Tunichtgut und Sorglos. Petra Lukoschek

Tunichtgut und Sorglos - Petra Lukoschek


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       Petra Lukoschek

       Tunichtgut und Sorglos

      Vom Wunschpusten und anderen Abenteuern

      © 2020 Petra Lukoschek

      Verlag und Druck:

      tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

ISBN
Paperback:978-3-347-18702-3
Hardcover:978-3-347-18703-0
e-Book:978-3-347-18704-7

      Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

      Vor langer Zeit, als die Wälder noch groß waren wie Ozeane, als man den Blumen beim Wachsen noch lauschen konnte und als Fuchs und Hase sich nebenan noch zur Guten Nacht küssten, da beheimatete unser Dorf, nicht weit von der alten, dicken Eiche entfernt eine Elfenkolonie.

      Heute donnert der rote Regionalblitz auf seinen Gleisen durch die Nacht und das Neonlicht lässt uns das zauberhafte Glitzern der alten Geschichten nicht mehr sehen. Am Himmel kreischen die Vögel stählern und aus den Häusern ertönen die Stimmen fremdwortbehafteter Nachrichtensprecher.

      Die alte Eiche aber hat alle Zeiten gesehen. Sie kennt die Geschichten der Menschen, der Tiere, des Himmels und ganz gewiss kennt sie die Geschichten der Elfenkolonie.

      In jener Zeit lebten Menschen und Elfen freundschaftlich nebeneinander. Die Menschen wussten, wo im Wald die kleinen Wesen zu Hause waren und sie mieden diesen Ort, um ihn nicht zu zerstören. Manchmal legten sie kleine Geschenke am Waldrand ab, wenn die Ernte besonders gut war, wenn ein Kind wieder gesund geworden war, wenn Oma ihre geliebte Pfeife wiedergefunden hatte. Immer dann, wenn die kleinen Wunder des Alltags geschahen.

      An Weihnachten brachten sie Gebäck und Süßes, denn die Elfen waren kleine Naschkatzen und wenn der Sommer kam, gaben sie etwas von allen Früchten, die ihre Arbeit hervorbrachte.

      Die Elfen hatten eine große Schatzkammer im Zentrum ihrer Heimat. Sie war groß wie eine Kaffeetasse, was für eine Elfe riesengroß ist, und unterirdisch hatten sie verzweigte Wege gegraben, die in die verschiedenen Kammern führten.

      Hier wurde der kostbare Elfenstaub aufbewahrt.

      Wann immer es nötig war, brachten sie den Staub zu den Menschen. War ein Mensch traurig, bliesen sie ihm Freude ins Herz. War einer ängstlich, brachten sie Mut. Sie brachten Weisheit und Klugheit, Zufriedenheit und Liebe.

      Das war ihre Aufgabe in dieser Welt. Sie produzierten den funkelnden Elfenstaub und trugen ihn in die Herzen, emsig wie die Ameisen.

      Ein jeder Ort bringt sie hervor, jedes Volk, jede Gemeinschaft, so auch unsere kleine, betriebsame Elfenkolonie.

      Sie lebten mitten unter ihnen. Wolltest du sie finden, dann musstest du dich um die kleinen Häuserecken schleichen. DA…saßen sie manchmal, machten Pläne, heckten Abenteuer und Schabernack aus, zum Leidwesen der anderen, der fleißigen Elfen und ihrer Königin.

      Oder sie hatten sich wieder einmal von der Siedlung entfernt, weil sie lieber eine Weltreise unternehmen wollten, als Elfentau zu sammeln. Staub austeilen durften sie ja sowieso nicht. Man traute ihnen nichts Gutes zu.

      Sie waren auf den ersten Blick wie die anderen, abgesehen davon, dass sie nie taten, was sie sollten. In ihren Gesichtern aber konntest du die unbeschwerte Fröhlichkeit erkennen, die sie von den ernsten und gewissenhaften Elfen unterschied.

      Ihr Lachen steckte an und ihr Strahlen war unübertroffen das hellste im ganzen Wald.

      Sie trugen die Namen Tunichtgut und Sorglos.

      „Tunichtgut, komm schon!“ Die kleine Elfe Tunichtgut stolperte über den Kieselfunkelsteinchenweg, hinab zum Bach. Sie hatte im Sonnenlicht geträumt, von großen Meeren mit Regenbogenmuscheln und von lachenden Tintenfischen, die den ganz Tag nichts anderes zu tun hatten, als das Wasser des Meeres mit ihrer Tinte blau zu färben. Sie hatte von Meerjungfrauen geträumt, so schön, dass jeder Seemann geblendet wurde und vom Prinzen natürlich, der jeden Abend am Ufer stand, um sie wiederzusehen, die singende Sirene, die sein Herz verzaubert hatte. Für immer verzaubert! Das versteht sich von selbst!

