Unsere Heilige Ehre. Джек Марс

Unsere Heilige Ehre - Джек Марс


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SECHS

      12. Dezember

      13:40 Uhr israelischer Zeit (06:40 Uhr Eastern Standard Time)

      Tel Aviv, Israel

      Die Nachrichten waren schlimm gewesen.

      Die junge Frau saß auf einer Parkbank und sah ihrem jungen Sohn und ihrer Tochter, Zwillingen, dabei zu, wie sie auf der Schaukel spielten. Nicht weit von ihnen entfernt befand sich der beige, sechzehnstöckige Apartmentblock, in dem sie wohnten. Heute war niemand sonst hier und der Park war so gut wie leer.

      Das war ungewöhnlich für einen so schönen Frühlingsnachmittag, aber kaum überraschend, wenn man die Umstände bedachte. Der Großteil der Bevölkerung schien sich in seinem Wohnzimmer aufzuhalten und saß wie festgeklebt vor Fernseh- und Computerbildschirmen.

      Gestern Abend war Daria Shalit, eine neunzehnjährige Soldatin der Israelischen Verteidigungskräfte, nach einem Schlagabtausch mit Hisbollah-Terroristen, die einen Überraschungsangriff entlang der nördlichen Grenze gestartet hatten, verschwunden. Die anderen sieben Soldaten ihrer Patrouille – allesamt Männer – waren während des Gefechts ums Leben gekommen. Aber nicht Daria. Daria war einfach verschwunden.

      IDF-Truppen hatten die Terroristen bis in den Libanon hinein verfolgt. Vier weitere Israelis waren während der Kämpfe dort umgekommen. Elf junge Männer – das Beste, was die israelische Jugend zu bieten hatte – waren innerhalb einer Stunde gestorben. Aber das war es nicht, was das Land momentan beschäftigte.

      Das Schicksal Darias war im Laufe der Nacht geradezu fieberhaft von der Bevölkerung verfolgt worden. Wenn die junge Frau ihre Augen schloss, konnte sie Darias hübsches Gesicht und ihre dunklen Augen vor sich sehen. Sie lächelte und hatte ein Maschinengewehr in der Hand. Sie posierte mit Freunden an einem Mittelmeerstrand, grinste, während sie ihr Abschlusszeugnis erhielt. So wunderschön und immer mit einem Lächeln auf ihren Lippen, als wäre ihre Zukunft zum Greifen nah.

      Die Frau schloss jetzt tatsächlich ihre Augen und ließ Tränen ihre Wangen herunterströmen. Sie hob eine Hand zum Gesicht, sodass ihre Kinder nicht mitansehen mussten, dass sie weinte. Ihr Herz schmerzte wegen eines Mädchens, das sie niemals selbst kennengelernt hatte und doch so gut zu kennen schien, als wenn Daria ihre eigene Schwester gewesen wäre.

      Die Zeitungen riefen nach blutiger Rache und verlangten die vollständige Auslöschung des libanesischen Volkes. In der Knesset, dem Parlament Israels, hatte es im Laufe der Nacht hitzige Debatten gegeben und die Regierung hatte Drohungen ausgesprochen und die Rückkehr des Mädchens verlangt. Noch hatte es keine Handlungen gegeben, aber es war spürbar, dass sich eine Wut stärker und stärker aufbaute, die irgendwann zu explodieren drohte.

      Vor wenigen Stunden hatten die Bombardierungen begonnen.

      Israelische Kampfflieger ließen wahre Bombenteppiche über dem Südlibanon, dem Hauptsitz der Hisbollah und bis in den Norden nach Beirut nieder. Jedes Mal, wenn es im Fernsehen eine weitere Ankündigung gab, schrien und jubelten die Nachbarn der Frau in ihren Wohnungen.

      „Tötet jeden Einzelnen von ihnen!“, schrie ein alter Mann voller Triumph. Seine raue Stimme war durch die dünnen Wände klar zu hören. „Tötet sie alle!“

      Danach hatte die Frau ihre Kinder raus zum Spielen gebracht.

      Jetzt saß sie hier im Park, weinte leise vor sich hin und ließ alles raus, während sie den Geräuschen und Gesprächen ihrer Kinder lauschte. Sie waren so unschuldig und doch würden sie von Feinden umgeben aufwachsen, die es nur zu gerne mit ansehen würden, wie man ihnen die Kehle durchschnitt und sie ausbluten ließ.

      „Was sollen wir nur tun?“, flüsterte die Frau. „Was sollen wir nur tun?“

      Die Antwort kam in Form eines neuen Geräuschs, zuerst leise und weit weg, das sich unter die Spielgeräusche ihrer Kinder mischte. Doch schon bald kam es näher und wurde lauter, immer lauter. Es war ein Geräusch, das sie nur zu gut kannte.

