Trust me, Vögelchen!. Sara-Maria Lukas

Trust me, Vögelchen! - Sara-Maria Lukas


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Sprenkeln, die an schäumende Gischt erinnern. Plötzlich erkennt er ihre Schönheit. Sie hat ein eher ovales Gesicht, fein geschnittene Züge und ein kleines Kinn. Ihre Lippen sind nur leicht geschwungen. Sie ist nicht oberflächlich hübsch, wie so viele Frauen, sondern auf eine sehr persönliche individuelle Art, die ihm als Fotograf besonders auffällt und ihn einnimmt. Interessante Gesichter sind seine berufliche Passion. Plötzlich sieht er sie vor seinem inneren Auge mit über den Kopf erhobenen Armen an einer weißen Hauswand neben einer Straßenlaterne lehnen. Sie ist barfuß, trägt nichts als ein fast durchsichtiges Hemdchen und blickt mit diesen meerblauen Augen fragend zu ihm auf. Das Bild in seinem Kopf ist heiß. In seiner Hose regt sich etwas. Unwillig holt er seinen Verstand zurück in die Realität.

      Er schlendert mit der Weinflasche und zwei Gläsern in den Wohnbereich des Apartments. „Stört es dich, wenn ich die Balkontür aufmache?“

      „Nein.“

      *

      Annabell beobachtet, wie er die Flasche und die Gläser auf den Couchtisch stellt und weiterschlendert, um die Tür zu öffnen. Während er im Bad war, hatte sie Zeit, ihre Gedanken zu sammeln, und jetzt reagiert sie nicht mehr ganz so panisch auf die Tatsache, dass sie einen heißen Typen in ihrer Wohnung hat.

      Seit er nach dem Duschen und Rasieren, bekleidet mit einer sexy engen Jeans und einem schlichten weißen T-Shirt, aus dem Bad gekommen ist, duftet er unaufdringlich nach einem angenehmen Rasierwasser. Seine Haare sind noch nass und die Schmetterlinge in ihrem Bauch werden nicht ruhiger. Doch allmählich gewöhnt sie sich an den Aufruhr ihrer Hormone und an seine Gesellschaft. Falls es ihr anzusehen ist, dass ihre Libido auf ihn reagiert, interessiert es ihn nicht, denn er ist belanglos freundlich. Natürlich interessiert es ihn nicht. Vermutlich bemerkt er es nicht mal, so genau sieht er sie doch gar nicht an. Niemals würde einer wie er eine langweilige Frau wie sie interessiert betrachten, geschweige denn auf die Idee kommen, mit ihr zu flirten.

      Der harmlose Small Talk hilft ihr, sich in seiner Gegenwart einigermaßen zu entspannen, obwohl das Summen im Bauch einfach nicht schwächer werden will.

      Seine Stimme ist angenehm und ruhig, was seine auf Selbstsicherheit beruhende Gelassenheit demonstriert. Sein Blick ist sehr direkt. Sie ist überzeugt davon, dass er dominant ist. Natürlich ist er das, kein Zweifel, und wenn sie sich an das Telefongespräch, das er im Auto geführt hat, erinnert, beginnen die Schmetterlinge in ihrem Bauch Saltos zu schlagen. Von ihm übers Knie gelegt zu werden, muss wunderbar … Verflucht. Was sind denn das für bescheuerte Gedanken? Schluss damit! Sofort!

      Er ist einfach nur einer dieser Männer, bei denen bestimmt jede Frau weiche Knie bekommt. Warum soll es ihr anders gehen? Zum Glück zeigt er deutlich, dass er an ihr nicht interessiert ist. Das hilft ihr, ruhig zu bleiben. Es ist ja auch nur ein Abend. Ab dem nächsten Tag hat er ein Hotelzimmer und sie sieht ihn nur am Set zwischen all den anderen Leuten.

      Sie wäscht sich die Hände, trägt die Teller mit den Sandwiches zur Couch und setzt sich ihm gegenüber in einen Sessel. Er schenkt Wein ein und sie prosten sich zu.

      Während sie essen, erzählt Ian, warum es ihn nach Deutschland verschlagen hat. Seine Mutter war Deutsche. Er und seine vier Brüder haben den ehemaligen landwirtschaftlichen Betrieb ihrer Verwandten in der Nähe von Hamburg geerbt.

      „Und du?“, fragt er schließlich. „Bist du in L.A. geboren?“

      Sie schüttelt den Kopf. „Nein, ich bin erst vor ein paar Jahren hierhergekommen.“

      Seine Augen ruhen fragend auf ihr, doch sie wird ihm garantiert nicht erzählen, was der Grund für ihren Umzug war.

