SUB ZERO. Matt James

SUB ZERO - Matt James


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Linsen aus Saphirblau. Akte des Chaos, des Tods und der Zerstörung – die schlimmsten aller Gräueltaten – blitzten nun in seinen Gedanken auf wie ein Zusammenschnitt aus dem Abgrund. Auch wenn er wusste, dass das, was die Stimme in seinem Kopf sagte und ihm unentwegt zeigte, falsch war, fühlte es sich doch auf irgendeine Art und Weise richtig an.

      Die schrecklichen Bilder waren leicht zu deuten, die Worte allerdings nicht, und doch verstand Donovan ihre Bedeutung mit Leichtigkeit, denn sein Verstand befand sich sozusagen auf Autopilot und entzifferte die unbekannte Sprache ganz von ganz allein, ohne die Hilfe eines fachkundigen Linguisten.

       Vernichtung.

      Aufzustehen und jeden zu töten, fühlte sich plötzlich richtig und wie der einzige mögliche Weg an.

      Auslöschung.

      Der einzige Weg.

      Das Eigenartigste war jedoch, dass die Stimme in seinem Kopf nicht irgendeinem Dämon aus einer anderen Welt gehörte. Das Wesen, das tief aus dem Inneren seines eigenen menschlichen Herzens sprach, war er selbst. Die Worte wurden von seiner eigenen Stimme geäußert … von seinem eigenen Unterbewusstsein.

      Er hatte in der Vergangenheit schon schlimme Albträume erlebt, aber nichts war vergleichbar mit dem, was er gerade durchstehen musste. Er war sich seines Traumes nämlich vollkommen bewusst. Normalerweise konnte er sich an fast nichts mehr erinnern, was in seinen Träumen geschah.

      Ausrottung.

      »N…nein.«

      Verwüstung. Die Worte wiederholten sich immer und immer wieder in seinem Kopf.

      »Hallo?«

      Vernichtung.

      »Wer … wer bist du?« Donovan war entsetzt darüber, was ihm die Stimme zu tun befahl. Er konnte sich jetzt sogar selbst sehen, wie er jemandem die Kehle aufschlitzte. Er konnte das warme Blut seines Opfers auf seinen Händen spüren und wie er das klägliche Röcheln genoss.

      Es war Sebastian Houses Blut.

      Auslöschung!

      Er riss seine Augen auf und holte zitternd tief Luft. Eine Gänsehaut breitete sich auf seinem Körper aus. Es gab nur sehr wenige auf der Welt, die ihn einschüchtern konnten, aber die Stimme – seine Stimme – und die dazugehörigen Bilder, hatten es geschafft.

      Was zur Hölle war das?, fragte er sich selbst schockiert.

      Er griff sich an die Stirn und rieb fest, um das heftige Pochen hinter seinen Augen wegzumassieren. Es fühlte sich an, als hätte er einen Schlag mit Thors Hammer abbekommen und dabei außerdem noch Blitzableiter gespielt. Er konnte sich jedoch nicht daran erinnern, sich den Kopf gestoßen zu haben. Donovan setzte sich vorsichtig auf und wurde sofort von Übelkeit übermannt. Der Brechreiz zwang ihn dazu, innezuhalten.

      Als ihm die Galle doch hochkam, griff er hastig nach einem Mülleimer und übergab sich. Sobald die Flüssigkeit seinen Magen verlassen hatte, legte sich Donovan wieder hin und atmete mehrmals tief aus und ein. Er hatte sich ganz sicher irgendeine Art von Kopfverletzung zugezogen. Es gab keine andere Erklärung.

       Was ist nur mit mir geschehen?

      Donovan erinnerte sich plötzlich daran, wie die Deckenlampen im Labor geflackert hatten und dann durch einen Stromstoß explodiert waren. Er erinnerte sich auch daran, wie das Schiff vom Sturm durchgeschüttelt worden war. Er bemerkte es auch jetzt noch, was bedeutete, dass seine Bewusstlosigkeit nicht allzu lange gedauert haben konnte.

      Ein Schädeltrauma war schon schlimm genug, aber dazu noch die Kraft eines antarktischen Sturms gegen den Rumpf ihres Schiffes … er erbrach sich wieder in den Eimer und wischte sich den Mund mit der Hand ab. Durch benommene, tränende Augen bemerkte er jetzt etwas Seltsames auf seinem rechten Handrücken. Wo er höchstens Spritzer von Erbrochenem erwartete, sah er noch etwas anderes darin vermischt.

