Dr. Sonntag Box 3 – Arztroman. Peik Volmer
Bisschen! Danach suche ich bereits seit gefühlten hundert Jahren! Ab und zu trifft man ja auch mal jemanden, der einem ein wenig heller vorkommt. Enden tut es dann aber in Pleiten, Pech und Pannen. Ich glaub, den Mann, der mir gefällt, gibt es gar nicht. Oder ich muss mir, wie meine Mutter immer sagt, einen backen. Leider fehlt mir das Rezept. Sonst hätte ich es längst getan!«
»Du bist ein unglaublicher Mann, Emmerich. Du übst deinen Beruf mit Leidenschaft und hoher Kompetenz aus. Hätte ich dich nicht gehabt, wäre ich mit Sicherheit nicht mal halb so weit, wie ich jetzt bin. Du bist liebenswert. Du bist ein freundlicher, intelligenter Mensch.«
»Vergiss bitte nicht, noch etwas zu meinem hinreißenden Äußeren zu sagen!«
»Du siehst einfach umwerfend aus!«
»Was? Das war alles? Schau dir allein meine Muskeln an!«
»Also, mir fällt da eher das kleine Bäuchlein auf …«
»Spielverderber!«
Beide Herren lachten.
»Vergiss nicht … Ich gehe auf die Vierzig zu!«
»Gib nicht so an! Du bist Anfang 30! Und es stimmt schon. Du bist ein Traumtyp!«
»Na endlich! Das wollte ich hören! Ich dachte schon, du sagst es nie! – So, ab in die Heia! Brauchst du noch was?«
»Beherrsche deinen Mutterinstinkt, o Emmerich! Ich habe alles. Und mit dir geht es mir immer gut!«
Er fühlte den festen, tröstlichen Druck seiner Arme, und spürte die Wärme seines Körpers.
»Schön. Wirklich«, befand Emmerich Fahl. »Willst du es dir nicht doch noch mal überlegen?«
»Emmerich!«
»Ist ja gut! Ich frag ja nur!«
Unerwartet
Im Augenblick war es wirklich still im Haus. Weder Max und Lukas noch Egidius waren zugegen. Max war im Kino, Lukas bei seiner Schwester Stefanie. Wo steckte Egidius bloß wieder? In letzter Zeit kam er immer sehr spät aus der Klinik. Als Frau eines Arztes war sie ja nun einiges gewöhnt, und vor noch nicht allzu langer Zeit, als sie die schreckliche Diagnose von Graf von Falkenegg bekam, hätte sie fast dem Impuls nachgegeben, die Beziehung zu beenden.
Ihr Leben lief in ruhigen Bahnen. Der Verlauf ihrer Schwangerschaft war völlig unauffällig.
Die Übelkeit morgens war erträglich. Ihre Beine waren gelegentlich geschwollen und schmerzten, aber ihr Blutdruck blieb konstant. Das Kind wuchs und gedieh. Ach übrigens – es wurde ein Mädchen. Nein nein, das wusste sie nicht vom Frauenarzt. Sie hatte ihn nicht gefragt, und er hatte nichts gesagt. Nein, eine Frau spürte das. Das wurde ein Mädchen, und wie dankbar würde sie sein, wenn endlich das geschlechtsspezifische Missverhältnis im Hause Sonntag – drei Männer gegen eine Frau – durch das Erscheinen eines weiteren weiblichen Wesens abgemildert würde.
Corinna lehnte sich zurück. Es tat ja auch gut, wenn mal keiner was von ihr wollte. Vorsichtig ließ sie die Füße kreisen. Die bleierne Schwere hatte sich gebessert, die Knöchel waren abgeschwollen. Ob sie mal in der Klinik anrufen sollte? Sie hätte auch versuchen können, Egidius auf seinem Mobiltelefon anzurufen, aber sie befürchtete, ihm damit auf die Nerven zu gehen. In der vergangenen Woche hatte sie, nachdem ihr Dienst auf der Intensivstation beendet war, einen kurzen Abstecher zu seiner Ordination gemacht. Frau Kreuzeder hatte bedauert, der Gatte sei außer Haus. Eine Besprechung im Landratsamt. Wenigstens hatte sie ihr einen Kräutertee gemacht. Gegen Blähungen. Wegen der Schwangerschaft. Na prima.
Irgendwo musste doch noch ein Glas mit Cornichons herumstehen! Sie richtete sich auf und erhob sich. Der Kühlschrank war auch schon wieder so gut wie leer! Immerhin, noch zwei Gläser mit den leckeren kleinen Gürkchen!
