Mörder-Paket Juli 2020: 10 Krimis für den Strand: Sammelband 9015. A. F. Morland

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ankamen.

      Das strahlende Wetter steckte mich an und stimmte mich heiter. Ich war gespannt, was Pino Calva mir zu servieren hatte.

      Calvas Bungalow stand nicht direkt an der Straße. Um den Lärm der vorbeifahrenden Autos abzuschirmen, hatte er sehr hohe Büsche rund um das Grundstück gepflanzt, die gleichzeitig dafür gedacht waren, neugierige Glotzer recht wirkungsvoll abzuhalten, sofern sie nicht Giraffenhälse hatten.

      Der rote Thunderbird wippte auf die Zufahrt. Sie war asphaltiert, und die Hitze flimmerte über ihr. Auf Calvas Grundstück war so ziemlich alles vorhanden, was einen Menschen fit hält. Es gab einen Tennisplatz, einen großen, opalblau verfliesten Swimmingpool, einige Turngeräte mit gelbem Sand darunter. Sogar einen Tontaubenschießstand konnte ich entdecken.

      Calvas Haus war ein flacher Bau. Die Wände leuchteten in sterilem Weiß und bildeten den wohl stärksten Kontrast zu Pinos schwarzer Seele.

      Der Thunderbird hielt auf dem mit Natursteinen ausgelegten Parkplatz. Eine knallrote Hollywoodschaukel schwang leicht und leer im Wind, der über die Terrasse strich.

      „Wenn du für einen guten Rat empfänglich bist, Calder ...“

      ,,... dann steck die Knarre weg!“, setzte ich Eddie Harveys Rede fort.

      Er nickte.

      „Genau. Der Boss könnte das sonst nämlich in die falsche Kehle kriegen, verstehst du?“

      „Dann müsste er husten“, grinste ich.

      „Allerdings. Und er hustet nicht sehr gern.“

      „Wenn ihm was nicht passt, kann ich ihm ja die Knöpfe vom Anzug schießen“, schlug ich vor.

      Wir falteten uns aus dem Fahrzeug.

      „Vorwärts jetzt!“, schnarrte ich. „Bringt mich zu eurer Amme!“

      Ernie und Eddie setzten sich in Bewegung. Ihren Rat, die Pistole wegzustecken, beherzigte ich aus verständlichen Gründen nicht. Erstens wollte ich kein Risiko ein gehen — denn ohne Waffe zu Calva zu gehen, bedeutete stets ein Risiko. Zweitens sollte Pino Calva sehen, was ich mit seinen Strohmännern gemacht hatte.

      Unsere schwarzen Schatten zeichneten sich scharf an der weißen Hauswand ab. Erst kam Eddies Schatten. Dann Ernies Schatten. Dann kam der Schatten meiner Pistole, und gleich hintendran ging ich. Es war ein eindrucksvolles Schattenspiel. Ich konnte mich daran gar nicht satt sehen und bedauerte es aufrichtig, als wir die Bungalowtür erreichten.

      Eddie sah mir unsicher in die Augen und senkte seinen Blick dann auf meine Zimmerflak.

      „Die bleibt!“, entschied ich, bevor er den Mund auftun konnte.

      Er zuckte die Schultern, obwohl ihm meine Pistole ganz bestimmt nicht gleichgültig war.

      Wir traten ein. Wieder schön der Reihe nach.

      Die Halle, in die wir kamen, war hell und freundlich. Abermals ein starker Kontrast zu Pino Calva. Auf dem Boden lag ein senfgelber Hochflorteppich. Die Wände waren mit sanften Pastellfarben tapeziert. Ich entdeckte wunderschöne teure Bodenvasen, Gemälde von international anerkannten amerikanischen Künstlern.

      Ernie Walker und Eddie Harvey passten in diese Umgebung wie der Schornsteinfeger in die Küche des Waldorf Astoria.

      Wir waren im Begriff, die Halle zu durchschreiten, als ich plötzlich ein kleines Geräusch hinter mir vernahm. Da ich von Natur aus misstrauisch bin und es in einer solchen Umgebung sogar hochgradig werde, sauste ich wie von der Tarantel gestochen herum.

      Doch leider zu spät.

      Das harte Ding, das sich blitzschnell an meine Wirbelsäule presste, ließ mich sofort zur Vernunft kommen.

      „Knarre weg, Calder! Sie machen einen Freundschaftsbesuch in meinem Haus“, zischte jemand hinter mir.

