Faszination und Wunder der Technik. Werner Dupont

Faszination und Wunder der Technik - Werner Dupont


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die mathematische Formulierung bei komplexen Systemen und Verfahren noch nicht so weit gediehen ist, dass eine rechnerische Simulierung möglich wäre, bleibt die experimentelle Versuchs-Irrtums-Methode als interessante Alternative. Dies hat bereits selbstverständlichen Einzug in die Entwicklung beispielsweise von Schiffen und Flugzeugen, in Verkehrsleitsysteme und in den Maschinenbau gehalten.

      Ein Fallbeispiel angewandter Evolutionsstrategie, wie sie von Professor Dr. Ingo Rechenberg begründet wurde, soll nachfolgend als Nachweis ihrer Praxistauglichkeit beschrieben werden. Im konkreten Fall bestand die Aufgabe in der Aufklärung der Elementarprozesse in kleinen metallischen Teilchen mit besonderem Augenmerk auf deren dielektrischen Eigenschaften hinsichtlich der Absorption elektromagnetischer Strahlung durch metallische Teilchen im Submikrometerbereich. Mitte der 1980er-Jahre berichteten Kölner Festkörperphysiker über ungewöhnliche elektrische Eigenschaften derartiger mesoskopischer Teilchen. Unter dem Schlagwort „Size Induced Metal Insulator Transition“ (SIMIT) und seinen potenziellen Anwendungsmöglichkeiten ließ das noch in der Grundlagenforschung angesiedelte Thema eine Reihe von Fragen zu seinen industriellen Nutzungsmöglichkeiten offen.

      Im Vordergrund der nachfolgend skizzierten Experimente standen die quasistatische elektrische Leitfähigkeit und die Absorption elektromagnetischer Strahlung (mesoskopischer) Metallteilchen im Submikrometerbereich. Dabei war das Hauptziel die Bestimmung des elektrischen Widerstandes von Metallteilchen mit Durchmessern im Bereich von 10 Nanometern bis zu einigen Mikrometern. Der besagte elektrische Widerstand eines Materials wird auch als dielektrische Konstante bezeichnet, abgekürzt mit DK. Da eine Kontaktierung derartig kleiner Teilchen weder möglich noch wünschenswert ist, wurde zur Ermittlung der Leitfähigkeit die Absorption elektromagnetischer Wellen herangezogen. Diese wiederum leitet sich aus der dielektrischen Funktion des Materials ab. Da die Gleichstromleitfähigkeit festzustellen war, musste die Frequenz der eingestrahlten Welle hinreichend klein sein, das heißt kleiner beziehungsweise gleich 100 Gigahertz. Aus diesem Grund wurden die Experimente mit Mikrowellen bei Frequenzen von bis zu einigen 10 Gigahertz durchgeführt, sodass die Bedingung für den quasistatischen Grenzfall erfüllt war.

      Die Messungen wurden an Proben durchgeführt, die aus einem nichtleitenden Matrixmaterial (z. B. Öl, Harz, Keramik) und darin verteilten mesoskopischen Metallteilchen (z. B. Silber, Indium, Platin) bestanden. Gemessen wurde das Absorptionsverhalten des Vielteilchensystems und nicht das der Einzelteilchen. Die Konzentration beziehungsweise der Füllfaktor der metallischen Teilchen musste etwas kleiner als ein Drittel sein, um Perkolationseffekte beziehungsweise Clusterbildungen im Sinne von Verklumpungen zu vermeiden.

      Bei bekannter möglichst enger Verteilung der isolierten Metallteilchen liefern gemäß der Arbeiten der Kölner Wissenschaftler die Messwerte für die DK der Probe bestehend aus Matrix und Teilchen, unter Verwendung eines entsprechenden Modells die Abhängigkeit der dielektrischen Funktion der Metallteilchen von der Teilchengröße.

      Zur Bestimmung der Teilchengrößenabhängigkeit der elektrischen Leitfähigkeit war also aufgrund der verwendeten Messmethode zunächst die Ermittlung einer physikalischen und mathematisch darstellbaren Größe nötig, die proportional zur Leitfähigkeit war. Zur Messung der DK der recht kleinen Proben mit wenigen Kubikzentimetern Probenvolumen wurde die Methode des teilgefüllten Hohlleiters verwendet. Die Probe wurde dabei in der Mitte eines Rechteckhohlleiters (8–12 GHz, X-Band) platziert. Im Falle flüssiger Matrixmaterialien befand sich die Probe (z. B. ein Öl-Indium-Kolloid) in einem Teflonschiffchen.

      Der SIMIT kann nur quantenmechanisch auf der Basis des Wellencharakters der Leitungselektronen beschrieben werden. Von herausragender Bedeutung ist dabei die Tatsache, dass die Kohärenzlänge der Elektronenwellenpakete, die normalerweise klein im Vergleich zu den Abmessungen eines Körpers ist und somit den klassischen Ausdruck für die Leitfähigkeit (Drude-Modell) zur Folge hat, mit der Ausdehnung der kleinen Teilchen vergleichbar wird. In einem derartig kleinen Volumen tritt sozusagen eine stehende Elektronenwelle mit nicht vorhandener Beweglichkeit auf. Diese größeninduzierte Lokalisierung der Leitungselektronen (Übergang von dreidimensionalem zu quasi nulldimensionalem Verhalten!) ist verbunden mit einer entsprechenden Diskretisierung des für Vollmaterialien (quasi-)kontinuierlichen Energiespektrums. Der Abstand der elektronischen Energieniveaus ist invers proportional zur zweiten Potenz der Durchmesser der Metallteilchen und kann somit über das Teilchengrößenspektrum definiert eingestellt werden. Dies ist insbesondere für das absorptive Verhalten der kleinen Teilchen, das heißt die gezielte Einstellbarkeit von Anregungsenergien, von größter Bedeutung. Hinsichtlich des Bereiches von Radarwellen (30–100 GHz) liegt der entsprechende Teilchengrößenbereich bei 10 bis 100 Nanometern.