      Etwas Blaues.

      Seine Hand zitterte. Das Einzige, was er in dieser Farbe jemals gesehen hatte, war das pulsierende Plasma innerhalb des Kraken in seinem Labor gewesen. Es schien so, als würden sowohl sein Blut als auch sein Gift diese Farbe ausstrahlen, nicht nur eines von beidem.

      Weil es ein und dasselbe ist!, dachte er plötzlich. Sein Blut IST sein Gift!

      Der Gedanke war äußerst faszinierend, aber im Moment war Donovan immer noch starr vor Angst. Es fiel ihm schwer, zu atmen, während er nichts weiter tun konnte, als auf seine befleckte Hand zu starren.

      Ein Klopfen an der Tür war die ersehnte Unterbrechung, die er so dringend brauchte. Es war ein Geschenk des Himmels für den Wissenschaftler. Es riss ihn aus seiner Starre und brachte ihn in Bewegung … gewissermaßen zumindest, denn Donovan war zu benommen, um irgendetwas anderes zu tun, als seine Hand unter der Wolldecke des unbequemen Krankenbettes zu verstecken.

      »Herein«, krächzte er und erkannte dabei seine eigene Stimme gar nicht mehr wieder. Die Furcht, die er wegen seines Gesundheitszustandes verspürt hatte, war innerlich immer noch präsent, aber er traute sich nicht, sie nach außen preiszugeben. Er durfte niemanden wissen lassen, was möglicherweise mit ihm geschehen würde und dass er sich vielleicht mit einem bislang unentdeckten Erreger infiziert hatte.

      Die letzte Person, von der er Besuch haben wollte, öffnete jetzt die Tür und trat ein.

      Captain House.

      »Sebastian?«, fragte Donovan überrascht. Er und House benutzten ihre Vornamen, wenn sie sich privat sahen oder miteinander telefonierten. Donovan gefiel das nicht besonders, den er wollte eigentlich nicht freundlich mit jemandem umgehen, der so gern den starken Mann markierte.

      »Wie geht es dir, Seth? Du warst über eine Stunde weggetreten.«

       Ist er tatsächlich um mich besorgt?

      Unter den derzeitigen Umständen beschloss Donovan, höflich zu bleiben. Außerdem war er gerade nicht in der geistigen oder körperlichen Verfassung, um sich zu streiten.

      »Okay, glaube ich.« Er wusste es ehrlich gesagt nicht. Abgesehen von den Kopfschmerzen und der blauen Flüssigkeit in seinem Körper, fühlte er sich tatsächlich ganz gut. »Eigentlich habe ich keine Ahnung, wie ich mich fühle«, sagte er lachend. Er stöhnte, als sich sein Magen erneut verkrampfte. »Wie läuft es mit dem Sturm?«

      Das Schiff wurde genau in dieser Sekunde durchgeschüttelt und beide Männer zuckten zusammen.

      »Schlecht«, erwiderte House. »So richtig schlecht. Zum Glück ist das ein stabiles Schiff.«

      »Ja, bestimmt«, erwiderte Donovan. Es fiel ihm schwer, sich auf House und das, was gerade mit ihm geschah, zu konzentrieren.

      »Ganz schöne Feuerwerksveranstaltung da oben, was?«, fragte House jetzt.

      Ausrottung.

      Donovan schüttelte verwirrt den Kopf. »Feuerwerk?«

      Verwüstung.

      House schaute ihn mit zusammengekniffenen Augen an. »Im Labor, meine ich.«

      Donovan setzte sich, sehr zum Missfallen seines schmerzenden Körpers, auf. »Was ist mit meinem Labor?«

      House schaute ihn verwirrt an. »Das weißt du nicht mehr?«

      »Offensichtlich nicht, Sebastian. Hör auf, mir dumme Fragen zu stellen, und sag mir, was mit meinem Labor los ist!«

      House setzte sich neben Donovan auf den Bettrand. »Es ist futsch, Seth.«

      »Futsch?«

      Donovan musste wieder nach dem Mülleimer greifen. Während er sich erbrach, sammelte sich darin mehr und mehr von der blauen Flüssigkeit an. Als er fertig war, schob er den Eimer hastig unter sein Bett und wischte sich den Mund mit der Innenseite seiner Decke ab.

      Niemand durfte von seinem Zustand erfahren, vor allem nicht House. Der Kapitän würde ihn dann nämlich garantiert unter Vorgabe von Sicherheitsvorkehrungen


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