Faszination und Wunder der Technik. Werner Dupont

Faszination und Wunder der Technik - Werner Dupont


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Zustand wieder zusammenfalten. Ganz ähnlich funktioniert der biomimetische Aktuator der MPI-Forscher. Dessen Membran reagiert auf einen äußeren Reiz gut zehnmal schneller als frühere Polymeraktuatoren. Sie führt zudem eine größere Bewegung aus. Dabei übt die Membran eine Kraft aus, mit der sie etwa das Zwanzigfache ihres eigenen Gewichtes anheben kann. Und sie funktioniert sogar dann noch fast tadellos, wenn sie extremen Temperaturschwankungen ausgesetzt ist.

      Materialwissenschaftler haben bereits verschiedene Ansätze verfolgt, um biomimetische Aktuatoren zu entwickeln, die sich wie biologische Vorbilder verhalten. Zunächst kamen sie jedoch nicht an das natürliche Vorbild heran. Wie bei den mechanischen Teilen von Pflanzen macht auch hier die Struktur des Materials den Unterschied. Die Membranen wiesen einen Gradienten, also ein Gefälle im Grad der Vernetzung auf, und waren außerdem porös. Dank dieser beiden Strukturmerkmale regierte der Aktuator schnell und mit einer großen Bewegung. Bis dato bestanden Aktuatoren in der Regel aus zwei Schichten, die unterschiedlich viel Flüssigkeit aufnahmen. Solch eine Materialkombination kann aber nur relativ kleine Bewegungen ausführen und ist dabei sogar noch langsam. Viele dieser Systeme lassen sich auch nur aufwendig herstellen, einige gehen kaputt, wenn sie zu heiß oder trocken werden.

      Ihren besonders leistungsfähigen Membranaktuator erhielten die Forscher, indem sie zunächst in einer entsprechenden Lösung eine Membran aus einem ionischen Polymer erzeugten. In diese Folie eingelagert sind voluminöse Säulenmoleküle, die mögliche Anknüpfungspunkte zu ionischen Polymeren tragen. Die molekularen Säulen und Ketten vernetzten die Forscher nun mit einer Ammoniaklösung, die die Anknüpfungspunkte der Säulen aktivierte. Der Clou ist dabei, dass die Forscher der Ammoniaklösung nur von einer Seite Zugang zu der Membran gewährten, weil diese auf einer Glasunterlage lag. Die Lösung sickerte also nur langsam von oben in die Folie ein. Daher verknüpfte sie die Komponenten an der Oberseite stark, aber immer weniger, je tiefer es in die Membran hineinging. Die wässrige Lösung hat jedoch noch einen weiteren Effekt, da sie auch Poren in der Folie hinterlässt.

      Durch die Poren breitet sich der Dampf des Lösungsmittels wie etwa des Acetons schlagartig in der Membran aus. An der Oberseite, die stark vernetzt und hart ist, richtet der organische Treibstoff des Aktuators allerdings nicht viel aus. In Richtung der Unterseite dagegen immer mehr, denn dort löst es das ionische Polymer und lässt das Material aufquellen, wodurch sich die Membran biegt.

      Solche Aktuatoren können überall dort nützlich sein, wo ein Material mit einer Bewegung auf einen äußeren Reiz reagieren soll. So kann eine Membran der besagten Art Robotern gleichzeitig als künstliche Haut und Muskel dienen. Ihr besonderer Charme liegt darin, dass für die Bewegung keine Extraenergie aufgewendet werden muss. Die liefert vielmehr der Reiz selbst.

      Ein weiteres ziemlich unerwartetes Einsatzgebiet der Membran kam den Forschern in den Sinn, während sie verschiedene Lösungsmittel zum Antrieb des Aktuators testeten. Es zeigte sich nämlich, dass die Membran sehr charakteristisch auf die jeweiligen Lösungsmittel reagierte, und zwar sowohl bezüglich der Stärke der Bewegung als auch bezüglich der Reaktionszeit. Demzufolge eignet sich die Membran vorzüglich als Sensor, der zwischen verschiedenen organischen Lösungsmitteln unterscheiden kann.

      Die MPI-Forscher entschieden sich konsequenterweise zur Weiterentwicklung des von ihnen eingesetzten Materials. Hierbei standen Forschungen im Vordergrund, um Aktuatoren zu entwickeln, die nicht wie hier besprochen durch ein Lösungsmittel motiviert werden, sondern durch Licht.

      Muscheln bestehen aus dem äußerst bruchfesten Material Perlmutt, in dem Proteine und Calciumcarbonat im optimalen Schichtdickenverhältnis übereinander geschichtet sind. Nach diesem Muster haben Forscher vom Max-Planck-Institut für Metallforschung in Stuttgart Titanoxid und ein Polymer derart übereinandergestapelt, dass auf diese Weise ein stabiler Verbundstoff entstanden ist.