*
»Was für ein schöner Gedanke, Herr Professor Sonntag!«
Pfarrer Valerian Ettenhuber hatte vor Begeisterung sogar aus eigenem Antrieb die Kuchengabel aus der Hand gelegt und seine Ausgabe der Bibel aufgeschlagen. Egidius hatte ihm erläutert, dass er, der er als junger Assistenzarzt Corinna geehelicht hatte, mit bescheidener Feier, sie nunmehr mit einer prächtigen Feier zu überraschen gedachte. Um in diesem Rahmen das Ehegelübde zu erneuern. Natürlich nach der Schwangerschaft, also im August.
»Haben Sie sich schon Gedanken um den Bibelvers gemacht, Herr Professor?«, erkundigte sich der Geistliche.
»Ich würde gern wieder den 145. Psalm auswählen, Herr Ettenhuber.
›Aller Augen warten auf dich, und du gibst ihnen ihre Speise zur rechten Zeit. Du tust deine Hand auf und sättigst alles, was lebt, mit Wohlgefallen.‹ Meine Frau und ich haben uns damals für diesen Vers entschieden, und ihn immer besonders tröstlich gefunden. Besonders in den Zeiten, in denen die Arbeit hart und das Geld knapp waren.«
»Eine ausgezeichnete Wahl«, lobte der dicke Pfarrer den Chefarzt. Er tippte etwas in seinen Computer. Schmunzelnd bemerkte Egidius, dass im Verhältnis zu seinem Umfang die Arme zu kurz erschienen. Vermutlich hatte er abends eine Delle in seinem Bauch, vom Druck der Schreibtischplatte.
Die Herren erörterten den Ablauf des Gottesdienstes, die Auswahl der Musik und der Lieder. Egidius legte besonders viel Wert auf Corinnas Lieblingslied, ›Geh aus mein Herz und suche Freud‹ von Paul Gerhardt.
Als Letztes erledigte er den Termin bei Frau Adler, der tüchtigen Schneiderin, die die Garderobe für seine Frau Fürstenrieder angefertigt hatte, als sie sich anschickte, Frau Kreuzeder zu werden.
»Ich bin da völlig verunsichert, Frau Adler. Einerseits würde ich meine Frau gern überraschen. Andererseits bin ich nicht sicher, ob ich sie bei der Entscheidungsfindung, was ihr am besten steht und welches Kleid sie zu ihrer Hochzeit tragen möchte, übergehen darf.«
»Ich bin sicher, Herr Professor Sonntag«, gab Frau Adler zu bedenken, »dass wir Ihre Gattin nicht übergehen dürfen. Die Situation beim Ehepaar Kreuzeder war ja eine ganz andere. Frau Kreuzeder hatte geglaubt, dass ein Hochzeitskleid ihr nicht stünde. Sie hätte sich gar keins ausgesucht. Das dürfte bei ihrer Gattin anders sein. Ich kenne sie ja von Ansehen. Sie ist eine bezaubernde Frau mit einer Figur, für die manche Frau töten würde. Daran wird auch die Schwangerschaft nichts ändern. Wann wird ihre Gattin entbinden?«
»Der errechnete Termin ist Donnerstag, der 27. August!«
»Das bedeutet, das Sie die Hochzeit Ende September planen, nicht wahr?«
»Ganz genau.«
»Ach, das wird wunderbar! Spätsommer am Schliersee! Herr Professor Sonntag, machen Sie sich keine Gedanken. Ihre Gattin wird von dieser Hochzeit den Rest ihres Lebens zehren, glauben Sie einer alten, erfahrenen Frau!«
*
Wie immer, wenn neue Kollegen vorgestellt wurden, vibrierte die Aula. Es grenzte ohnehin an ein Wunder, dass die Krankenhausverwaltung und die Stadt Miesbach der zusätzlichen Stelle für einen Weiterbildungsassistenten zugestimmt hatte. Professor Antretter genoss einen hervorragenden Ruf, der weit über den Landkreis hinausreichte. Allerdings waren die Kapazitäten begrenzt. Frau D’Amato erwies sich als wahres Organisationsgenie, was der gynäkologische Chefarzt ihr gar nicht zugetraut hätte. Er lud sie zum Gespräch.
»Liebe Frau D’Amato, ich sehe seit geraumer Zeit, dass Sie wirklich großartige Arbeit leisten. Ich gebe zu, dass wir ja ein paar Probleme miteinander hatten, als ich hier anfing. Sie haben mich vollkommen widerlegt. Ich würde Ihnen gern etwas Gutes tun. Habens Sie einen Wunsch, den ich Ihnen erfüllen kann?«
»Sehen Sie, Herr Professor Antretter? Der Mensch wächst mit und an seinen Aufgaben! – Ich habe mich in Ihnen aber auch getäuscht. Um so mehr freue ich mich über Ihr Lob. Das ist mir eigentlich schon genug.«
»Wie – genug?«
»Weil Sie das von dem Wunsch sagten. Mehr als Anerkennung wollte ich eigentlich nicht. Aber wenn Sie mir etwas Zeit lassen, mir fällt bestimmt noch etwas ein! Vielen Dank!«
Ja, und nun