Die Fleischfresser Diät. Shawn Baker
Samen und Wurzeln) sind nicht völlig harmlos. Ich gehe später intensiver darauf ein, aber für den Moment weise ich nur darauf hin, dass Stängel und Blätter eine schreckliche, bitter schmeckende Option waren, die unseren prähistorischen Vorfahren fast keine nutzbare Energie geliefert hätte. Und es ist sehr zweifelhaft, dass sich die frühen Menschen die Mühe gemacht hätten, diese Pflanzen zu essen, außer in Zeiten äußerster Verzweiflung. Können Sie sich den armen Kerl vorstellen, der in dieser Situation als Pflanzenvorkoster ausgewählt wurde?
Phytochemikalien, Zellulose, Ballaststoffe, Mikronährstoffe, Chlorophyll, Makronährstoffe – unsere Vorfahren wussten nicht, was das alles war, und es war ihnen völlig egal. Sie saßen sicherlich nicht herum und sprachen über eine ausgewogene Ernährung. Wonach suchten sie? Das ist einfach: Eiweiß und Kalorien. Zweifellos war der effizienteste Weg, diese Bedürfnisse zu befriedigen, das Erlegen eines großen, fetten, energiegeladenen Megafauna-Tiers. Der Zeit- und Arbeitsaufwand, um die gleiche Menge an Kalorien und Proteinen durch das Sammeln von Nüssen, Früchten und Wurzeln zu erhalten, war wesentlich höher. Darüber gab es in vielen geografischen Gebieten keine ganzjährig zuverlässige Quelle für nicht-tierische Nahrung.
Der Grund, warum wir die Erde erobert haben, war die Allgegenwart der Tiere. Der Mensch ist das größte Raubtier, das je auf der Erde wandelte! Wir sind nicht wegen spitzer Zähne, scharfer Krallen oder extremer Stärke erfolgreiche Raubtiere, sondern wegen unseres Gehirns, das die beste Waffe auf dem Planeten ist. Unsere Beherrschung der Umwelt und der Einsatz wirksamer Werkzeuge haben uns einen großen Vorsprung vor der Konkurrenz verschafft und es uns ermöglicht, jenseits unserer Gewichtsklasse zu kämpfen. Denken Sie darüber nach: Wir haben einen Weg gefunden, jedes auf der Welt existierende Tier zu essen. Der Mensch isst Vögel, Insekten, Fische, Katzen, Hunde, Haie, Wale, Lamas, Affen. Egal, um welches Tier es sich handelt, wir haben es mit Sicherheit zu irgendeinem Zeitpunkt gegessen. Sogar die heutigen Ureinwohner sehr tropischer Klimazonen, in denen dauerhaft Früchte und andere essbare Pflanze vorhanden sind, geben der Jagd auf Tiere immer noch den Vorrang, weil sie wissen, dass Fleisch überlebenswichtig ist.
Anthropologen sind sich einig darin, dass der Mensch schon immer Fleisch gegessen hat; die Frage ist nur, wie viel er gegessen hat. Forscher haben Beweise dafür gefunden, dass schon vor einigen Millionen Jahren geschlachtet wurde. Sie haben Werkzeuge entdeckt, die eindeutig für das Schlachten und Jagen gedacht waren, und Tierfossilien zeigen Anzeichen von Schnittspuren, die mit menschlichen Aktivitäten in Verbindung stehen. Auf der ganzen Welt finden sich unzählige Höhlenmalereien und andere Artefakte, die Großwild und Jagdszenen darstellen, und zwar an allen Orten, an denen wir Beweise für menschliches Leben haben. Nachweisbare Radioisotopendaten zeigen, dass der Mensch in bestimmten Gebieten genauso fleischfressend oder vielleicht sogar noch fleischfressender war als andere Raubtiere, wie beispielweise Wölfe.
Die Hirngröße des Homo sapiens erreichte vor rund 100.000 Jahren mit etwa 1.500 Kubikzentimetern (cm3) ihren Höchststand, gegenüber den 400 cm3 des Australopithecus. Der überwiegende Teil dieses Hirnwachstums fand statt, als der Homo sapiens lernte, Fleisch für die Ernährung zu nutzen, jedoch lange bevor wir kochen lernten. Dabei sollte man nicht vergessen, dass es seit zig Millionen von Jahren fruchtfressende Primaten gibt. Und obwohl diese Tiere die kohlenhydratreichste, energiereichste Nahrung fressen, die ihnen zur Verfügung steht, haben sie keinen signifikanten Zuwachs in der Hirngröße erzielt.
Als das reichhaltige Nahrungsangebot der Megafauna schrumpfte, mussten unsere Vorfahren verstärkt auf alternative Energiequellen zurückgreifen. Einige Forscher sind der Meinung, dass eine allmähliche Verringerung der Elefantenpopulation einer der kritischen Faktoren ist, die viele der evolutionären Anpassungen des Menschen vorangetrieben haben. Anstatt große Megafauna-Tiere zu jagen, die er leicht mit einem Speer abschießen konnte, musste der Mensch Fett aus kleineren, schnelleren, beweglicheren und schwerer verfolgbaren Quellen gewinnen. Die Jagd auf kleinere Tiere erforderte komplexere organisatorische Kooperationen, was wahrscheinlich die Entwicklung von Sprache und Intellekt vorantrieb. Die Menschen wurden schlanker, und ihre Skelette passten sich an, um Langstreckenläufe und das Schleudern von Geschossen mit hoher Geschwindigkeit zu unterstützen. Es ist wahrscheinlich, dass unsere Vorfahren größere Anstrengungen unternahmen, um so viel Energie wie möglich aus dem Fett der getöteten Tiere zu gewinnen, zum Beispiel indem sie Knochenmark entnahmen und das gesamte Fett in und um die Organe herum verwendeten.
