Mit Feuer vom Himmel. Ruth Zenkert
Sporschill
Georg Sporschill
In der Ohnmacht eine Beziehung stiften
Ruth Zenkert
Georg Sporschill
Ruth Zenkert
Ruth Zenkert
Kinder nehmen Abschied. Wie geht es weiter?
Ruth Zenkert
Zum Ausklang Wöchentliche Herzensbildung
Ein Nachwort von Christian Geinitz
Im Namen des Elijah
Überraschungen auf einem langen Weg
»Steh auf und iss!«, sagt der Engel zweimal zum Propheten Elijah, der entkräftet und lebensmüde unter einem Ginsterstrauch sitzt. Zu schwierig sind ihm die Herausforderungen geworden. Er ist auf der Flucht. Mit leidenschaftlichem Eifer hat sich Elijah für die Gerechtigkeit eingesetzt, Feuer und Flammen sprühten, als er die Gegner vernichtete. Ungestüm kämpfte er für die Armen, Kleinen, Hungrigen, Bedürftigen. Gegen die Rücksichtslosen, gegen die, die ihre Macht nicht zum Wohl der Schwachen nutzten. Und nun wird er verfolgt, angegriffen, bedroht. Er kann nicht mehr. Der Engel gibt ihm Brot, in glühender Asche gebacken, und einen Krug Wasser. Es ist die Freundschaft, die ihn stärkt.
Elijah macht sich wieder auf, es wird ein langer Weg. Er geht vierzig Tage und vierzig Nächte. Die Zahl Vierzig bezeichnet die Zeit der Erprobung, die Noah in der Arche durchlebte. Vierzig Jahre war das Volk Israel durch die Wüste unterwegs ins Gelobte Land. Der Prophet Elijah erreicht nach vierzig Tagen den Gottesberg im Sinai und erlebt einen Wendepunkt. Ist Gott denn nur im starken Sturm gegenwärtig, der Berge zerreißt und Felsen zerbricht? So wie Elijah bisher selbst oft gehandelt hatte? Im Erdbeben, das die Wertvorstellungen jener auf den Kopf stellt, die auf dem falschen Weg sind? Im Feuer, das das Unkraut ausrottet und das Böse vertilgen soll? Elijah erlebt Gottes heilende Nähe im sanften, leisen Säuseln, im Feinen, nicht im Gewaltigen. Der feurige Elijah wird zu einem zärtlichen Menschen, zu einem, der die Mutlosen segnet und ihnen Kraft für neue Aufgaben gibt. Er wird zum Meister, der seine Lebenserfahrung weitergibt. Über fünfzig Lehrlinge hat er in seiner Prophetenschule groß gemacht. Elischa wird sein Nachfolger, er führt das Werk weiter, als Elijah in den Himmel entrückt wird. Noch einmal kommt ihm Gott mit feurigem Wagen und feurigen Pferden entgegen. So beschreibt die Bibel die Erfüllung eines prophetischen Lebens.
Unserem sozialen Werk in Siebenbürgen haben wir den Namen ELIJAH gegeben, weil es prophetisch – kritisch und sozial – sein soll. Dorthin gehen, wo die Not am größten ist – das wollen die Jesuiten. Dazu braucht es Freunde, die uns stärken, wenn uns Aufgaben ratlos machen und erschöpfen. Wenn wir, wie der Prophet, zur Witwe in Sarepta gehen, die selbst nichts hat, und von ihr die Gastfreundschaft erbitten. Sie gibt das Letzte, und ihr Mehltopf wird nicht leer und der Ölkrug versiegt nicht. Elijah schenkt ihrem Sohn das Leben zurück. Wie viele Kinder in unseren Dörfern brauchen diese Kraft, damit sie aus dem dunklen Loch des Elends herauskommen, lernen und es einmal besser haben. Damit sie selbstständig werden und für sich und ihre Eltern sorgen können. Unseren Auftrag sehen wir im Kampf für die Roma, die an den Rand gedrängt sind, gegen ein System, das sie mit Vorurteilen einmauert, sodass sie nicht aus Analphabetismus und Verwahrlosung herauskommen. Sie erzählen uns ihre Geschichten. Wir wollen nicht über sie reden, sondern mit ihnen. In Freundschaften entdecken wir – wie Elijah – die Macht der Zärtlichkeit. In der Musikschule entfalten viele unserer Schützlinge ihr Talent und verzaubern durch ihre Klänge das Publikum. Im Orchester spielen Roma und Nicht-Roma zusammen. In der Kunstwerkstatt werden die Jugendlichen kreativ und verschönern die Häuser.
