Auferstehung. Лев Толстой

Auferstehung - Лев Толстой


Скачать книгу
zu Euphemia Botschkoff:

      »Euphemia Botschkoff, Sie sind beschuldigt, dem Kaufmann Smjelkoff am 16. Oktober 188.., eine Summe Geldes, sowie einen Ring aus seinem Koffer gestohlen zu haben; Sie haben dann, nachdem Sie das Produkt des Diebstahls unter sich geteilt, dem Kaufmann Smjelkoff Arsenik eingegeben, woran er gestorben ist. Sie bekennen sich schuldig?«

      »Ich bin vollständig unschuldig,« versetzte die Angeklagte mit harter und kecker Stimme. »Ich habe sogar nicht einmal das Zimmer betreten, und sie hat sicherlich alles allein gethan.«

      »Das werden Sie uns später erzählen,« sagte der Präsident von neuem mit seiner ruhigen und festen Stimme. »Sie bekennen sich also nicht schuldig?«

      »Ich habe kein Geld genommen, habe kein Gift eingegeben und das Zimmer gar nicht betreten! Hätte ich es betreten, so hätte ich die da hinaus geworfen.«

      »Sie bekennen sich nicht schuldig?«

      »Nein!«

      »Gut!«

      »Katharina Maslow,« sagte der Präsident jetzt, sich zu der anderen Angeklagten wendend, »Sie sind angeklagt, ein Zimmer des Hotels Mauritania mit dem Kofferschlüssel des Kaufmanns Smjelkoff betreten, aus diesem Koffer Geld und einen Ring gestohlen zu haben...«

      Der Präsident unterbrach sich in seiner Phrase, um auf die Worte zu hören, die ihm der Richter zur Linken ins Ohr sagte; derselbe machte ihn darauf aufmerksam, daß eins der Beweisstücke, die auf der Liste notiert waren, ein Fläschchen, auf dem Tische fehlte... »Wir werden das gleich sehen,« murmelte der Präsident zur Antwort und setzte dann seine Phrase wie eine auswendig gelernte Lektion fort:

      ...»Aus diesem Koffer einen Ring und Geld gestohlen und das Produkt des Diebstahls mit ihren beiden Komplizen geteilt zu haben; Sie sind mit dem Kaufmann Smjelkoff in das Hotel zurückgekehrt, und haben ihm vergifteten Branntwein zu trinken gegeben. Bekennen Sie sich schuldig?«

      »Ich bin unschuldig,« versetzte die Angeklagte sofort, »Wie ich von Anfang an gesprochen, so spreche ich noch jetzt: ich habe nichts genommen, nichts, nichts, gar nichts! Den Ring hat er mir selbst geschenkt!«

      »Sie bekennen sich nicht schuldig, die 2600 Rubel genommen zu haben?« fragte der Präsident.

      »Ich habe nichts weiter genommen, als die 40 Rubel!«

      »Und Sie bekennen sich auch nicht schuldig, das Pulver in das Glas des Kaufmanns Smjelkoff geschüttet zu haben?«

      »Doch, das gestehe ich ein. Aber ich dachte, dieses Pulver wäre, wie man mir gesagt hatte, zum Einschläfern bestimmt, und könnte keinen Schaden anrichten. Wäre ich denn im stande, jemand zu vergiften?« fügte sie stirnrunzelnd hinzu.

      »Sie bekennen sich also nicht schuldig, das Geld und den Ring des Kaufmanns Smjelkoff entwendet zu haben; doch andrerseits gestehen Sie, daß Sie das Pulver hineingeschüttet haben.«

      »Das gestehe ich, doch ich glaubte, es wäre ein Pulver zum Einschläfern. Ich gab es ihm nur, damit er einschlafen sollte, nur darum.«

      »Sehr gut!« unterbrach der Präsident, von den erzielten Resultaten augenscheinlich befriedigt. – »Erzählen Sie uns jetzt, wie die Sache vor sich gegangen ist!« fuhr er, sich in seinen Sessel zurücklehnend und die beiden Hände auf den Tisch legend, fort. »Erzählen Sie uns alles, was Sie wissen! Ein aufrichtiges Geständnis kann Ihre Lage mildern.«

      Die Maslow sah den Präsidenten noch immer an; doch sie schwieg und errötete, und man sah es ihr an, daß sie sich bemühte, ihre Schüchternheit zu besiegen.