      Ihre Hände streichen fahrig über die Lehne des Sessels.

      „Wie genau sieht dein Arbeitsauftrag aus?“, fragt sie schnell, um von der privaten Gesprächsrichtung abzulenken.

      „Ich soll fotografieren, über die Dreharbeiten berichten und Interviews führen, wobei Letzteres nicht so ganz einfach wird. Da könnte ich etwas Unterstützung gebrauchen.“

      „Wie meinst du das?“

      Er trinkt einen Schluck und lehnt sich mit dem Glas in der Hand zurück. „Ich bin eigentlich kein Journalist, sondern nur Fotograf. Doch die Redaktion von Yellow Light brauchte so plötzlich und dringend jemanden für diese Reise, dass sie keine Zeit hatten, nach einem echten Fotoreporter zu suchen, und ein Freund empfahl ihnen, mich zu fragen. Ich wollte mir einen kostenlosen Besuch in der alten Heimat nicht entgehen lassen und nun“, er zuckt mit den Schultern, „hoffe ich, es hinzukriegen.“

      „Was ist denn schwierig für dich?“

      „Was für Fragen stellt man bei einem Interview? Was interessiert die Leser eines Filmmagazins? Welche Fragen mögen Filmleute nicht? Kannst du mich dabei ein wenig unterstützen?“

      „Ich weiß nicht, wie viel Zeit ich für dich habe. Normalerweise bin ich mit meinem Job schon ziemlich ausgefüllt.“

      Ian nickt seufzend. „Und dann halsen sie dir auch noch den Babysitterjob für den blöden Fototypen aus Deutschland auf. Verstehe.“

      Annabell spürt Hitze im Gesicht. „Ich meinte das nicht negativ.“

      Ian zwinkert. „Das weiß ich. Ich ziehe dich bloß ein bisschen auf.“

      Seine Augen blitzen und seine wunderschönen Lippen verziehen sich zu einem Lächeln, das ihr Herz zum Glühen bringt. Oh nein! Flirtet er etwa doch mit ihr?

      „Was für einen Sport treibst du?“, fragt er.

      „Was?“

      Sein Blick wandert demonstrativ über ihren Körper. „Du bist keine der typischen Magerkeitsfanatikerinnen der Filmbranche, sondern hast Muskeln.“

      „Äh … ich laufe.“

      „Wie schön, ich auch. Drehen wir morgen Abend eine Runde zusammen?“

      „Mhm … äh … klar.“ Völlig konfus starrt sie ihn an. Warum will er mit ihr laufen?

      Seine Augen werden schmal. Er mustert sie viel zu intensiv, und sie springt auf, greift nach den leeren Tellern und läuft los in den Küchenbereich, reißt die Klappe des Geschirrspülers auf und stellt die Teller hinein.

      Als sie die Klappe wieder schließt, mit dem Oberkörper hochkommt und sich umdreht, steht er vor ihr und versperrt den Weg zurück ins Wohnzimmer.

      Er runzelt die Stirn. „Ich glaube, wir müssen da mal dringend etwas klarstellen.“

      Sie schluckt und starrt ihn an. Er nickt, als würde er ihre Reaktion als Zustimmung werten. „Du hast Angst vor mir, und das gefällt mir nicht.“

      Sie schüttelt energisch den Kopf. „Ich habe keine …“

      Er hebt die Hand. „Du hast auf dem Flughafen meinen Kettenanhänger angestarrt, du hast im Auto ein Telefongespräch mitgehört, und jetzt starrst du mich an, als ob du erwartest, dass ich jeden Moment über dich herfalle.“

      Entschieden zwingt sie sich, ihm in die Augen zu sehen. „Das ist Bullshit. Ich weiß, dass du nicht über mich herfällst, und SM interessiert mich nicht.“ Sie macht Anstalten, sich an ihm vorbeizudrängen, doch er stützt sich mit der einen Hand auf der Ecke des Küchentresens und mit der anderen auf dem Schrank auf, sodass sie nicht vorbeikommt.

      „Du kennst also die Triskele als SM-Zeichen?“

      Sie verdreht genervt die Augen und verschränkt die Arme vor der Brust. „Das ist heutzutage ja wohl nichts Besonderes mehr.“

      „Du stellst dir aber anscheinend etwas Falsches darunter vor.“

      Plötzlich ist sie stinksauer. Was bildet der Typ sich ein, sie so in die Enge zu treiben? Annabells Pulsschlag erhöht sich vor lauter Wut so sehr, dass vor ihren Augen Sterne flimmern. Verdammt, er soll aufhören!

      „Ich


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