Die großen Western Classic 45 – Western. Howard Duff

Die großen Western Classic 45 – Western - Howard Duff


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zuckte mit den Schultern. »Aber ich prophezeie Ihnen, dass die Indianerkriege keine Lösung sind. Sie schaffen nur neue Probleme.«

      »Warum hört man nicht auf Leute wie Sie?«

      »Weil ich in den Augen der Bratenröcke aus Washington auch ein halber Wilder bin.« Ridgely lächelte freudlos. »Ich werde verschwinden, die Indianer werden verschwinden, aber auch Leute wie Custer werden am Ende nicht mehr da sein. Dafür wird das ganze Land mit Schreibtischen überzogen werden. Überall wird Aktenstaub die Luft verpesten. Wir werden das nicht mehr erleben, aber irgendwann wird es so sein. Doch bis dahin wird noch eine Menge Blut fließen.«

      »Sie finden also, dass man das Gold dort lassen sollte, wo es jetzt liegt?«

      »Gold hat noch niemanden richtig glücklich werden lassen.«

      »Nur jene, die es haben.« Kellogg lachte.

      Ridgely blickte ihn starr von der Seite an. »Gold schafft Unfrieden. Hier draußen im Westen können Sie damit nicht viel anfangen. Sie müssen in die Städte, um es auszugeben. Es gibt Wichtigeres.«

      »Keine Spur Goldfieber, Ridgely?«

      »Nein.«

      »Sie sind ein ungewöhnlicher Mann«, sagte Kellogg.

      »Das liegt nur daran, dass inzwischen zu viele andere Männer in den Westen gezogen sind. Früher gab es nur Männer wie mich hier.«

      »Die Zeit bleibt nicht stehen.«

      »Nichts bleibt stehen«, sagte Ridgely. »Alles ändert sich. Aber kaum etwas wird besser.«

      »Ich glaube an die Zukunft im Westen Amerikas«, erklärte Kellogg.

      »Diesen Satz sollten Sie in Ihrer Zeitung schreiben«, sagte Ridgely höhnisch. »Mit General Custers Bild daneben.«

      »Warum nicht? Die meisten Leute wollen gar nicht so genau wissen, wie die Wirklichkeit aussieht. Sie wollen an etwas glauben. Sie wollen, dass man ihnen Mut macht. Die Wahrheit ist oft zu kompliziert.«

      Art Ridgely schwieg eine Weile. Nachdem sie auf einen staubigen Wagenpfad gestoßen und auf ihn eingeschwenkt waren, sagte er: »Custer wird Ihnen gefallen.«

      Vor ihnen tauchten die Palisaden von Fort Abraham Lincoln aus der Prärie auf. Über einem der wuchtigen Wachtürme flatterte das Sternenbanner im Wind. Eine Kavallerie-Patrouille verließ die Garnison durch das Haupttor. Eine Frachtwagenkolonne fuhr von Bismarck herauf. Unten an den hölzernen Anlegern des Stroms wurden zwei Flachboote beladen.

      »Es sieht sehr friedlich aus«, sagte Kellogg.

      »Warten Sie’s ab.« Ridgelys Stimme klang düster.

      *

      Pitter war wahnsinnig vor Angst. Er flog am ganzen Leib und konnte nicht mehr auf den Füßen stehen. Die Posten hatten ihn rechts und links an den Armen gepackt und trugen ihn über das weite, sandige Rund des Exerzierplatzes. Seine Füße schleiften über den Boden.

      Hammon ging allein. Er hatte den Kopf trotzig hochgereckt, aber seine Züge wirkten verkniffen, und in seinen Augen flackerte Verzweiflung.

      Die Kompanien waren in Reih und Glied angetreten. Der dumpfe Klang einer Trommel dröhnte durch die Garnison. Ein scharfer Befehl ertönte.

      Pitter und Hammon wurden zu den Holzböcken geschafft, die unweit des Fahnenmastes mitten auf dem Exerzierplatz standen. Außer ihnen wurden noch vier andere Soldaten gebracht. Einer stieß helle Jammerlaute aus.

      Ridgely zügelte sein Pferd am Tor und schaute zu dem Posten hinunter.

      »Ist der General da?«

      »Er steht am Fenster und schaut zu.« Der Soldat äugte skeptisch zu Kellogg hoch. »Ihr müsst warten, bis es vorbei ist.«

      »Es hat sich also nichts geändert«, sagte Ridgely.

      »Das ist die dritte Vollstreckung in dieser Woche.« Der Posten wirkte gelangweilt.

      Ridgely stieg ab. Kellogg rutschte ebenfalls aus dem Sattel. Sie führten ihre Pferde durch das Tor und blieben neben den Stallgebäuden, seitlich der angetretenen Mannschaft, stehen.

