Farbgestaltung Fotografie. Albrecht Rissler

Farbgestaltung Fotografie - Albrecht Rissler


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der schon für das Farbmodell RGB (Rot-Gelb-Blau) benutzt wird und der für die Bildschirmdarstellung Standard ist. Interessant ist, dass die komplementäre Wirkung des Farbpaars Cyan und Rotorange (der Malfarbe Zinnober ähnlich), tatsächlich stärker erscheint, als bei dem Paar Karminrot und Grün im Farbdreieck (rechte Seite).

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      Die rote Tischdecke · ws

      Farben im Dreieck

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      Campo della Salute, Venedig · ar

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      Rembrandts Farbtöpfe, Rembrandthuis, Amsterdam · ar

      DAS NEUNTEILIGE FARBDREIECK

      MEHRWERT Im Gegensatz zum sechsteiligen Farbenkreis, der nur aus Primärfarben und Sekundärfarben besteht, hat das neunteilige Farbdreieck den Vorzug, dass es mit drei zusätzlichen Farbtönen (rechts unten) viel nuancierter beschreiben kann, was die Fotografie abbildet.

      Diese drei Farben, die ich im Folgenden als Tertiärfarben bezeichne, entstehen durch die Mischung aus je einer Primärfarbe und den beiden angrenzenden Sekundärfarben. So wird aus Gelb, Orange und Grün ein Mischton mit starkem Gelbanteil, der aber durch den Blauanteil im beteiligten Grün »verunreinigt« wird. Dieser Mischton ist eine Art Vorstufe von Grau, das ein Maler erhält, wenn er alle Primär- und Sekundärfarben in einen Topf wirft.

      Deshalb ist es praktisch, den ockerfarbenen Ton als Graugelb zu bezeichnen. Es ist ein Farbton, den man sich in unendlich vielen Variationen vorstellen kann. Analog dazu bezeichne ich die beiden anderen Tertiärfarben als Graurot und Graublau. Sie sind hier stellvertretend als Basistöne vorgestellt, wie sie in zahlreichen Abstufungen in der Umwelt vorkommen.

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      Mitternacht in Venedig · ar

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      Baumscheibe einer 200-jährigen Tanne, Spielweg, Münstertal · ar

      MEHRWERT 2 Wenn Sie aus dem Fenster schauen, sehen Sie, dass Ihre Umgebung nicht überwiegend aus quietschbunten Farben besteht. Der Anteil reiner, gesättigter Farben ist in der Natur und im urbanen Umfeld im Verhältnis zu der Menge ungesättigter oder getrübter Farben äusserst gering.

      In den hier gezeigten Fotos dominieren alle drei Tertiärfarben des Farbdreiecks in unterschiedlichen Varianten. Selbst innerhalb des überwiegend tertiären Umfelds feuern sich die Töne wechselseitig an. Würde man ein gesättigtes Rot (z. B. ein Zinnober- oder Karminrot) neben das leuchtende Rostrot in der Aufnahme der Eisenhütte legen, sähe es wie ein trübes Braun aus (siehe Dreieck unten links).

      Der Farbtheoretiker und Maler Johannes Itten, der als Dozent am Bauhaus lehrte, spricht in diesem Zusammenhang von einem Qualitätskontrast zwischen gesättigten und getrübten Farben. In beiden Aufnahmen ist gut zu erkennen, wie im Verbund mit graublauen und blauvioletten Nuancen die rostroten bis lachsfarbenen Töne eine zusätzliche Steigerung erfahren.

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      Gichtbühne der stillgelegten Völklinger Hütte, Saarland · ar

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      Kohlhofwiese, Heidelberg · ar

      VOR DER HAUSTÜRE Mein erster Blick am Morgen gilt den beiden Hausbergen Heidelbergs, die am Ausgang des Neckartales über der Altstadt thronen. Sind ihre Gipfel im Nebel versteckt, zieht es mich hinauf. Dann strömt erstes Licht zwischen die Reihen der Baumstämme und legt sich in Streifen auf den Waldboden. Glück habe ich, wenn noch Tautropfen in den Zweigen hängen und das nasse Laub glänzt. Oder, wenn Licht die Blätter hinterleuchtet und sie auf kaltfarbenem Grund zu glühen scheinen. Wohltuendes Augenfutter und bestes Fotowetter. Das Tacktacktack eines Spechtes über mir oder das Rascheln einer Waldmaus im feuchten Laubstreu darunter gibt es gratis dazu.

      In beiden Aufnahmen speist sich der Grundakkord überwiegend aus den drei Tertiärfarben des neunteiligen Farbdreiecks.

      Wesentlich reduzierter, nahezu monochrom ist das Farbspektrum im Foto links. Das Grün auf der Weide und die erdigen Tonwerte sind kaum wahrnehmbar. Ich könnte mir vorstellen, dass Sie, liebe Leserinnen und Leser, sich mühelos in diese Stimmung an diesem Morgen hineinversetzen können.

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      Arboretum, Heidelberg · ar

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      Eingang zum Volcán del Cuervo, Lanzarote · ar

      ÜBERRASCHUNG Meine Vorstellung der kanarischen Insel Lanzarote wurde durch Bildbände mit Schwarz-Weiß-Fotografien geprägt. Dort einmal zu zeichnen, war ein lange gehegter Wunsch. 1988 ergab sich die Gelegenheit, die Vulkaninsel kennenzulernen. Ich erlebte eine Überraschung!

      Es war Anfang Mai. Auf den landwirtschaftlichen Flächen sah ich saftiges Grün, auch große Felder und Wiesen waren mit Gräsern und gelben Blumen übersät. Im Tal von Haria wuchsen sie unter einem riesigen Palmenwald. Doch noch erstaunlicher waren beim näheren Hinsehen diejenigen Gebiete, die von den gewaltigen Eruptionen zwischen 1730 und 1736 verschüttet wurden. Das, was in vielen Schwarz-Weiß-Fotografien dunkel und bedrohlich erschien, entpuppte sich als ein großartiges Farbspektakel. Überall sah ich metallisch blauschwarze, rostrot leuchtende, braune, schwefelgelbe, grünspanartige und ockerfarbene Schlacken. Nicht zu vergessen das fahle Gelb der Flechten, das sich aus der Ferne betrachtet zusammen mit der anthrazitfarbenen Lava zu einem samtig olivgrünen Teppich mischte. Alle diese Farbnuancen haben ihren Ursprung in den tertiären Farben, wie sie beispielhaft im neunteiligen Farbdreieck integriert sind.

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      Nationalpark Timanfaya, Lanzarote · md

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      Wasserfälle im Sertigtal bei Davos · ar

      WIE GEMALT! Das höre ich gelegentlich als Reaktion auf eine schöne Fotografie. Tatsächlich fiel mir das selbst ein, als ich die rechts abgebildete Aufnahme vergrößert am Bildschirm sah. Ich dachte an Landschaftsmaler, die sich von Felsen, fließendem Wasser, Transparenz und Spiegelungen herausfordern ließen. Ich kramte Zeichnungen und Malerei von Adolph Menzel, Edward Theodore Compton und Andrew Wyeth aus meinem Bildgedächtnis.

      Landschaft, die vor der Erfindung der Fotografie ausschließlich ein Thema


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