Gesicht des Wahnsinns. Блейк Пирс

Gesicht des Wahnsinns - Блейк Пирс


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und es stand ihr gut. Sie sah fünf Jahre jünger aus.

      „Erzählen Sie mir von Ihren Plänen“, sagte Dr. Monk. Ihr Kopf lag schräg auf einer ihrer Hände und sie studierte Zoe genau. Zoe war es natürlich aufgefallen, dass ihr Notizbuch die ganze Sitzung über geschlossen geblieben war und der Stift lose in ihrer Hand baumelte.

      „Ich mache etwas, was ich noch nie zuvor gemacht habe“, sagte Zoe und spürte, wie die Aufregung ihre Wangen leicht rot färbte. „Ich habe ein Doppeldate. John und ich treffen uns mit Shelley und ihrem Mann.“

      „Haben Sie das Gefühl, dass Sie mit dieser Situation zurechtkommen können?“

      „Ja.“ Zoe nickte, weil sie wusste, dass es die Wahrheit war. Das lag nicht nur an Dr. Monks Hilfe, sondern auch daran, dass sie mittlerweile Vertrauen zu John gefasst hatte, nachdem sie monatelang mit ihm ausgegangen war. Shelley, ihre Partnerin bei der Arbeit, hatte ebenfalls immer wieder bewiesen, dass sie Zoe unterstützen konnte, wann immer sie es brauchte. „Die Übungen, die Sie mir gegeben haben, haben geholfen, die Zahlen zu verdrängen. Ich glaube nicht, dass sie mich wieder überwältigen werden. Diesmal nicht.“

      Dr. Monks Lippen zogen sich kurz nach oben während Zoe sprach, als hätte sie etwas gehört, das sie sehr glücklich machte. Einen halben Zentimeter über der rechten Seite ihrer Oberlippe hatte sie einen Schönheitsfleck, der sich ebenfalls nach oben bewegte. Mit einem Satz legte sie ihr Notizbuch auf dem Tisch ab und den Stift ordentlich darauf. „Zoe, ich werde jetzt etwas sagen und ich bitte Sie, es nicht falsch zu verstehen“, sagte sie. Ihr Gesicht sah fröhlich aus und sie gab sich alle Mühe, sich nicht allzu sehr anmerken zu lassen, wie sehr sie sich freute. „Ich denke, es ist an der Zeit, dass wir uns nicht mehr sehen.“

      Zoe hob eine Augenbraue. „Meinen Sie, dass ich mir einen anderen Therapeuten suchen sollte?“

      Dr. Monk lachte. „Nein, Zoe. Ich sagte doch, dass Sie es nicht falsch verstehen sollen. Ich denke nicht, dass Sie überhaupt noch zu einem Therapeuten gehen sollten.“

      „Sind wir … fertig?“

      Dr. Monk nickte bestätigend. „Sie brauchen mich nicht mehr.“

      Zoe ließ ihre Augen durch den Raum wandern, den Dr. Monk für ihre Therapiesitzungen benutzte: die in schwarzem Holz gerahmten Zertifikate an der Wand, die Bücherregale voller Psychologiebücher, die Topfpflanze in der Ecke. Ein plötzlicher Anflug von Nostalgie überkam sie, etwas, das sie als FBI-Agentin nicht oft verspürte – sie war normalerweise nie lange genug an einem Ort, um sich an ihn zu gewöhnen, sondern immer nur so lange, bis der Fall abgeschlossen war. Es war das Gefühl, zum letzten Mal einen Ort zu verlassen. „Was, wenn ich wieder anfange, die Kontrolle zu verlieren?“

      Dr. Monk beugte sich vor und legte ihre Hand auf die von Zoe, die auf der Sessellehne ruhte. „Wenn Sie mich jemals wieder brauchen sollten, müssen Sie mich nur anrufen und einen Termin mit mir vereinbaren. Sie werden immer auf meiner Patientenliste stehen. Aber dies hier ist unsere letzte reguläre Sitzung.“

      Zoe nickte und versuchte, sich an den Gedanken zu gewöhnen. Sie hatte die Therapie abgeschlossen. Brauchte sie nicht mehr. In den letzten Monaten hatte sie viel Zeit hier in diesem Sessel verbracht und viel Arbeit in den Versuch gesteckt, sich zu ändern. Zu hören, dass sie es letztendlich geschafft hatte, war wirklich nur eine Bestätigung dessen, was sie innerlich bereits wusste. Sie wusste, dass sie die schlimmsten Teile ihres Verstandes bezwungen, sie gezähmt und trainiert hatte.

      Als kleinen Selbsttest ließ sie ihre Augen erneut durch den Raum wandern. Wenn sie es wollte, konnte sie immer noch die Zahlen sehen. Sie erkannte sofort, dass in den Regalen ein Buch fehlte – vielleicht hatte Dr. Monk es zum Lesen herausgenommen oder jemandem mitgegeben. Sie wusste, dass die Bücherregale zwei Meter hoch waren und dass Dr. Monk wahrscheinlich auf etwas hinaufklettern musste, um die Bände ganz oben zu erreichen.

      Aber als sie noch einmal hinsah und sich diesmal darauf konzentrierte, ruhig zu bleiben, sah sie einfach nur ein Bücherregal, das mit Büchern gefüllt war. Wie jeder andere auch.