      »Was geht hier vor?«, fragte Kellogg.

      »Deserteure«, sagte Ridgely. »Es sieht aus, als sei ich nie fortgewesen. Jede Woche versuchen ein paar Männer, sich abzusetzen. Manche schaffen es. Andere werden geschnappt. Es sind ständige Patrouillen unterwegs, die Deserteure jagen.«

      Auf dem Exerzierplatz wurden den Männern vor den Holzböcken die Uniformblusen heruntergezogen, sodass sie mit bloßem Oberkörper dastanden. Unvermittelt schlugen die Posten, die sie gebracht hatten, mit Gewehrkolben zu.

      Sie trafen die halbnackten Männer ins Kreuz. Brüllend stürzten sie nach vorn und streckten unwillkürlich die Arme aus. Sie fielen gegen die Holzböcke. Dort standen andere Soldaten, die nach den vorgereckten Armen griffen und sie blitzschnell über die oberen Balken der Böcke zogen, sodass die Männer hilflos auf dem Holzgestell hingen. Von hinten wurden ihnen die Beine langgezogen, sodass sie nahezu bewegungsunfähig waren.

      Corporals traten neben die Böcke und schwangen Büffelpeitschen. Auf einen scharfen Befehl hin begannen sie zu schlagen. Die Lederriemen durchschnitten sirrend die Luft und trafen klatschend auf die Rücken der Delinquenten.

      Pitter kreischte wie am Spieß. Sein Rücken wölbte sich hoch. Die Muskeln an seinen Schultern und Armen spannten sich, als er sich losreißen wollte. Seine Arme bogen sich über dem Oberbalken des Bocks. Da traf ihn schon der zweite Hieb, und er heulte erneut auf.

      Einer der anderen Deserteure schrie auch, aber nicht so ausdauernd. Hammon ertrug die Schläge mit verbissenem Schweigen. Er hatte seine Zähne in die Unterlippe gegraben. Bei jedem Hieb quollen ihm fast die Augen aus den Höhlen. Es zuckte in seinem Gesicht, aber er schrie nicht. Er wollte keinem der Zuschauer diese Befriedigung gönnen.

      Der Corporal hinter ihm schlug mit aller Kraft zu, um Hammons Zähigkeit zu brechen. Zweimal klatschte der Lederriemen über Hammons Schultern, drei- oder viermal schnitt die Peitschenschnur um seinen Oberkörper herum, und die scharfe Spitze des Riemens traf seine Brust. Aber Hammon blieb stumm. Nicht einmal ein Stöhnen oder Wimmern, wie bei den anderen, drang über seine Lippen.

      Am Rande des Exerzierplatzes zählte ein Sergeant die Hiebe mit. Er zählte bis dreißig. Eine scheinbar unendlich lange Zeitspanne. Quälend lang. In steifer Haltung schauten die Soldaten des Regiments zu. Mit jedem Peitschenhieb ertönte auch ein dumpfer Schlag der Trommel.

      Dann war es vorbei: Die Lederriemen hatten die Rücken der Männer an den Böcken zerfleischt. Die Peitschen sanken herab. Als die Delinquenten losgelassen wurden, stürzten sie in den Staub. Von den Ställen näherten sich Soldaten mit Eimern, die brackiges Wasser über die reglosen Gestalten am Boden schütteten. Zwei oder drei bäumten sich jetzt noch einmal auf, die anderen rührten sich trotz des Wassers nicht.

      Ridgely stieß seinen Hut in den Nacken und drehte sich zu Kellogg um. Der Reporter war grün im Gesicht.

      »Sie werden doch nicht etwa kotzen, Kellogg«, sagte Ridgely.

      Kellogg hob den Kopf. Er dachte, Ridgely würde ihn spöttisch ansehen, aber Ridgelys Augen waren kalt, sein Gesicht war ohne Ausdruck.

      »Wieso?« Kelloggs Stimme klang gepresst.

      »Weil Sie aussehen, als sei Ihnen übel«, sagte Ridgely.

      Er pfiff nach einem Stallburschen und warf ihm die Zügel der Pferde zu. Er ging mit Kellogg über den Exerzierplatz. Im Sand neben den Holzböcken waren einige dunkle Flecken. Kellogg schluckte.

      Sie stiegen die Stufen der Kommandantur hoch. Die Tür stand offen. Die Ordonnanz, ein lederhäutiger Corporal, schaute nur kurz auf, als sie eintraten. Er musterte Kellogg prüfend und sagte: »Der General hat Sie schon gesehen, Ridgely. Gehen Sie nur durch.«

      Das Office des Kommandanten war schmucklos und spartanisch: schlichte Möbel, harte Stühle, an den Wänden ein Sternenbanner, eine


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