Der Malteser Falke. Dashiell Hammett

Der Malteser Falke - Dashiell  Hammett


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stand auf, steckte die Hände in die Taschen seines Sakkos und sah ernst auf sie herab. »Es hat keinen Zweck«, sagte er aufgebracht. »Ich kann nichts für Sie tun. Ich weiß nicht, was Sie wollen. Ich weiß nicht mal, ob Ihnen selbst klar ist, was Sie wollen.«

      Sie ließ den Kopf hängen und schluchzte.

      Er stieß ein animalisch knurrendes Geräusch aus und trat zum Tisch, um nach seinem Hut zu greifen.

      »Aber Sie werden doch nicht zur Polizei gehen?«, flehte sie mit halb erstickter Stimme, ohne aufzusehen.

      »Zur Polizei gehen!«, rief er aus, seine Stimme laut vor Wut. »Seit vier Uhr früh sitzen die mir im Nacken. Ich habe mir ordentlich Ärger eingehandelt, weil ich sie hingehalten habe. Und wofür? Für die verrückte Idee, dass ich Ihnen helfen könnte! Aber ich kann es nicht. Ich werd’s nicht mal versuchen.« Er setzte sich den Hut auf den Kopf und drückte ihn tief in die Stirn. »Ich zur Polizei? Ich muss nur irgendwo stehen bleiben, und schon fällt die ganze Meute über mich her. Ich werde denen sagen, was ich weiß – und Sie müssen selber sehen, wie Sie klarkommen.«

      Sie erhob sich und stellte sich kerzengerade vor ihn hin, obwohl ihre Knie zitterten. Das bleiche, von Panik ergriffene Gesicht war hoch erhoben, trotzdem konnte sie das Zittern der Mundwinkel und des Kinns nicht unterdrücken. »Sie waren geduldig«, sagte sie. »Sie haben versucht, mir zu helfen. Aber es hat keinen Zweck und würde vermutlich auch nichts nützen.« Sie streckte ihm die Hand entgegen. »Ich danke Ihnen für das, was Sie getan haben. Ich … ich muss selber sehen, wie ich klarkomme.«

      Erneut stieß Spade das kehlige Knurren aus, dann setzte er sich wieder aufs Sofa. »Wie viel Geld haben Sie?«, fragte er.

      Die Frage verwirrte sie. Sie biss sich auf die Unterlippe und antwortete zögernd: »Noch etwa fünfhundert Dollar.«

      »Geben Sie sie her.«

      Sie zögerte und warf ihm einen eingeschüchterten Blick zu. Sein Mund, die Brauen, Hände und Schultern – alles zeugte von seiner Gereiztheit. Sie ging ins Schlafzimmer und kam einen Moment später mit einem Bündel Geldscheine zurück.

      Er nahm es ihr ab, zählte. »Das sind nur vierhundert.«

      »Etwas brauche ich zum Leben«, erklärte sie kleinlaut und legte eine Hand auf die Brust.

      »Können Sie noch mehr auftreiben?«

      »Nein.«

      »Sie müssen doch irgendwas haben, um sich Geld zu beschaffen«, beharrte er.

      »Ein paar Ringe sind noch da, ein bisschen Schmuck.«

      »Den müssen Sie verpfänden«, sagte er und streckte die Hand aus. »Das Remedial ist der beste Ort dafür – Ecke Mission Street und Fifth.«

      Sie sah ihn flehend an. Seine gelb-grauen Augen waren hart und unerbittlich. Langsam steckte sie die Hand in ihren Ausschnitt, zog ein paar zusammengerollte Scheine heraus und legte sie ihm in die ausgestreckte Hand.

      Er strich sie glatt und zählte – vier Zwanziger, vier Zehner und ein Fünfer. Er gab ihr zwei Zehner und den Fünfer zurück und steckte den Rest ein. Dann stand er auf und sagte: »Ich gehe jetzt und sehe, was ich tun kann. Ich komme wieder, sobald es möglich ist, und bringe so gute Nachrichten, wie es sich machen lässt. Ich läute viermal – lang, kurz, lang, kurz – dann wissen Sie, dass ich es bin. Sie müssen mich nicht zur Tür begleiten. Ich finde allein raus.«

      Er ließ sie mitten im Zimmer stehen, wo ihre blauen Augen ihm verwirrt nachsahen.

