Trust me, Vögelchen!. Sara-Maria Lukas

Trust me, Vögelchen! - Sara-Maria Lukas


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Warum?“

      „Es ist wichtig, dass er in unserem Sinne schreibt und gute Storys mit nach Deutschland nimmt.“

      „Dann kann Emely sich doch um ihn kümmern.“

      „Er will aber dich.“

      „Wie bitte?“

      „Hat er seinem Boss in Deutschland ausdrücklich gesagt.“

      „Wieso?“

      „Keine Ahnung.“

      „Was soll das? Seit wann kann so ein Typ bestimmen, wer was in unserer Firma macht?“

      Ken lacht. „Freu dich doch, ich habe gehört, er ist ein äußerst attraktiver Typ.“

      Annabell stöhnt. „Emely und Trevor verstehen sich nicht besonders gut. Das wird jeden Tag Zoff geben, unter dem hier alle leiden werden.“

      „Emely lässt sich, im Gegensatz zu dir, bloß seine Launen nicht gefallen. Das ist alles. Er wird damit leben müssen. Und du genieß es, ein paar Tage lang einen ruhigen Job zu haben, Süße, das hast du dir verdient. Außerdem bist du inhaltlich mehr in der Filmstory drin als Emely. Du hast mir ausgiebig über Wartenheimer vorgeschwärmt, wie aussagekräftig sein Konzept zu diesem Film ist, wie gut das Thema in unsere Zeit passt und wie genial Trevor es lebendig werden lässt. Emely macht sich nicht mal die Mühe, unsere Drehbücher vor Produktionsbeginn zu lesen. Du kannst den Deutschen viel besser bei seiner Arbeit unterstützen, weil du dich intensiv mit dem Stoff auseinandergesetzt hast. Ciao, Bella, ich muss auflegen, es klingelt auf der anderen Leitung.“

      Ohne eine Antwort abzuwarten, beendet er das Gespräch. Mal wieder. Das ist eine echt beschissene Angewohnheit von dem Blödmann. Mit ihr kann man es ja machen. Grummelnd klemmt sie sich das Handy unter den Arm und läuft zu Trevor. „Was gibt’s?“

      „Ich brauche frischen Kaffee, in dem hier ist eine Fliege ertrunken.“

      Sie greift nach seinem Becher und unterdrückt einen Fluch. „Kommt sofort.“

      Am Imbisswagen ist nichts los. Betty vom Versorgungsteam lungert draußen herum, tut so, als ob sie die Campingtische abwischen müsste, und quatscht mit Ian. Er steht lässig mit dem Ellenbogen auf die Theke gelehnt da, hat einen Fuß angehoben und nach hinten gegen die Wand gestützt. Durch seine enge Jeans und das dünne T-Shirt sind die Konturen seines trainierten Körpers gut wahrnehmbar. In einer Hand hält er seine teure Spiegelreflexkamera. Es ist eine schöne Hand mit langen Fingern, und der kräftige Arm animiert dazu, sich hineinschmiegen zu wollen. Unwillkürlich wünscht sich Annabell, er möge sie an ihrer Kehle packen, sie rückwärts zu einem Bett schieben, in die Rückenlage zwingen und damit seine Macht über sie demonstrieren.

      Er bemerkt sie und hebt den Kopf. Ihre Knie werden weich, doch dann sagt Betty irgendwas, kichert und legt ihre Hand locker auf seinen Unterarm. Er wendet sich wieder ihr zu, woraufhin sie aufreizend die Brüste vorstreckt. Dumme Kuh.

      Annabell räuspert sich, als sie die beiden erreicht. „Hi, Betty, ich brauche einen frischen Kaffee für Trevor.“

      „Kommt sofort, liebste Annabell.“ Sie wendet sich lässig ab und hüpft die drei Stufen in den Wagen hinein.

      Ian dreht sich Annabell zu. „Hey, bleibt’s bei unserem Jogging-Date heute Abend?“

      Sein Lächeln dringt wie Röntgenstrahlen in ihren Brustkorb ein. Hitze entsteht dort, wo ihr Herz schlägt, und steigt ihr bis ins Gesicht. Oh Mann! Wie macht er das bloß? Sie sieht schnell an ihm vorbei und streicht sich eine Haarsträhne zurück, die sich aus ihrem Zopf gelöst hat.

