Offen gesagt. Tassilo Wallentin

Offen gesagt - Tassilo Wallentin


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Rhythmus und Richtung. Alles strebt auf etwas zu. Das kommende Zeitalter stößt bereits vor. Diese Welt richtet sich auf eine neue planetarische Ordnung aus. Die Bereitstellungen sind gewaltig: Es kommt zur Angleichung der Geschlechter, der Einebnung von Ethnien, Ständen und Klassen. Wertvorstellungen verschwinden. Jahreszeiten lösen sich auf, Grenzen fallen, Weltmeere sterben, die Weltbevölkerung steigt sprunghaft an und gigantische Wanderbewegungen setzen ein. Selbst der Stil wird global.

      Den höheren Rhythmus der Geschichte – die Neuformierung der Welt – kann niemand aufhalten. Alles geht in diesem Zyklus seinen logischen, vorhergesehenen Gang; wie beim Kreislauf von Werden und Vergehen. Die Naturgesetzlichkeit, mit der sich all das vollzieht, ist die »Mutter aller Dinge«. Wir sind die Saat im Sturm.

      Der Mensch hat sich über die Jahrhunderte nicht verändert. Er ist weder besser noch schlechter geworden. Er erhält nur, abhängig von der geschichtlichen Epoche, eine andere Mission und Richtung. Wenn »die Zeit gekommen ist«, dann wirken selbst Fehler, Schwächen und Unzulänglichkeiten großer Staatenlenker in den vorhergesehenen Lauf hinein. Es gibt dann nichts Falsches mehr. Und umgekehrt: Keine noch so beeindruckende Einzeltat oder Ausnahmepersönlichkeit kann eine epochale Entwicklung umkehren, die einmal eingesetzt hat. Otto von Bismarck hat es geahnt, indem er auf die Frage, was Weltpolitik sei, antwortete: »Politik ist, dass man den Schritt Gottes durch die Hallen der Weltgeschichte hört, dann zuspringt und versucht, einen Zipfel seines Mantels zu fassen.« Im 18. Jahrhundert konnte es keine Angela Merkel geben. Die Zeit hätte es niemals zugelassen. Heute ist sie seelenhafte Verkörperung dieser Epoche. Wenn Bürgern die eigene Person das Heiligste ist, wenn Leichtgläubigkeit bei gleichzeitigem Unglauben existiert, Angst zur Tugend und Selbstbehauptung gescheut wird, kann sie höchste Staatsämter erringen. »Zum Frieden genügt nicht, dass man den Krieg nicht will«, schrieb Ernst Jünger und ahnte bereits, in welcher Phase des Zyklus sich unser kollektives Bewusstsein befindet.

      Wir verbleiben auf dem Schiff. Das ist unsere Rolle in diesem Stück. Meine Kolumnen, die in diesem Buch wiedergegeben sind, sind weder Meinungsmache noch Sprachrohr oder Seelentrost. Es sind Chroniken. Ich bin Chronist. Das ist auch der Sinn all dessen, was ich zu sagen habe.

      Wien, im Juli 2019Tassilo Wallentin

      Öl und Macht

      Erschienen am 22.6.2018

       Die USA werden Ende 2018 der größte Erdölförderer der Welt sein! Sie werden Saudi-Arabien und Russland übertreffen. Nie zuvor waren die USA von fremdem Öl und Gas so unabhängig – nie zuvor traten sie als Verkäufer am globalen Energiemarkt auf. Europa muss sich nun warm anziehen. Denn der Konflikt mit dem Iran und die neue Freundschaft Trumps mit Putin sind kein Zufall, sondern sollen die Öl- und Gaspreise massiv in die Höhe treiben.

      Das Machtgefüge der Welt hat sich entscheidend zugunsten der USA verändert. Das Land ist dank der umstrittenen »Fracking-Methode« zur Erdöl- und Schiefergasgewinnung über Nacht zur Energie-Nation Nr. 1 geworden. Eine neue Ära hat begonnen. Ausgerechnet die USA, die im Nahen und Mittleren Osten Kriege wegen Erdöl geführt haben, produzieren nun in Texas und Nord-Dakota mehr Öl als ganz Saudi-Arabien. 2018 und 2019 wird die amerikanische Förderquote sogar diejenige Russlands übersteigen (laut US-Energieministerium).

      Die USA sind erstmalig in ihrer Geschichte nicht mehr auf fremdes Öl und Gas angewiesen. Mehr noch – sie sind in den globalen Energiemarkt als neuer Großhändler eingestiegen. Und das bekommt »der Rest der Welt« ziemlich heftig zu spüren. Der neu vom Zaun gebrochene Konflikt der USA mit dem Iran hat hier einen seiner Hintergründe: 40 % des maritimen Erdöltransports laufen über den Persischen Golf durch die Straße von Hormus. Sollte US-Präsident Trump, wie angekündigt, »stärkste Sanktionen« gegen den Iran verhängen und die Meeresenge blockieren, dann ist der Westen von der Ölversorgung so gut wie abgeschnitten. Es käme zur Explosion der Energiepreise. Die EU bräuchte dringend einen neuen Öl- und Gaslieferanten – wofür sich praktischerweise Öl-Firmen aus den USA sicher sehr gerne anbieten würden.