      Luftschutzsirenen.

      Sie riss die Augen auf.

      Ihre Kinder hatten aufgehört zu spielen. Sie starrten sie über den Spielplatz hinweg an. Die Sirenen waren inzwischen laut.

      Unglaublich laut.

      „Mama!“

      Sie sprang von ihrer Bank und lief zu ihren Kindern. Unter ihrem Wohnkomplex war ein Luftschutzbunker – nur einen Viertelkilometer entfernt.

      „Lauft!“, schrie sie. „Lauft nach Hause!“

      Ihre Kinder rührten sich nicht. Sie rannte auf sie zu und sammelte sie auf. Dann lief sie los, je ein Kind unter einem Arm. Sie hätte niemals gedacht, dass sie so eine Kraft in sich hatte. Sie sauste über den Beton, ihre Kinder weinten jetzt laut, doch die Sirenen um sie herum waren lauter und wurden noch immer lauter.

      Ihre Atmung schnappte.

      Das Gebäude türmte sich über ihnen auf und sie kamen immer näher. Überall liefen Menschen, die bis vor wenigen Minuten noch unsichtbar gewesen waren, auf das Gebäude zu.

      Plötzlich ertönte noch ein weiteres Geräusch – ein Geräusch, das so laut, so hoch war, dass die Frau dachte, dass ihr Trommelfell geplatzt wäre. Sie blickte auf und sah mit an, wie eine Rakete aus Richtung Norden über den Himmel flog. Sie schlug mit aller Wucht in die oberen Stockwerke ihres Gebäudes ein.

      Der Erdboden unter ihren Füßen bebte vom Aufprall. Die Welt um sie herum schien sich zu drehen, während die oberen Stöcke des Gebäudes in einer riesigen Explosion verschwanden. Beton flog durch die Luft. Wie viele Menschen waren noch in ihren Wohnungen gewesen? Wie viele von ihnen waren jetzt tot?

      Sie verlor das Gleichgewicht und ihre Kinder fielen auf den Boden. Sie krabbelte zu ihnen, schützte sie mit ihrem Körper, genau in dem Moment, als die Schockwelle auf sie auftraf. Dann folgte ein Hagel aus Schutt von der Explosion, winzige Steinchen und Splitter, ein Staub, der sie zum Würgen brachte, die Überreste der Alten und Bedürftigen, die ihre Wohnungen nicht rechtzeitig hatten verlassen können.

      Die Sirenen hörten nicht auf. Der ohrenbetäubende Schrei einer weiteren Rakete heulte auf. Sie flog über ihre Köpfe hinweg und eine weitere Explosion zeigte an, dass sie ihr Ziel gefunden hatte.

      Die Sirenen kreischten weiter und weiter.

      Ein weiteres Mal ertönte das Geräusch einer Rakete. Es pfiff durch ihre Ohren. Die Härchen auf ihrer Haut stellten sich auf. Sie zog ihre Kinder näher an sich heran. Das Geräusch war zu laut. Sie konnte es nicht einmal mehr begreifen. Es war, als ginge es über ihr Gehör hinaus, als wäre es ein Monster aus einer anderen Welt – ihr Verstand schaltete sich bei seinem Anblick einfach ab.

      Zusammen mit der Rakete schrie die Frau auf, doch es schien, als würde sie kein Geräusch von sich geben können. Sie konnte nicht nach oben schauen. Sie konnte sich nicht bewegen. Sie fühlte einen Schatten über sich, wie er das Tageslicht verdeckte.

      Dann blitzte ein neues Licht auf, ein blendendes Licht.

      Und danach nur Dunkelheit.

      KAPITEL SIEBEN

      06:50 Uhr Eastern Standard Time

      Die Residenz des Weißen Hauses

      Washington, D.C.

      Das morgendliche Licht strömte durch die Jalousien, aber Luke wollte noch nicht aufstehen. Er lag auf dem Rücken in dem großen Bett und sein Kopf ruhte auf einem Berg Kissen.

      Susan lag unter der Decke neben ihm. Die Präsidentin der Vereinigten Staaten lag mit ihrem Kopf auf seiner Brust und ihr kurzes blondes Haar strich über seine nackte Haut. Er bemerkte ein paar graue Strähnen, die ihr Stylist wohl übersehen hatte. Oder vielleicht war es Absicht gewesen – einem Mann verlieh ein wenig Grau Erfahrung, Seriosität, Gravitas.

      Sie atmete tief ein und aus.

      „Bist du schon wach?“, flüsterte er.

      Er spürte, wie sie lächelte. „Natürlich, du Dummerchen. Ich bin schon seit über einer


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