10 Urlaubskrimis Juli 2020 - Thriller Hochspannung. Alfred Bekker
Mann zuckte zusammen und gehorchte.
„Das ist ein Missverständnis!“, rief er, nachdem er sich etwas gefasst hatte.
„Natürlich, das würde ich jetzt auch sagen“ erwiderte Clive, während Orry ihn kurz durchsuchte und Handschellen anlegte.
„Hören Sie, ich bin hier nicht eingebrochen.“
Clive hielt ihm die ID-Card unter die Nase. „Wie heißen Sie?“
„Harry Witter. Ich bin ein Nachbar und habe Ben – dem Besitzer dieses Hauses versprochen, darauf zu achten, während er nicht da ist.“
Witter hatte einen Führerschein in der Gesäßtasche, der seine Identität bestätigte. Er schien in Ordnung zu sein.
Orry nahm ihm daraufhin die Handschellen wieder ab. „Was machen Sie hier?“, fragte er.
„Dasselbe wie Sie. Ich habe bemerkt, dass eingebrochen wurde. Am helllichten Tag! Es ist unglaublich! Aber wenn man die Cops mal braucht, sind sie ja nicht da! Es ist immer dasselbe!“
„Wann haben Sie Mister Camerone zum letzten Mal gesehen?“, fragte Clive.
„Gestern Abend. Er sagte, er müsste verreisen.“
„Das Ziel seine Reise hat er nicht zufällig angegeben?“
„Nein. Aber er bat mich, die Blumen zu gießen und die Post aus dem Kasten zu nehmen. Leider bin ich heute etwas spät dran damit, aber das liegt daran, dass ich einen Arzttermin hatte. Was ist denn los? Werfen Sie Mister Camerone irgendetwas vor? Also auf mich hat er nie wie ein Krimineller gewirkt.“
„Wir werfen ihm nichts vor“, stellte Clive klar. „Aber wenn wir ihn finden, haben wir vielleicht noch eine Chance, sein Leben zu retten!“
„Er hat mir eine Handynummer gegeben. Wenn man da anruft, meldet sich eine Mailbox. Ich spreche drauf und Ben ruft dann zurück.“
„Wenn Sie uns diese Nummer bitte geben könnten!“, verlangte Clive.
„Einen Moment.“
Witter kramte einen Zettel hervor und reiche ihn Clive. „Die Nummer kommt mir irgendwie bekannt vor“, meinte er und reichte ihn Orry.
„Ist das nicht dieselbe Nummer, die uns Beverly Reynolds gegeben hat?“, fragte dieser.
„Das lässt sich ja feststellen...“ Clive sah in seinen Notizen nach. „Volltreffer!“
Unsere Kollegen hatten bereits versucht, das zu dieser Nummer gehörende Prepaid-Handy zu orten. Bislang ohne Erfolg.
„Übrigens war vorhin ein Mann bei mir, der sich nach Ben erkundigt hat“, sagte Witter.
„Wie lange ist das her?“
„Eine halbe Stunde. Ich war gerade vom Arzt zurückgekommen, da klingelte es an meiner Tür. Ich dachte erst, es sei dieser aufdringliche Bibelverkäufer, der in letzter Zeit die Gegend unsicher macht, weil er ein ziemlich deutlich sichtbares Kreuz um den Hals hängen hatte. Aber der war es nicht.“
„Geben Sie uns eine möglichst exakte Beschreibung, Mister Witter“, forderte Clive.
„Mindestens 1,90m groß und grauhaarig. Er behauptete von den Wasserwerken zu sein und dringend mit Ben sprechen zu müssen, konnte sich aber nicht ausweisen.“
36
Auf dem Rückweg von Yonkers erreichte uns ein Telefonat. Es war Mr McKee.
Wir erfuhren, dass Ben Camerone spurlos verschwunden war. „Er hatte einen Flug nach Miami für heute Morgen vom JFK Airport gebucht“, berichtete unser Chef. „Allerdings hat er ihn nicht angetreten.“
„Wir wollen hoffen, dass Gary Simone ihn nicht vorher erwischt hat. Wir haben jetzt die Aussage des Barkeepers in Catherine’s Bar in Yonkers, dass er zur gleichen Zeit dort war wie Mark Manetta.“
„Dann brauchen wir den Kerl nur noch zu fassen, aber ich fürchte, das wird nicht ganz so leicht werden. Ich rufe eigentlich aus einem anderen Grund an. Tom Buscella möchte unbedingt mit Ihnen reden, Jesse. Und zwar speziell mit Ihnen.“
„Was soll das bringen? Jedes Mal, wenn es interessant zu werden verspricht, fährt sein Anwalt ihm in die Parade und verhindert, dass er weiter redet!“
„Das Treffen soll ohne Reddick stattfinden.“
„Wann?“
„Fahren Sie sofort hin, Jesse. Was immer uns Buscella auch zu sagen hat, es hat mit dem Fall zu tun und könnte interessant für uns sein.“
„Wie Sie meinen, Sir!“
37
Wir warteten bereits zusammen mit dem stellvertretenden Gefängnisdirektor Alec Johnes eine Viertelstunde auf den Gefangenen, als er wie üblich in Hand- und Fußfesseln hereingeführt wurde.
„Ich will nicht, dass Sie dabei sind!“, fauchte Buscella Johnes an.
„Warum nicht?“
„Das werde ich nicht begründen. Ich will es einfach nicht und wenn Sie nicht auf meine Bedingungen eingehen, können wir uns das ganze Theater sparen und ich gehe wieder in meine Zelle.“
Alec Johnes lief dunkelrot an. Er erhob sich von seinem Platz.
„Viel Glück mit dem Kerl“, raunte er mir zu und verließ anschließend den Raum.
„Die Wachen auch!“, verlangte er. „Das ist etwas Persönliches.“
„Das ist schon in Ordnung“, versicherte ich.
Schließlich saßen wir allein mit Tom Buscella im Verhörraum.
Buscella beugte sich vor.
„Agent Trevellian, ich bin nicht das wilde Tier, für das Sie mich vielleicht halten. Aber man muss sich hier drinnen Respekt verschaffen und ab und zu muss ich was für mein Image tun - zumal das, was ich Ihnen jetzt sagen werde, dem völlig wiederspricht.“
„Ich bin ganz Ohr, Mister Buscella.“
„Meine Schwester hat sich das Leben genommen“, sagte er und seine Stimme wurde brüchig dabei. In seinen Augen glitzerten Tränen. Wahrscheinlich waren es diese Emotionen, die er niemandem zeigen wollte, weil sie das beschädigt hätten, was Tom Buscella als sein Image ansah. „Sie hat sich eine Überdosis Morphium gesetzt, weil sie die Schmerzen einfach nicht mehr aushielt. Seit dreizehn Jahren kämpfte sie nun schon gegen diesen verdammten Krebs, aber die Krankheit ist immer wieder von neuem ausgebrochen. Es gab kaum ein Organ an ihr, das nicht schon bestrahlt oder operiert wurde. Als die Krankheit ausbrach, hatte sie keine Krankenversicherung,