      Ich kannte mich selbstverständlich sofort aus. Pino Calva hatte mit mir Verstecken gespielt. Er hatte seine beiden Witzfiguren und mich eintreten lassen und hatte sich dann von hinten unbemerkt an mich herangeschlichen.

      Eddie und Ernie blieben in diesem für sie so schönen Moment nicht nur stehen, sie wandten sich auch erleichtert um und grinsten mich triumphierend an. Das Blatt hatte sich zu ihren Gunsten gewendet.

      Wenn schon. Wenn es stimmte, dass Calva mich wie einen alten Freund empfangen wollte, hatte ich von ihnen nichts zu befürchten.

      Wenn es stimmte!

      Bei Calva wusste man allerdings immer erst viel später, ob es stimmte, was er sagte. Viele von denen, die ihm vertraut hatten, waren heute mausetot.

      Ich vertraute ihm trotzdem. Eigentlich vertraute ich mehr seinem Revolver. Die Überredungskraft des schweigsamen Knallers wirkte ungemein auf mich. Ich ließ mir widerspruchslos die Waffe abnehmen. Hintergründig dachte ich, dass ich im Hosenbund ja noch die Artillerie von Eddie Harvey Stecken hatte.

      Doch ich freute mich zu früh. Eddie holte sich sein Werkzeug mit einem süffisanten Grinsen wieder. Nun war ich „nackt“. Es war paradox. Ich war zwar noch vollständig angezogen, fühlte mich in Gesellschaft dieser Schwerverbrecher aber splitternackt. Ich fror sogar ein bisschen.

      „Durchsucht ihn!“, befahl Pino Calva.

      „Tun Sie das mit allen Leuten, die auf einen Freundschaftsbesuch bei Ihnen vorbeikommen?“, fragte ich über die Schulter nach hinten.

      „Ich möchte vermeiden, dass Sie mir ein Messer in den Bauch jagen“, sagte Calva grinsend.

      „Na, hören Sie mal, ich bin doch nicht Jack the Ripper!“

      Seine Lakaien durchsuchten mich. Sie fanden kein Messer, aber die Passagierliste, die ich in meinem Jackett stecken hatte. Die Liste wanderte an meinen Augen vorbei und zu Calva nach hinten. Sie kam nicht wieder nach vorn. Ich hörte sie rascheln. Dann war sie nicht mehr da.

      Als ich einen kleinen Stoß mit der Waffe bekam, begann ich zu gehen. Die Exkursion endete in Calvas Arbeitszimmer. Auf den hohen Regalen standen viele Bücher.

      „Sieh mal einer an! Lesen können Sie auch!“, staunte ich. „Oder waren Sie bloß in der Buchhandlung, um drei Meter in Braun zu kaufen?“

      Eddie und Ernie nahmen an der Wand Aufstellung. Neben den schönen Möbeln wirkten sie wie Mülleimerwühler.

      Calva kam nun zum ersten Mal zum Vorschein. Er umkreiste mich wie der Explorer die Venus und blieb vor meiner Fassade mit ernstem Gesicht stehen.

      „Setzen Sie sich, Calder!“, sagte er.

      Ich blickte nach dem Stuhl, auf den er mit seiner Kanone gewiesen hatte, und pflanzte mich darauf.

      Calva sah gut aus. Viel besser als auf den Fotos, die ab und zu in den Zeitungen erschienen, wenn man ihn mit irgendeinem Verbrechen in Zusammenhang brachte — was ihm natürlich niemals nachzuweisen war.

      „Whisky?“

      „Wenn kein Zyankali drin ist“, grinste ich und spielte damit erstmals auf Akim Kellys überraschendes Ableben an.

      Calva ging zur getäfelten Wand. Er griff in eine Fuge. Gleich darauf schwang ein Quadrat nach oben weg, Licht flammte in dem dahinterliegenden Geviert auf und wurde von unzähligen Flaschen, Gläsern und Spiegeln funkelnd reflektiert.

      Ich durfte mir die Marke aussuchen und verlangte einen Johnnie Walker.

      Ich kann nicht sagen, ob er sich sympathiehalber auch einen Johnnie eingoss. Jedenfalls tranken wir beide dieselbe Marke. Eddie und Ernie gingen leer aus. Das gönnte ich ihnen.

      Ich nippte an meinem Drink und beobachtete den Gangsterboss über den Rand meines Glases hinweg.

      Seltsam. Wenn man ihn so vor sich stehen sah, machte er nicht im Mindesten den Eindruck eines gefährlichen, gewissenlosen Halunken, dem ein Menschenleben gar nichts bedeutete. Er wirkte wie ein biederer, cleverer Geschäftsmann, der sich


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