      »Na, erzählen Sie uns, wie die Sache vor sich gegangen ist!«

      »Wie sie vor sich gegangen ist?« fragte die Maslow hastig. »Er kam zu mir, bot mir zu trinken an und ging dann wieder fort.«

      In diesem Augenblick erhob sich der Staatsanwalt ein wenig und stützte sich auf seinen Ellenbogen. »Sie wünschen eine Frage zu stellen?« fragte der Präsident, und gab ihm auf seine bejahende Antwort zu verstehen, daß er sprechen könnte. »Die Frage, die ich stellen möchte, ist folgende: kannte die Angeklagte Simon Kartymkin schon vorher?« fragte der Staatsanwalt feierlich, ohne die Maslow anzublicken. Als er dann die Frage gestellt, biß er die Lippen zusammen und zog die Stirn kraus. Die Maslow warf einen erschrockenen Blick auf den Staatsanwalt.

      »Simon? Ja, den kannte ich,« sagte sie.

      »Ich möchte wissen, worin die Beziehungen der Angeklagten zu Kartymkin bestanden? Sahen Sie sich oft?«

      »Worin unsere Beziehungen bestanden? Er empfahl mich den Hotelgästen, aber das waren keine Beziehungen,« versetzte die Maslow, und ließ einen unruhigen Blick von dem Staatsanwalt zu dem Präsidenten und umgekehrt schweifen.

      »Sollte sie mich erkannt haben?« dachte Nechludoff, auf dem die Augen der Angeklagten eine Sekunde haften geblieben waren, und das Blut strömte ihm ins Gesicht, doch die Maslow hatte ihn unter den anderen Geschworenen nicht bemerkt, und ihre erschrockenen Blicke schnell wieder dem Staatsanwalt zugewendet.

      »Die Angeklagte leugnet also, in näheren Beziehungen zu Kartymkin gestanden zu haben? Es ist gut, ich habe weiter nichts zu fragen.«

      Der Staatsanwalt nahm seinen Ellenbogen vom Tische, und begann etwas zu schreiben. In Wahrheit schrieb er gar nichts, sondern begnügte sich damit, mit seiner Feder über die Anklage zu fahren. Doch er hatte gesehen, daß die Staatsanwälte und Advokaten sich nach jeder von ihnen gestellten Frage stets in ihren Reden Bemerkungen notierten, die bestimmt waren, ihren Gegner zu erdrücken.

      Der Präsident, der sich während dieser Zeit ganz leise mit dem Richter mit der Brille unterhalten, wandte sich sofort wieder zu der Angeklagten und fragte, sein Verhör fortsetzend:

      »Und was ist dann vor sich gegangen?«

      »Es war in der Nacht,« erklärte die Maslow, die wieder bei dem Gedanken, sie hätte nur mit dem Präsidenten allein zu thun, Mut faßte. »Ich war in mein Zimmer gegangen und wollte mich schlafen legen, als das Dienstmädchen Bertha zu mir sagte: ›Geh hinunter, dein Kaufmann ist schon wieder da!‹ Er war wirklich da, und wollte Wein trinken, hatte aber kein Geld und schickte mich ins Hotel, um welches zu holen. Er hatte mir gesagt, wo sein Geld läge und wieviel ich nehmen sollte. Da bin ich denn gegangen.«

      Der Präsident unterhielt sich weiter leise mit seinem Nachbar, und hatte nicht gehört, was die Maslow eben gesagt. Um aber zu beweisen, daß er doch alles gehört, glaubte er, ihre letzten Worte wiederholen zu müssen:

      »Sie sind gegangen, und dann?«

      »Ich bin ins Hotel gegangen und habe alles gethan, was der Kaufmann mir gesagt hatte; ich habe vier rote Zehnrubelscheine genommen,« sagte die Maslow und unterbrach sich von neuem, als überfiele sie eine plötzliche Furcht, dann fuhr sie fort: »Ich bin nicht allein in das Zimmer hineingegangen, sondern habe Simon Michaelowitsch gerufen, und die da auch,« sagte sie, auf die Botschkoff deutend, hinzu.

      »Sie lügt! ich bin nicht hineingegangen,« rief die Botschkoff, doch der Nuntius unterbrach sie.

      »In ihrer Gegenwart habe ich die vier roten Scheine genommen!«

      »Ich möchte wissen, ob die Angeklagte, als sie die 40 Rubel nahm, gesehen hat, wieviel Geld sich in dem Koffer befand?« fragte der Staatsanwalt von neuem.

      »Ich habe nichts gesehen, höchstens, daß Hundertrubelscheine drin lagen.«


Скачать книгу