Tunichtgut und Sorglos. Petra Lukoschek

Tunichtgut und Sorglos - Petra Lukoschek


Скачать книгу
Röte breit. „Tunichtgut, sag doch! Ist doch nix besonderes!“ „Nein, nein“, auch Tunichtgut versuchte mit fester Stimme zu überzeugen, „Nur so´n gaaanz olles, klebriges Spinnennetz. Wir wollen es im Bach saubermachen und dann bringen wir es der Spinne Spinnenbeinchen, äh ein Geschenk? Äh, weil sie Geburtstag hat?“ Mit großen, fragenden Augen blickte sie ihren Freund Sorglos an. Er verdrehte die seinen. Er hatte seine Träume- und Abenteuerfreundin sehr gern, jedoch der Denker und Lenker des Duos war eindeutig er. Daran hatte er keinerlei Zweifel.

      „Nun gut“, sagte der hohle Baum. „nehmt euer Netz und verschwindet! Es hat mir schon ein paar Wurzeln verklebt. Denkt ihr, ich hätte nicht bemerkt, dass ihr es des Nachts in mich hineingelegt habt? Ihr Nichtsnutze, macht euch davon. Ich will mit euren verrückten Ideen nichts zu tun haben.“ Er wippte heftig hin und her, sodass die zwei kleinen Elfen das Netz schnappten und schnellstens das Weite suchten.

      Ihnen nachblickend, schüttelte es ihn noch ein wenig und dann lächelte er.

      Sie rannten, was es das Zeug hielt, das klebrige Netz hinter sich herziehend. Sie rannten Bach aufwärts, an der Tannenschonung vorbei, den Wildschweinhügel hinauf, den Wildschweinhügel hinunter. Pustend und schnaufend ließen sie sich im hohen Gras am Fuße des Hügels fallen. Umgehend brach schallendes Gelächter aus ihnen heraus. Wenn unsere Freunde einmal lachten, dann gab es kein Halten mehr. Ihr Lachen erhob sich in funkelnden, winzig kleinen Sternchen über der Flora des Hügels. Die Gänseblümchen, zahlreich und freundlich, fingen leise an zu kichern, denn das Gelächter war von einer solch´ fröhlichen Ansteckung beseelt, dass alles ringsherum mit einstimmte.

      „Ein Geschenk zum Geburtstaaaaag?“ gluckste es aus Sorglos heraus. „Da hat der hohle Baum aber soooo böse geguckt!“ Er zog eine runzlige Grimasse. „Es hat meine Wurzeln verklebt!“ äffte Tunichtgut den alten Waldmann nach. Sie lachten und scherzten und kugelten sich hin und her und ihnen dabei zuzusehen war eine helle Freude.

      Doch mit einem Mal verstummte jegliches Gekicher ringsherum. Und auch Tunichtgut und Sorglos hielten inne. Hatte die Erde gebebt? Sie schauten zum Himmel. Kein gefiedertes Wesen war mehr zu sehen. Kein Laut war zu vernehmen. Die Wolken färbten sich rot und die Sonne zog sich zur Nachtruhe zurück. Ihr lächelnder Mund bewegte sich auf den Horizont zu.

      Die Dämmerung setzte ein.

      Am Bach herrschte sicherlich schon helle Aufregung und alles war vorbereitet, um die vielen Wünsche auf die große Reise zu schicken.

      Mit der Dämmerung kam auch der Zauberer. Er musste jeden Moment eintreffen.

      Die Freunde hielten den Atem an, so gut es ging jedenfalls, denn beiden schlug das kleine Elfenherz bis zum Hals. Jetzt war es beinah so weit. Ihr großer Plan stand unmittelbar vor der Ausführung. „Sorglos, werden die Menschen nicht traurig sein, wenn ihre Wünsche verloren gehen?“ flüsterte Tunichtgut. „Nein, sie gehen doch nicht verloren. Sie verspäten sich nur ein bisschen! Erst fangen wir sie und dann basteln wir uns daraus zwei dicke Wunschpusteschirmchen und dann…“ „…fliegen wir damit zum Nordpol“, beendete Tunichtgut, verträumt wie immer, den Satz. Zum Nordpol! Da musste man auf jeden Fall übers große Meer. Und am Meer, das wusste sie von Cico dem Storch, dem Weltenbummler, da lebten die Prinzen, die auf die Meerjungfrauen warteten. Und so etwas Ähnliches war sie ja schließlich auch. „Pssssst!“ machte Sorglos. „Es ist soweit!“

      Goldene Funken erleuchteten den Himmel, bevor das Donnern der Hufe zu vernehmen war. Es grollte leise heran und schwoll an zu einem gewaltigen Gewitter.

      Die Silhouette der Kutsche löste sich aus den Wolken. Bedrohlich nah flog sie am Wildschweinhügel vorbei.

      Krambimbuli! So nah, dass sie den Zauberpinsel in seiner knochigen Hand genau erkennen konnten. Sorglos hielt Tunichtgut die Hand vor den Mund, denn sie hatte ihn weit aufgerissen und ein Schreckensschrei hatte sich schon auf den Weg gemacht. Sorglos rollte mal wieder mit seinen Haselnussaugen. Nur gut, dass er alles im Griff hatte. In Wirklichkeit aber, hatte er Mühe, seine schlotternden Knie zu bezwingen und seine weißen Blitzezähnchen klapperten wie die Skelette der Waldnachtgespenster.

