ian zögert nur kurz. Er ist zwar Fotograf, aber kein Journalist, hat also keine Ahnung von Interviews und der Schreiberei, aber das würde er schon hinkriegen. Die Geschichte interessiert ihn, ein gesponserter Flug in die alte Heimat ist immer willkommen und die Termine der nächsten Tage können verschoben werden. „Kein Problem. Ich mach’s. Wann soll ich da sein?“

      Durchs Telefon ist ein erleichtertes Seufzen zu hören. „Super. Sie sind meine Rettung. Der Flug ist für heute um fünfzehn Uhr gebucht und für den Job sind zehn bis vierzehn Tage eingeplant.“

      Nachdem sie die nötigen Einzelheiten besprochen haben, beenden sie das Gespräch. Ian sieht auf seine Uhr. Viel Zeit zum Packen bleibt ihm nicht. Zügig marschiert er in sein Atelier, um die Fotoausrüstung vorzubereiten.

      Anschließend läuft er rüber ins Wohnhaus. Inzwischen sitzen seine Brüder mit ihren Partnerinnen in der Küche und essen Kartoffelsuppe. Cat hat sich ein Kissen unter den Hintern geschoben und Ian wuschelt ihr grinsend durch die Haare. „Na, Sweetheart, alles klar?“

      „Setz dich und iss.“

      Er schiebt seinen Hintern auf die alte Küchenbank, zieht sich den leeren Teller, der auf dem Tisch für ihn bereitsteht, heran und schöpft Suppe hinein. „Kann mich einer von euch gleich zum Flughafen bringen? Ich muss nach L.A.“

      Jason hebt die Augenbrauen. „So plötzlich?“

      „Ein Filmmagazin hat angerufen. Denen ist eine Mitarbeiterin ausgefallen und sie brauchen jemanden, der bei Dreharbeiten fotografiert und Interviews führt.“

      Rosie stutzt. „Etwa der neue Wartenheimer-Film?“

      Ian nickt. „Genau der.“

      „In der Uni haben wir darüber gesprochen. Spannende Geschichte.“

      „Das denke ich auch, deswegen habe ich zugesagt.“

      „Ich kann dich fahren“, sagt Jason, „habe heute nichts mehr vor.“

      Logan grinst. „Du solltest die Gelegenheit nutzen und Mason besuchen, Ian.“

      „Auf die Idee bin ich auch schon gekommen. In seinem neuen Club muss sich jeder BDSMler wie im Paradies fühlen.“

      Rosie sieht auf. „Ist das der Cousin, von dem Steven letztens erzählte?“

      „Genau. Er besitzt eine Ranch knapp eine Autostunde von L.A. entfernt. Nachdem sein Vater, der Bruder unseres Vaters, gestorben ist, hat er die Viehzucht aufgegeben und auf der Ranch einen Club eingerichtet“, erzählt Jason. „Er hat dort einige Möbel nach unseren Plänen bauen lassen.“

      „Wie lange braucht man nach Los Angeles?“, fragt Cat.

      „Ich fliege über Amsterdam und bin vierzehn Stunden unterwegs, aber durch die Zeitverschiebung schon um zwanzig Uhr da.“

      Kapitel 3

      Nervös starrt Annabell auf die Uhr in ihrem Armaturenbrett, während sie das Desinfektionsspray in ihren Händen verreibt. Sie muss in zwanzig Minuten am Terminal sein, hoffentlich würde sie das schaffen.

      Das Team hat mal wieder länger gedreht als geplant. Jim Wartenheimer war persönlich am Set und hat mit Trevor ewig über eine Kameraeinstellung und einen Dialog diskutiert. Trevor wollte den Text kürzen, weil er der Meinung war, dass das Gespräch zu lang sei, und Jim hat sich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt. Bei ihrem Streit war den wichtigen Herren natürlich scheißegal, dass sie, die unwichtige Produktionsassistentin, noch die Journalistin vom Flughafen abholen muss. Manchmal hasst Annabell ihren Job.

      Sie wird die Frau nur kurz willkommen heißen, ins Hotel bringen und dann direkt zu Hause ins Bett fallen. Sie reibt sich über die Stirn und streicht ein paar Haarsträhnen zurück, die sich aus ihrem Zopf gelöst haben.

      Ein Fußgänger überquert vor ihrem Auto im Laufschritt die Straße. Sie muss hart bremsen und donnert mit der Faust auf die Hupe. „HEY!“

      Der Typ winkt gelassen ab und läuft auf dem Gehweg weiter. Arschloch.

      Sie ist so schrecklich müde. Die Drehtage beginnen im Moment um sechs Uhr am Morgen und Pausen hat sie den ganzen Tag lang so gut wie keine.

      Endlich erreicht sie die Abzweigung zum Flughafen und biegt ab. Zum Glück findet sie dort schnell einen Parkplatz. Wenn sie rennt, müsste sie es pünktlich ins Terminal schaffen.

      Außer Atem und durchgeschwitzt hetzt sie durch die Drehtür in die Ankunftshalle, zieht das Schild mit dem Namen ihrer Produktionsfirma aus der Tasche und stellt sich gut sichtbar für die ankommenden Reisenden an die Seite.

      Wie sie auf den Anzeigetafeln sehen kann, ist die Maschine vor einigen Minuten gelandet. Die Fotografin müsste also jeden Moment am Ausgang erscheinen. Angestrengt hält Annabell nach einer Frau Ausschau, der eine dieser typischen, riesigen Fototaschen über der Schulter hängt, wie Journalisten sie haben. Nebenbei reinigt sie noch schnell ihre Hände, denn es wäre wirklich peinlich, würden


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