      Spade betrat das Empfangszimmer durch eine Tür mit der Aufschrift Wise, Merican & Wise. Die rothaarige Sekretärin vor der Telefonanlage sagte: »Oh, hallo, Mr. Spade.«

      »Hallo, Schätzchen«, sagte er, »ist Sid zu sprechen?«

      Er stand mit einer Hand auf ihrer fülligen Schulter neben ihr, während sie mit einem Stöpsel hantierte und in die Sprechmuschel sagte: »Mr. Spade möchte Sie sprechen, Mr. Wise.« Sie blickte zu Spade auf. »Gehen Sie einfach durch.«

      Er drückte ihr freundlich die Schulter, ging durch den Empfang in einen schwach erleuchteten Gang und folgte ihm bis zu einer Milchglastür am Ende. Dort trat er in ein Büro, wo ein untersetzter Mann mit olivfarbener Haut, einem müden, ovalen Gesicht und spärlichem, von Schuppen gesprenkeltem Haar an seinem wuchtigen Schreibtisch saß, auf dem sich Unmengen von Papieren stapelten.

      Der Mann schwenkte seinen kalten Zigarettenstummel in Spades Richtung. »Zieh dir einen Stuhl ran. Miles hat es also heute Nacht erwischt?« Weder sein müdes Gesicht noch seine durchdringende Stimme deuteten auf irgendwelche Gefühle hin.

      »Hm-mh, deshalb bin ich hier.« Spade runzelte die Stirn und räusperte sich. »Ich fürchte, ich muss einen Untersuchungsrichter abwimmeln, Sid. Kann ich mich hinter meinem Berufsgeheimnis verschanzen, so wie ein Priester oder Anwalt?«

      Sid Wise hob die Schultern und senkte die Mundwinkel. »Warum nicht? Eine Untersuchung ist keine Gerichtsverhandlung. Auf alle Fälle kannst du es versuchen. Du hast schon ganz andere Sachen gebracht.«

      »Ich weiß, aber Dundy wird unverschämt, und diesmal könnte es ernst werden. Setz deinen Hut auf, Sid, wir müssen ein paar Leute aufsuchen. Ich möchte gern sichergehen.«

      Sid Wise warf einen Blick auf die Papierstapel auf seinem Schreibtisch und seufzte, ehe er sich erhob und zu einem Schrank neben dem Fenster ging.

      »Du bist ein sturer Bock, Sammy!«, sagte er und nahm den Hut vom Haken.

      Um zehn nach fünf kehrte Spade in sein Büro zurück. Effie Perine saß an seinem Schreibtisch und las in der Time. Spade setzte sich auf den Tisch und fragte: »Was Neues?«

      »Hier nicht. Du siehst aus wie die Katze, die einen Kanarienvogel verputzt hat.«

      Er grinste selbstzufrieden. »Ich glaube, wir haben eine Zukunft. Ich hatte schon immer den Verdacht, dass es uns erheblich besser gehen würde, wenn Miles eines Tages verschwinden und irgendwo abkratzen würde. Kannst du dich bitte um die Blumen kümmern?«

      »Schon erledigt.«

      »Du bist ein unbezahlbarer Engel! Und was sagt deine weibliche Intuition heute?«

      »Wozu?«

      »Was hältst du von Wonderly?«

      »Eine ganze Menge«, antwortete die junge Frau wie aus der Pistole geschossen.

      »Sie hat zu viele Namen«, sinnierte Spade. »Wonderly, Leblanc, und jetzt sagt sie, der richtige ist O’Shaughnessy.«

      »Von mir aus kann sie alle Namen im Telefonbuch haben. Die Frau ist in Ordnung, und das weißt du auch.«

      »Bin nicht sicher.« Spade blinzelte Effie Perine schläfrig zu. Dann kicherte er. »Auf alle Fälle hat sie siebenhundert Piepen in zwei Tagen lockergemacht, und das ist schon mal nicht schlecht.«

      Effie Perine setzte sich auf und sagte: »Wenn diese Frau Probleme hat und du lässt sie im Stich oder nutzt sie aus, werde ich dir das nie verzeihen, Sam, und dich auch nie wieder respektieren, solange ich lebe.«

      Spade lächelte gekünstelt. Dann runzelte er die Stirn. Das Stirnrunzeln war ebenfalls gekünstelt. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch das Geräusch der Tür im Vorzimmer hinderte ihn dran.

      Effie Perine stand auf und ging hinüber zur Tür. Spade nahm den Hut ab und setzte sich an seinen Schreibtisch. Die junge Frau kam wieder herein und reichte ihm eine Visitenkarte – Mr. Joel Cairo.

      »Ein sehr sonderbarer Typ«, sagte sie.

      »Dann nichts wie rein mit ihm, Liebling!«

      Mr. Joel Cairo war ein feingliedriger, dunkelhäutiger Mann von mittlerer Größe mit levantinischen Gesichtszügen. Sein schwarzes, glattes Haar glänzte. Auf dem leuchtenden Grün seines Halstuchs funkelte ein klobiger Rubin, eingefasst von vier Stabdiamanten. Das schwarze Sakko, maßgeschneidert für seine schmächtigen Schultern, spannte ein wenig um die Hüften. Die Hose


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