      Die obigen Ausführungen über das „Einsperren“ der Leitungselektronen in den kleinen Teilchenvolumina sind bezüglich der Gitterschwingungen (Phononen) entsprechend übertragbar. So fehlen in einem Submikrometerteilchen die langwelligen Phononen, welche zur Zerstörung der elektronischen Phasenkohärenz führen würden. Kurioserweise führt somit bei den kleinen Teilchendurchmessern das Fehlen der unelastischen Streuprozesse zu einer Erhöhung des elektrischen Widerstandes (das heißt, die Leitfähigkeit nimmt ab, je idealer der Kristall ist). Bislang gibt es noch kein theoretisches Modell, das (auf den Welleneigenschaften der Elektronen beruhend) den SIMIT erklärt.

      Die hier beschriebenen Experimente und ihre Interpretationen stellen den Stand der Forschungsarbeiten hinsichtlich der dielektrischen Antwort beziehungsweise der elektrischen Leitfähigkeit vollständig dar. Als zentrale Ergebnisse der Untersuchungen sei zusammenfassend festgehalten: Die elektrische Leitfähigkeit kleiner metallischer Teilchen mit Durchmessern unterhalb weniger Mikrometer nimmt proportional zum Teilchenvolumen ab. Der größeninduzierte Metall-Isolator-Übergang im Nanometerbereich ist universell, das heißt, sein Auftreten hängt nicht vom speziellen Metall ab und sollte auch für Halbleiter auftreten. Die elektrischen beziehungsweise dielektrischen Eigenschaften mesoskopischer Teilchen sind aufgrund der Größenabhängigkeit definiert einstellbar.

      Die bisher beschriebenen Arbeiten hatten ausschließlich das Ziel, die Teilchengrößenabhängigkeit der elektrischen Leitfähigkeit festzustellen. Die hierzu verwendete Methode der Mikrowellenabsorption lieferte die entsprechenden Aussagen bezüglich der dielektrischen Funktion. Für die Bestimmung sowohl des Absorptions- als auch des Reflexionskoeffizienten ist die vollständige Kenntnis der dielektrischen Funktion zielführend. Und auch die Kenntnis des Realteils der DK ist erforderlich. Der Realteil ist im betrachteten Teilchengrößenbereich kleiner 100 Nanometer positiv und steigt mit zunehmendem Teilchendurchmesser an. Das Verhalten für größere Teilchenvolumina ist nicht bekannt, insbesondere nicht der Übergang zum Bulk-Limes, in dem der Realteil (große) negative Werte annehmen muss. So ist derzeit eine quantitative Abschätzung des Reflexions- und Absorptionsverhaltens auf Teilchendurchmesser von maximal 100 bis 200 Nanometer beschränkt.

      Die für diese Abschätzung interessanten optischen Konstanten lassen sich aus der dielektrischen Funktion des Materials berechnen. Es zeigt sich, dass mit zunehmender Teilchengröße die Absorption elektromagnetischer Strahlung drastisch ansteigt. Gleichzeitig steigt aber auch das Reflexionsvermögen an, da beide Größen eng miteinander verknüpft sind.

      Im Hinblick auf die Realisierung einer möglichst reflexionsfreien Oberfläche von Metallkörpern, auf die wir uns nun konzentrieren wollen, besteht die zu lösende Aufgabe darin, einen Metallkörper (mit einem Reflexionskoeffizienten nahe dem Wert 1, der für Totalreflexion steht) durch eine Beschichtung derartig zu tarnen, dass die elektromagnetische Welle nahezu reflexionsfrei in das Beschichtungsmaterial eindringt und dann in das Material absorbiert wird. Die elektromagnetische Signatur eines metallischen Körpers wird dadurch weitestgehend eliminiert. Diese Anforderungen könnten durch eine Beschichtung erfüllt werden, bei der mesoskopische Metallteilchen in einer nichtleitenden Matrix (z. B. Kunststoff, Keramik) in Form einer Gradientenstruktur hinsichtlich Teilchengröße und Füllfaktor eingebettet sind. Nahe der Oberfläche sollten Größe und/oder Füllfaktor der Teilchen gering sein, um das Reflexionsvermögen gegen Luft niedrig zu halten (bei entsprechend geringer Absorption). Ein allmähliches Ansteigen von Teilchengröße und/oder Füllfaktor innerhalb der Beschichtung könnte dann die gewünschte Absorption (bei geringer Reflexion) bewirken.

      Ein zentrales Problem stellt das Reflexionsvermögen der Beschichtung gegen Luft dar. Selbst wenn nahe der Oberfläche keine


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