      Sie spürte, wie sich ihre Lippen ohne ihre Erlaubnis nach oben verzogen. Es war ein echtes, natürliches Lächeln, etwas, das sie nur selten überkam. Sie fühlte sich stärker als je zuvor. Besser als je zuvor. Bereit für alles, was auf sie zukommen konnte.

      „Danke, Dr. Monk“, sagte sie, stand auf und streckte ihrer Therapeutin die Hand entgegen.

      Dr. Monk schüttelte ihre Hand, drückte sie für einen kurzen Moment etwas fester und lächelte dabei sichtlich gerührt, bevor sie Zoe schließlich zur Tür begleitete.

      „Bitte verstehen Sie das nicht falsch“, sagte Zoe scherzhaft, als sie sich auf der Schwelle umdrehte. „Aber ich hoffe, dass ich Sie jetzt für eine ganze Weile nicht sehen wiedersehen werde.“

      Dr. Monk antwortete mit einem strahlenden Lächeln. „Geht mir genauso“, sagte sie und schloss die Tür schmunzelnd.

      Zoe drückte ihre Schultern durch. Persönliche Erfolge mussten gefeiert werden. Da passte es doch nur zu gut, dass sie etwas Besonderes vorhatte.

***

      Eine weitere Tür öffnete sich nach Zoes Klopfen, einige Stunden später und in einem anderen Stadtteil. Trotz Dr. Monks unterstützender Worte war sie jetzt hibbelig und nervös, ihre Hände schienen nicht mehr stillhalten zu können. Sie hielt den Träger ihrer Tasche zwischen den Fingern und verdrehte den dünnen Riemen erst in die eine, dann in die andere Richtung.

      Dr. Francesca Applewhites schlanke Figur war in einen bequemen Morgenmantel gehüllt und ihr von grauen Strähnen durchzogenes, dunkles Haar wippte in einem ordentlichen Bob auf und ab, als sie Zoe von Kopf bis Fuß betrachtete. „Zoe“, sagte sie und versuchte offensichtlich, ihre Worte sorgfältig auszuwählen. „Mit dir habe ich nicht gerechnet. Du siehst reizend aus. Aber, ähm … was ist mit deinen Augen passiert?“

      Zoe brach beinahe zusammen, ihr Blick auf den Boden gerichtet. Sie wusste, dass sie versagt hatte. „Ich brauche deine Hilfe“, sagte sie kläglich.

      Dr. Applewhite ging auf sie zu und berührte sie am Ellbogen. „In Ordnung, meine Liebe. Komm rein, komm rein.“

      Zoe folgte ihrer geliebten Mentorin in ihr gemütliches Zuhause. Der Flur war gesäumt von gerahmten Errungenschaften: Sowohl Dr. Applewhite als auch ihr Mann hatten einiges erreicht und obwohl sie nie Kinder gehabt hatten, zeugten die Zertifikate und Auszeichnungen von akademischen Karrieren und einem Leben im Dienste der Forschung.

      „Ich hab das noch nie gemacht“, klagte Zoe und verabscheute den hohen und niedergeschlagenen Klang ihrer Stimme. „Ich dachte, es wäre ein Kinderspiel. Ich hab mir YouTube-Tutorials angesehen, um zu sehen, wie es geht, aber …“

      Dr. Applewhite hielt inne, drehte sich um, legte eine Hand zwischen Zoes Schulterblätter und führt sie weiter durch ihre Wohnung. „Mach dir keine Sorgen. Wir kriegen dich schon wieder hin. Das geht ganz leicht. Heute ist ein großer Abend, nicht wahr?“

      „Date-Abend“, sagte Zoe und fühlte sich  schon jetzt – angesichts der Aussicht, Hilfe von der einen Person zu bekommen, die immer für sie da war, wenn Zoe sie brauchte – deutlich besser.

      Aber das war vielleicht nicht ganz fair. Im Vergleich zu Dr. Applewhite kannte sie Shelley zwar erst seit relativ kurzer Zeit, aber auch sie hatte Zoe noch nie im Stich gelassen. Selbst dann, wenn Zoe wegen vermeintlicher Kränkungen wütend auf sie gewesen war, hatte sie später immer wieder festgestellt, dass Shelley die richtige Entscheidung getroffen hatte. Vor einigen Monaten, als sie gemeinsam daran gearbeitet hatten, einen Serienmörder zur Strecke zu bringen, der es auf Menschen mit Holocaust-Gedenktätowierungen abgesehen hatte, hatte Shelley Zoe großes Vertrauen entgegengebracht, als sie sich darauf einließ, weiter mit voller Konzentration nach dem Mörder zu fahnden, obwohl sie bereits einen anderen Verdächtigen in Haft hatten. Diese Entscheidung hatte sich als richtig herausgestellt und sie arbeiteten jetzt besser denn je in zusammen. Sie kooperierten bei der Lösung ihrer Fälle instinktiv und vertrauten einander auch ohne Worte.

      Als Zoe darüber nachdachte, wurde ihr klar, dass auch John sie eigentlich noch nie im Stich gelassen hatte. Bei Verabredungen war immer auf ihn Verlass; er war oft als Erster am Treffpunkt und musste auf


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