      Krambimbuli saß erhaben in seiner Kutsche. Sein goldbestickter Mantel glänzte im Licht der untergehenden Sonne. Das schwarze Haar flatterte wie die Flügel eines Raben im Wind.

      Er hatte sich etwas verspätet, weil eines seiner geflügelten Schimmel unmittelbar vor dem Start einen Schluckauf gehabt hatte. Da konnte man natürlich nicht starten. In den alten Zeiten und besonders in der Welt der Wälder, nahm man den Schluckauf sehr ernst. Allen war bekannt, dass jemand der davon betroffen war, in den Gedanken eines anderen herumspazierte. Dieser konnte ihm wohl gesonnen sein oder eben auch nicht. Zu gefährlich wäre die Abreise gewesen, solange die Gedanken eines Unbekannten eine Brücke bauten, die gar ins Dunkelland hineinführte. Man wusste es ja schließlich nicht. Nach einer Weile verschwand der Schluckauf und die Fahrt zur Elfenkolonie konnte in Angriff genommen werden.

      Krambimbuli liebte sein Pferdegespann. Die weißen Hengste waren seine Familie, seine treuen Weggefährten, seine einzigen Verbündeten. Ein ungeschriebenes Gesetz benennt es noch heute: Je mehr Macht in deinen Händen fließt, je stärker die Zauber, die du vollbringst, desto einsamer wird das Herz in der Brust dir schlagen!

      So lebte auch der mächtigste Zauberer unserer Wälder in seinem prunkvollen, auf Wolken gebauten Schloss allein mit seinen Pferden. Er hatte Diener und einen Hofnarren, aber sein Vertrauen galt ausschließlich den sechs Huftieren.

      Der Herrscher war so in Eile, dass er die beiden Elfen hinter dem Wildschweinhügel gar nicht bemerkte, auch nicht, als Tunichtgut doch noch ein wimmerndes, „Ojemine, ojemine! Das klappt nie! Das klappt nie!“ entfuhr. Sorglos blickte entsetzt in ihr Gesicht. Jedoch, schon war der Spuk vorüber und Krambimbuli in Richtung Bachlauf und Feierlichkeit verschwunden.

      Die Zeit bis zur Planausführung reichte gerade für einen tiefen Atemzug. Schnell breiteten sie das Spinnennetz aus. Dies war gar nicht so einfach, denn es klebte ganz furchtbar und immer wieder musste die eine Elfe die andere von den anhänglichen Fäden befreien. Vom Bach her erklang bereits liebliche Musik. Die Samen wurden also in diesem Moment mit den entsprechenden Farben markiert.

      „Tunichtgut, wir haben nur noch wenige Minuten. Das Netz zwischen die Holundersträucher zu spannen, daaas schaffen wir nicht mehr. Wir müssen es anders machen.“ Denkerfalten machten sich auf Sorglos Stirn breit. „Ich hab‘s! Wir spannen es zwischen uns. Es bleibt sowieso an uns kleben. Wir müssen es nur gaaaanz hochhalten. Dann müsste es gehen.“

      So machten sie es also und als sie ein wenig verklebt und ins Netz verdreht die Arme empor streckten wurde es plötzlich wieder ganz still im Wald.

      Aus dem Dunkel heraus - denn die Sonne hatte schon Gute Nacht gesagt – rollte ein Tosen und ein Brausen heran, dass unsere beiden Freunde erstarren ließ. Sie kämpften mit aller Kraft gegen die aufsteigende Panik und streckten die Arme mit dem zwischen sich gespannten Netz so hoch, wie es nur möglich war.

      Zuerst kamen die Wunschpustesamen herangewirbelt. Sie leuchteten wunderbar bunt. Wie herrlich war es doch, dass die Menschen an die Erfüllung ihrer Wünsche glaubten und so diesen besonderen Tag und dieses Schauspiel überhaupt erst ermöglichten.

      Die Schirmchen kreiselten und wirbelten dem Spinnennetz entgegen, dicht gefolgt von einer gewaltigen Sturmbö.

      Furchtbar lärmend raste Krambimbulis Sturm auf Tunichtgut und Sorglos zu. Das Netz bog sich angsterfüllt und, o gütiger Himmel, trotz all der Klebe riss es entzwei und entschwand Schwindel erregend schnell.

      Die Wunschpustesamen flogen höher und höher und machten sich unbeschadet auf die lange Reise Richtung Nordpol, Richtung Wunscherfüllung, Richtung „Träume können wahr werden“. War da ein leiser Gesang zu hören? War es nur der Wind, dessen Melodie erklang?

      „Hey ho, nach Norden bringt uns heute der Wind.

      Hey ho, wo die Träume wohl Wirklichkeit sind.

      Hey ho, Kameraden, hey ho. “

      Tunichtgut und Sorglos schauten staunend umher. Immer mehr Samen kamen vom Bach heraufgeflogen. Sie funkelten in allen Farben. Sie tanzten


Скачать книгу