Die Gründe für das Aussterben der Megafauna-Tiere werden in Expertenkreisen kontrovers diskutiert. Die meisten glauben, dass dies weitgehend auf Überjagung und andere vom Menschen verursachte Umweltbelastungen zurückzuführen ist, was durch die Tatsache belegt wird, dass die Megafauna-Arten kurz nach dem Auftreten des Homo sapiens an den meisten Orten ausgestorben sind. Andere wiederum behaupten, dass der Klimawandel einen großen Anteil daran hatte. Ungeachtet der Gründe sind die Megafauna-Tiere ausgestorben, und der Mensch stand seither unter verstärktem Druck, alternative Energiequellen zu finden.
Schätzungen zufolge erlebte der Homo sapiens vor etwa 25.000 Jahren eine Abnahme der Robustheit mit erheblichen Verlusten an Skeletthöhe, Knochenstärke und sogar 200 cm3 Gehirngröße. Nach der Einführung der Landwirtschaft durch den Menschen vor etwa 10.000 bis 12.000 Jahren ist der Unterschied zwischen dem Skelett eines sogenannten Jägers und Sammlers und dem Skelett eines Bauern sehr leicht zu erkennen. Ersteres ist viel robuster als das Skelett eines Bauern.
Was könnte diese relative Verkürzung des Skeletts und die allgemeine Verringerung der Gehirngröße verursacht haben? Die wahrscheinlichste Erklärung ist eine dramatische Verringerung der Ernährung in der gesamten Bevölkerung. Wir verwenden oft die durchschnittliche Körpergröße eines Volkes als Proxy-Variable für die Angemessenheit der Ernährung. Interessanterweise waren die Gravettianer, eine Kultur, die vor etwa 30.000 Jahren in Mitteleuropa lebte, wohl die größten Menschen, die je existiert haben. Sie waren als hervorragende Mammutjäger bekannt. Die Männer dieser Gattung waren geschätzt durchschnittlich 1,90 m groß, also wesentlich größer als das größte heutige Volk, das im Durchschnitt etwa 1,82 m groß ist.
Die Landwirtschaft, insbesondere der Getreideanbau, ermöglichte letztlich eine relativ leicht zugängliche und billige Kalorienquelle, um eine ständig wachsende Bevölkerung zu versorgen. Unsere Vorfahren führten keine randomisierten kontrollierten Studien durch, bevor sie sich kollektiv entschieden, ihre Abhängigkeit von Getreide zu erhöhen. Sie hatten schlicht keine Wahl, und so ist es seitdem geblieben. Wenn es kein Mammutfleisch gibt und viel Mäuler gefüttert werden müssen, muss man mehr Getreide anbauen, mehr Obst kultivieren und schließlich sogar einige dieser giftigen und bitter schmeckenden Blätter und Stiele in etwas Essbares umwandeln, das man Gemüse nennt. Die Menschen wurden besser und effizienter in der Energiegewinnung aus Wurzeln, Nüssen und Samen, also bauten sie diese an, um höhere Energieerträge, weniger faseriges Material und weniger Giftstoffe zu produzieren. Sie fanden zudem heraus, wie man die giftigen Chemikalien in diesen Nahrungsmitteln durch ausgeklügelte Methoden der Zubereitung eliminieren oder verringern kann – durch Einweichen, Keimen, Fermentieren und Kochen. Die Nahrungsmittel, die die Menschen in den Tagen der reichhaltigen Megafauna wahrscheinlich nur sehr selten (oder gar nicht) konsumiert hatten, standen nun wesentlich häufiger auf dem Speiseplan.
Heute ist die Situation noch schlimmer: Wir verzehren giftige Pflanzenöle, die vor etwa 120 Jahren in die menschliche Ernährung eingeführt wurden, Maissirup mit hohem Fruktosegehalt, künstliche Aromen, Müsli mit leuchtend bunten Marshmallows und so weiter. Wir haben versucht, die grundlegende menschliche Ernährung durch einen ständigen Strom neuer Aromen, Formen, Farbkombinationen, Nahrungsergänzungsmittel und Zusatzstoffe zu ersetzen. So wurde eine grundlegende menschliche Funktion in eine Form von Unterhaltung und Sucht verwandelt, was ganz sicher nicht gut für uns ist. Man sollte nie außer Acht lassen, dass Menschen Opportunisten sind. Wenn Junkfood vor 50.000 Jahren verfügbar gewesen wäre, hätten unsere Vorfahren diesen Müll mit Sicherheit auch gegessen.
“Wenn Junkfood vor 50.000 Jahren verfügbar gewesen wäre, hätten unsere Vorfahren diesen Müll mit Sicherheit auch gegessen.
Sicherlich sind wir doch besser