      „Komm endlich, du lahm flügeliges Träumerchen! Wir werden sonst niemals rechtzeitig am Bach sein.“ Sorglos rief es der Elfenfreundin ungeduldig entgegen. Er hatte Tunichtgut wieder einmal unter der knorrigen Eiche gefunden, schnarchend, schlafend. Die Sonne stand hoch am Himmel, Tatendrang lag in der Luft. Niemand schlief zu dieser Stunde, außer die Olle Eule, die wirklich Olle Eule hieß, die in der Nacht Wache halten musste und eben unser Tunichtgut; Faulpelzchen; Tagträumerchen.

      „Sorglos, warte doch auf mich! Was machen wir denn am Bach?“

      „Weißt du´s denn nicht mehr? Och du altes, verträumtes Elfending! Heute ist doch Flugtag der Pusteblumen. Heute steht Windwunschpusten im Jahreskalender.“

      Sorglos und Tunichtgut hatten sich seit Wochen auf diesen Tag vorbereitet. Der Bach am Rande des Waldes, neben der Weide mit den freundlichen, gemütlichen Kühen drauf, war umsäumt von saftigem, gelbem Löwenzahn.

      Der Löwenzahn ist keine gewöhnliche Pflanze. Jede Elfe wusste das. Und auch die Menschen wussten das in jener Zeit.

      Wenn der Mai zu Ende geht, dann schickt er seine Samen auf die Reise. An kleinen Schirmchen hängen sie und fliegen zappelnd durch die Lüfte. Doch nicht nur der Same wird hinfort getragen. Jedes Schirmchen trägt auch einen Herzenswunsch mit sich davon.

      Die Menschen damals sammelten ihre Wünsche, um sie mit den Samen auf den Weg zu schicken, in der Hoffnung, ihnen eines Tages, in Erfüllung gegangen, wieder zu begegnen. Wenn der Mai gekommen war, schauten sie entrückt von der Arbeit auf, wann immer sie ein Schirmchen mit dem Wind tanzen sahen.

      Für die Elfen war der Tag des Windwunschpustens ein Feiertag. Die Elfenstaubproduktion stand still an diesem Tag.

      Dieser Tag war der einzige im Jahreskalender, an dem ER die Elfenkololonie aufsuchte. Er, der mächtige Zauberer Krambimbuli. Er herrschte über alle Wälder unserer bergigen Region. Alle Elfenvölker, Zwerge, Kobolde und Irrlichter waren ihm untertan.

      Krambimbuli reiste stets in seiner goldenen Wolkenkutsche, gezogen von sechs weißen, geflügelten Pferden durch sein Land und wann immer er sich näherte, erstarrten die Wesen der Wälder in Ehrfurcht.

      Er war gütig und gerecht und ein Beschützer seiner Völker, doch verärgerte man ihn und machte ihn zornig, dann wirbelte er seinen Zauberstab - der einem Pinsel glich, was Tunichtgut und Sorglos schon so manches Mal ein glucksend unterdrücktes Lachen entlockt hatte- und er brüllte so laut, dass die Erde bebte.

      Man erzählte sich, in seinem goldenen Zauberschloss gäbe es ein Verlies so tief, dass man den glühenden Mittelpunkt der Erde brodeln hören konnte. Ein Verlies, in dem es dunkler war als in dunkelster, mondloser Nacht. Wer immer den Zorn des mächtigen Krambimbuli erweckte, wurde auf direktem Weg vom Zauberpinsel ins Verlies geschleudert und ward nie mehr gesehen. So jedenfalls erzählte man es sich. Jeder kannte einen, der einen kannte, der einen kannte, der ins ewige Verlies geschleudert worden war. Aber natürlich, sah man genauer hin, kannte niemand jemanden, der für immer vom Schloss verschluckt worden war.

      Der Zauberer kam in jedem Jahr an diesem besonderen Feiertag zur Elfenkolonie. Immerhin war er der Hauptakteur dieser Feier. Man bündelte in einem festlichen Akt die eingesammelten Wunschsamenschirmchen, nach Wünschen geordnet, und tauchte die Samenkörnchen in die dafür vorgesehen Farbeimer. Jeder Wunsch hatte nämlich eine besondere Farbe. Die Spielzeugwünsche waren rot, der Wunsch nach ein paar Talern Gold im Säckchen war gelb, die Sehnsucht nach Liebe war blau und so fort. Alles hatte seine Farbe.

      Wenn die Wünsche am Ziel ihrer Reise


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