      Trump kann das aber nicht im Alleingang durchziehen. Er muss sich zuvor mit dem anderen großen Energielieferanten der EU über die neuen Marktverhältnisse unterhalten: mit Russland. Und so ist es auch gekommen. Der russische Außenminister Sergej Lawrow nannte das Gipfelgespräch Trump-Putin »besser als super« – das Gespräch sei »einfach klasse« gewesen.

      Für die EU verheißt das nichts Gutes. Das klingt nach russisch-amerikanischen Deals zu Lasten Dritter. Europa verfügt über keinerlei nennenswerte Energievorkommen. Wir sind von Öl- und Gaslieferungen völlig abhängig. Sollten die USA und Russland ziemlich beste Freunde werden und sich die Märkte untereinander aufteilen, dann kann EU-Kommissionspräsident Juncker nur noch eine bescheidene Frage stellen: »Bitte, wie viel dürfen wir künftig für Öl und Gas bezahlen?«

      Der unvergleichliche Tatort-Kommissar Schimanski alias Götz George hat im Film die Weltordnung so erklärt: »Die rechte Arschbacke, das sind die Amerikaner. Die linke Arschbacke sind die Russen, und wir hier in Europa, wir sind das Arschloch.«

Karikatur

      Außer Kontrolle

      Erschienen am 29.6.2018

       Die Situation im Mittelmeer ist weiterhin außer Kontrolle. Bootsflüchtlinge werden immer noch regelmäßig nach Europa befördert. Den Bürgern verkauft man das gerne als »Rettung aus Seenot«. Aber die Realität sieht anders aus: Würden sich alle NGOs an geltendes Seerecht halten, wäre die Mittelmeerroute längst geschlossen und wohl auch das Sterben beendet.

      Die »Rettungskette« ist bekannt: Hundertausende – zumeist Migranten aus Afrika – reisen an die libysche Küste. Dort setzen Schlepper jeweils 100–150 Personen in ein Schlauchboot. Jeder Passagier bezahlt vorab 1500 Dollar. Einer bekommt ein Satellitentelefon. In dem sind die Rufnummern von Frontex und NGOs eingespeichert. Das Schlauchboot hat nur für wenige Kilometer Sprit. Kaum auf hoher See, wählt der Passagier mit dem Satellitentelefon die eingespeicherten Nummern und gibt SOS. Frontex- und NGO-Schiffe eilen herbei, nehmen alle Bootsflüchtlinge auf und befördern sie in das 480 Kilometer entfernte Italien. Dort angekommen, taucht etwa die Hälfte der »Geretteten« unter. Die weiteren Reiseziele heißen zumeist Deutschland, Schweden oder Österreich.

      2016 wurden etwa 280.000 Migranten von EU-Schiffen nach Italien übergesetzt. Nur vier Flüchtlingsboote haben es von sich aus nach Europa geschafft. Das ist ein Milliardengeschäft für Islamisten, Schlepperbanden und Asyl-Lobby!

      Würde man internationales Seerecht einhalten, wäre die Mittelmeerroute längst geschlossen und das Ertrinken wohl gestoppt: Die EU-Schiffe kreuzen vor der Küste Libyens. Nach Seerecht sind sie verpflichtet, gerettete Personen zum nächstliegenden Hafen zu bringen – und das ist der libysche Hafen! EU-Schiffe dürfen »Gerettete« nicht – wie Wasser-taxis – Hunderte Kilometer über das Mittelmeer nach Italien transportieren. Denn dann handelt es sich nicht mehr um eine »Seenotrettung«, sondern um einen »Transport von Passagieren«. Die Bootsflüchtlinge verlieren damit ihren Status als »Gerettete«. Denn als Schiffbrüchiger gilt man nur bis zum nächsten Hafen. Und der liegt in Nordafrika. Italien darf diesen »NGO-Passagierschiffen« zu Recht das Anlegen verweigern.

      Würde man gemäß internationalem Seerecht alle Geretteten zum nächsten Hafen bringen, wäre das Geschäft der islamistischen Schlepper zerstört. Kein Mensch bezahlt 1500 Dollar für einen Platz im Schlauchboot, wenn er weiß, dass er 15 Minuten später im libyschen Hafen steht. So etwas spricht sich schnell herum. Das Sterben im Mittelmeer wäre beendet. Wenn die Überfahrt nach Europa nicht mehr möglich ist, steigt auch der Druck auf nordafrikanische Küstenstaaten, EU-Flüchtlingslager auf ihrem Gebiet zuzulassen. In diesen sicheren Zonen könnte rechtsstaatlich entschieden werden, wer tatsächlich Verfolgter laut Genfer Flüchtlingskonvention und wer reiner Wirtschaftsmigrant ist. Nicht Schutzberechtigte könnten auf dem Landweg wieder zurück in ihre Heimat reisen, ohne Europa betreten zu haben.

      Mit einem Wort: Wir entscheiden dann


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