Sich für die Gerechtigkeit einzusetzen – das tut ein Prophet –, führt oft zu Konflikten und Gefahren. Der Prophet Elijah muss flüchten. Zum Lebensretter wird für ihn ein Rabe. Er bringt ihm morgens und abends Brot und Fleisch. In Rumänien ist »Rabe« das ärgste Schimpfwort für die Roma. Bei ELIJAH aber wird der Rabe – er steht für die Ausgestoßenen und Verachteten – zum Lebensretter für andere. Die »Raben« helfen uns, den Egoismus zu überwinden, das eigene Glück zu sehen, dankbar zu werden und zu spüren, was wir bewegen können. Dieses neue Bewusstsein ist unser größtes Geschenk. Am stärksten erleben es junge Volontäre, die aus dem Wohlstand kommen und Armen helfen wollen.
Der Prophet Elijah gilt im Judentum als Vorläufer des Messias. Er ist nicht der, der alle Probleme der Welt löst. Aber er trifft die Vorbereitungen, damit Menschen sich selber helfen können. Damit sie zum Heil finden. Interessant ist, dass die Botschaft des Alten Testaments auf Elijah zuläuft. Der letzte Satz der jüdischen Bibel ermutigt: »Ich sende zu euch den Propheten Elijah. Er wird das Herz der Väter wieder den Söhnen zuwenden und das Herz der Söhne ihren Vätern.« Wenn die Generationen einander verstehen und Frieden haben, wenn sich die Kinder ihrer schwächer werdenden Eltern annehmen, wenn die Starken den Schwachen einen Platz geben – dann ist Elijah am Werk. Dann geschehen Wunder. Weil uns hilfreiche Freunde oft überraschen, nennen wir unser Werk ELIJAH.
In vierzig Jahren haben wir viele Geschichten des Miteinanders gesammelt mit Obdachlosen in Wien, mit Straßenkindern in Bukarest und mit verarmten Roma-Familien in Transsilvanien, vor allem aber mit jungen Helfern da und dort. Unsere Erlebnisse wollen wir teilen mit Freunden, Erziehern, Helfern und mit Menschen, die für andere Sorge tragen. Wir hoffen, dass sie daraus den Mut schöpfen, einen nächsten Schritt zu machen, neue Kräfte zu entwickeln. Dass die Phantasie der Liebe angeregt wird. In der Liebe ist eins und eins nicht nur zwei, sondern viel mehr. Oft ein Widerspruch. Es gibt im Beziehungsleben keinen schnellen Erfolg. Und es gibt noch viele Hindernisse auf unserem Weg. Aber es gibt große Treue, erstaunliche Durchhaltekraft und einen Sinn, der alles überstrahlt.
Wir dürfen Geduld mit uns selbst haben und eigene Grenzen eingestehen. Auch wenn wir Unglaubliches erreichen können. Mithilfe von Elijah.
P. Georg Sporschill SJ
Ein Kind führt mich in seine Welt
Der Wind pfeift durch die Ritzen der Wände. Krumme Äste, löchrige Plastikplanen und Lehmklumpen bilden den Schutz gegen die Kälte des Winters. Wir sitzen in einer kleinen Hütte um die Feuerstelle – eine alte Regentonne. Die Kerze gibt spärliches Licht und kämpft mit den Windstößen. Daniel hat mich in die Hütte seiner Familie geführt. Im Schnee kam er barfuß in viel zu großen Sandalen in die Schule. Der Bub war einer der Ersten, die bei uns trommeln lernen wollten. Zum Unterricht kam er nur selten, daheim gab es zu viel zu tun: Holz aus dem Wald heranschleppen, auf die Geschwister aufpassen. Der Vater ist als Schafhirte unterwegs. Selten kommt er heim, meistens betrunken, am nächsten Tag ist er wieder verschwunden. Gabi, die junge Mutter, ist mit ihren vier Kindern allein. Sie ist krank. Warum sollten die Kinder lesen lernen, wenn sie ums Überleben kämpft. Manchmal bekommt sie Kartoffeln, Mais und Milch, wenn sie im Dorf als Tagelöhnerin arbeitet. Sie sieht keine Zukunft. Nur diesen Tag überleben und nicht erfrieren, den Kindern ein Essen geben.
Im Sommer wird es leichter. Die Hütte ist unten am Bach, ganz am Ende eines rumänischen Dorfs. Im Zentrum zeugt stolz die alte