      Die Forscher trugen die beiden Komponenten schichtweise auf eine Siliziumunterlage auf, wobei sie für das Titanoxid eine Dicke von rund 100 Nanometern wählten. Die Stärke der Polymerschicht variierten sie zwischen 5 und 20 Nanometern. Alle Sandwichstrukturen, die die Forscher auf diese Weise erzeugten, hielten deutlich höheren Belastungen stand als reines Titanoxid vergleichbarer Dicke. Am stabilsten war der Verbundstoff, wenn die Schichtdicken dasselbe Verhältnis wie im Perlmutt aufwiesen. Es brach nämlich erst unter viermal größerem Druck als reines Titanoxid.

      Die elastischen Polymerschichten wirken dabei wie gummiartiger Kitt zwischen zwei Mineralschichten und fangen Risse ab. In einem harten Material wie Titanoxid würden solche Schäden zwar erst unter großem Druck auftreten, da ein hartes Material aber meist auch spröde ist, frisst sich ein Riss durch es hindurch, sobald er entstanden ist – das Material bricht.

      Um die bruchfesten Eigenschaften noch zu verbessern, entschieden sich die Forscher, ein Verbundmaterial aus kristallinem Titanoxid herzustellen anstelle der Verwendung von ungeordnetem und damit weniger stabilem Titanoxid. Der Werkstoff kann weiße Farbschichten oder schmutzabweisende Beschichtungen kratzfest und elektronische Bauteile bruchsicher machen. In optimierter Form würde es sich zudem als leichtes und robustes Material für die Beschichtung medizinischer Implantate eignen.

      Muscheln ziehen im Perlmutt 40 Nanometer dicke Proteinschichten, die weich oder elastisch wie Gummi sind, zwischen 400 Nanometer messende Lagen von Aragonitkristallen, ein Mineral aus Calciumcarbonat. Deswegen ist das Material ihrer Schalen rund dreitausendmal bruchfester als reiner Aragonit.

      Klettverschlüsse haben sich auf breiter Front in Haushalt und Industrie durchgesetzt. Als der Schweizer Erfinder George de Mestral nach einem Jagdausflug um 1950 wieder einmal mühsam die vielen Kletten aus dem Fell seines Hundes zupfen musste, kam ihm eine geniale Idee. Nach dem Vorbild der Natur konstruierte er einen Verschluss aus vielen kleinen Schlingen und Haken, den Klettverschluss. Das Haken-Ösen-Prinzip kommt vielseitig zum Einsatz. Als Alternative zu Schnürsenkeln, zum Befestigen medizinischer Bandagen und Prothesen oder als Kabelschutzmanschette in der Elektronik von Automobilen und Flugzeugen.

      Leider sind gängige Klettverbindungen aus Kunststoff nicht besonders beständig gegenüber Hitze und aggressiven Chemikalien. Dabei kann es beispielsweise im Automobilbereich sehr heiß werden. Schon in Krankenhäusern werden zur Reinigung aggressive Desinfektionsmittel eingesetzt und im Fassadenbau sind herkömmliche Klettbänder zu schwach.

      Wissenschaftler der TU München haben in Kooperation mit Partnern aus der Industrie eine Lösung für derartige Anwendungsgebiete entwickelt, die den Namen Metaklett trägt und als stählerne Klettverbindung realisiert ist. Temperaturen über 800 Grad Celsius oder aggressive Lösungsmittel sind kein Problem für den metallischen Klettverschluss, der bei Zug parallel zur Klettfläche eine Haltekraft von bis zu 35 Tonnen aufweist. Senkrecht zur Klettfläche hält sie immer noch eine Zugkraft von sieben Tonnen pro Quadratmeter stand. Dennoch kann sie jedermann rasch und ohne jegliches Werkzeug lösen.

      Feuermelder nach Art des schwarzen Kiefernprachtkäfers können helfen, Großbrände zu vermeiden. Bestimmte Insekten fliegen gezielt Waldbrände an, da sie auf die Nutzung der durch das Feuer geschaffenen Nahrungsressourcen spezialisiert sind. Einige dieser ca. 40 Insektenarten „spüren“ dabei das Feuer durch spezielle Infrarotrezeptoren.

      Diese dienen in einem vom Institut für Zoologie der Universität Bonn geführten Bionik-Projekt als natürliches Vorbild für neuartige technische Sensoren. Waldbrände verursachen allein in der Europäischen Union jährlich Schäden in Höhe von 2,5 Milliarden Euro. Eine effektive Früherkennung kann helfen, die Entstehung von verheerenden Großbränden zu verhindern. Neuartige bionische Infrarotsensoren nach dem Vorbild des Schwarzen Kieferprachtkäfers sollen dabei helfen.

      Als unmittelbare Vorlage für die Sensorentwicklung dienen die photomechanischen Infrarotrezeptoren des Prachtkäfers der Gattung Melanophila. Durch die Simulierung eines großen Öltankfeuers, das in Kalifornien unglaublich große Mengen von Melanophila-Käfern anlockte, kann es als wahrscheinlich angesehen werden, dass die Käfer ein Großfeuer mithilfe ihrer Infrarotsensoren aus über 100 Kilometern Entfernung orten können.

      Die thermomechanischen Eigenschaften der die Infrarotstrahlung absorbierenden Strukturen werden zudem mit modernen materialwissenschaftlichen Methoden untersucht, um die Wirkmechanismen auch im Mikro- und Nanobereich zu verstehen. Mit den an den biologischen Infrarotrezeptoren


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