      „Äh … ja … wenn du willst. Deine Sachen sind ja sowieso noch bei mir. Wir müssen sie holen, bevor ich dich ins Hotel bringe.“

      „Fein, wir können in dem kleinen Park hinter deinem Häuserblock eine lockere Runde laufen. Dann kannst du duschen, anschließend fahren wir ins Hotel, damit ich einchecken und duschen kann, und zu guter Letzt lade ich dich zum Essen ein.“

      „Äh … Essen? Wieso? Ich weiß nicht …“

      „Keine Widerrede. Das ist nur ein Dankeschön für den Schlafplatz auf deiner Couch.“

      „Aber …“

      „Außerdem können wir dann gleich besprechen, wie wir die nächsten Tage gestalten. Dein Büro hat dir doch bestimmt schon gesagt, dass du mich unterstützen sollst, oder?“

      „Ja, aber deswegen musst du doch nicht …“

      Er hebt die Hand. „Ich gelobe hoch und heilig, kein Wort über SM, Peitschen oder Bondage zu verlieren.“

      Aus den Augenwinkeln sieht Annabell, wie Bettys Kopf hochzuckt, als hätte jemand ihr einen Eiswürfel in die Bluse fallen lassen. Ians Gesichtsausdruck mit einem übertrieben breiten, harmlosen Grinsen animiert sie, zu kichern. Sie schüttelt den Kopf. „Du bist ein Spinner.“

      „Fein. Das deute ich als ein Ja. Wann hast du Feierabend?“

      *

      Ian lässt genüsslich seinen Blick über Annabells sportlich schlanken, aber nicht mageren Körper wandern, der bedeutend reizvoller auf ihn wirkt als der von Betty mit den aufgepolsterten Brüsten.

      Er hat sie dazu gebracht, zu lächeln. Es ist lächerlich, aber ein klitzekleiner Mix aus Glück und Stolz wärmt sein Herz. Eigentlich ist es für Ian wirklich nichts Besonderes, eine Frau zum Lächeln zu bringen, aber es bei Geier-Belli geschafft zu haben, ist wie ein unerwartetes Geschenk.

      Geier-Belli passt wohl doch nicht als Spitzname. Annabell ist eher ein süßes Vögelchen wenn sie ihn wie eben, aus ihren meerblauen Augen, ansieht und damit ein Ziehen in seinem Brustkorb auslöst. Er will mehr davon. Er will, dass sie in seiner Gesellschaft ihre Zwänge und ihre Nervosität vergisst und genauso locker und fröhlich lächelt wie jetzt gerade.

      Das ist seltsam und irritierend. Er kennt sie kaum, sie müsste ihm gleichgültig sein, aber das ist sie nicht, und dagegen kann er sich nicht wehren.

      Annabell wirft einen Blick auf die Uhr ihres Handys. „Offiziell ist in knapp zwei Stunden Drehschluss, aber man weiß nie, ob Trevor sich daran hält oder ob Wartenheimer mit neuen Ideen alle Pläne zunichtemacht.“

      Betty stellt den Becher mit frischem Kaffee auf den Tresen und Annabell greift danach.

      Sie dreht sich um und will zurück zum Set laufen, doch sie stößt mit dem Kaffeebecher gegen den Griff, mit dem man die Markise hoch und runter fährt. Der Kaffee spritzt aus dem Becher, und sie macht eine unwillkürliche Abwehrbewegung, damit ihre Kleidung keine Flecken bekommt. Dabei tritt sie mit dem Fuß unglücklich gegen den Eimer mit Wischwasser, den Betty dort stehen gelassen hat. Sie gerät aus dem Gleichgewicht. Da sie unter dem anderen Arm das Klemmbrett samt Smartphone verstaut hat, kann sie die Hand nicht nutzen, um sich abzustützen, und sie stößt einen leisen Schreckenslaut aus. Der Kaffeebecher gleitet ihr aus der Hand. Ian schlingt seinen Arm um ihren Brustkorb, um sie aufzufangen, bevor sie fällt. Dabei rutscht der Stoff ihrer weiten Bluse eine Sekunde lang nach oben, und er erhascht einen Blick auf ihre Taille bis zum Rand des BHs.

      Ian erkennt ein aufwendiges Tattoo und eine Narbe.

      Hektisch ein leises „Danke“ murmelnd, zieht sie, sobald sie wieder sicher steht und er sie losgelassen hat, den Stoff runter, doch es war genug Zeit, um den Text zu lesen: Devoted Slave of.

      Darunter prangt die hässliche Narbe einer Verbrennung, und es ist nicht schwer, zu erraten, dass dort auf brutale Weise ein Name ausgemerzt wurde.

      „Fuck“, flucht sie und sieht an sich hinab. Ihre Hose hat ein paar Spritzer Kaffee abbekommen.

      Betty wirft ihr einen feuchten Lappen zu und sie reibt an den Flecken herum. Genervt gibt sie auf, legt den Lappen auf den Tresen und desinfiziert sich mit ihrem Spray die Hände.

      „Gib


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