Der Malteser Falke. Dashiell Hammett

Der Malteser Falke - Dashiell  Hammett


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selbst gedrehten Zigarette. »Irgendwas, das euch verraten hätte, wer er war, was er vorhatte. Was gefunden?«

      »Wir sind davon ausgegangen, dass Sie uns das verraten könnten.«

      Spades gelb-graue Augen musterten den Lieutenant mit einem fast übertrieben unschuldigen Blick. »Ich bin Thursby nie begegnet, weder tot noch lebendig.«

      Lieutenant Dundy stand auf. Er wirkte unzufrieden. Tom erhob sich ebenfalls, gähnte und streckte sich.

      »Wir haben gefragt, was wir fragen mussten«, sagte Dundy und runzelte die Stirn über Augen, die hart wie grüne Kiesel waren. Er presste die bärtige Oberlippe fest an die Zähne, sodass nur die Unterlippe die Worte formte. »Wir haben Ihnen mehr erzählt als Sie uns. Das ist okay. Sie kennen mich, Spade. Egal, was Sie getan oder nicht getan haben, von mir können Sie immer eine anständige Behandlung erwarten, mehr als von irgendwem sonst. Ich könnte Sie vielleicht sogar verstehen – aber das würde mich nicht dran hindern, Sie festzunehmen.«

      »Geht in Ordnung«, gab Spade gelassen zurück. »Aber ich würde mich wohler fühlen, wenn Sie Ihr Glas austrinken.«

      Lieutenant Dundy nahm sein Glas vom Tisch und leerte es langsam. Dann sagte er: »Gute Nacht«, und streckte die Hand aus. Sie schüttelten sich sehr förmlich die Hände. Dann schüttelten Tom und Spade sich auch sehr förmlich die Hände. Spade brachte sie zur Tür. Er zog sich aus, löschte das Licht und ging zu Bett.

      Kapitel III Drei Frauen

      Als Spade am folgenden Morgen um zehn in seinem Büro erschien, saß Effie Perine an ihrem Schreibtisch und öffnete gerade die Vormittagspost. Das sonst so strahlende Gesicht unter der sonnengebräunten Haut war blass. Sie legte den Stoß Umschläge und den Brieföffner aus Messing aus der Hand und sagte: »Sie ist da drin.« Ihr Ton war ein warnendes Flüstern.

      »Ich hab dir doch gesagt, sie soll nicht herkommen«, beklagte sich Spade. Auch er hatte die Stimme gesenkt.

      Effie Perine riss die braunen Augen auf und antwortete ebenso gereizt wie er: »Ja, aber du hast mir nicht gesagt, wie ich das anstellen soll.« Sie kniff ein wenig die Augen zusammen und ließ die Schultern hängen. »Sei nicht sauer, Sam«, sagte sie müde. »Ich hatte sie die ganze Nacht am Hals.«

      Spade trat neben sie, legte ihr die Hand aufs Haar und strich ihr über den Scheitel. »Tut mir leid, mein Engel, ich wollte nicht …« Als sich die Tür zu seinem Büro öffnete, brach er ab. »Hallo, Iva«, begrüßte er die Frau, die sie geöffnet hatte.

      »Ach, Sam!«

      Sie war blond, Anfang dreißig. Ihr hübsches Gesicht hatte seine beste Zeit um zirka fünf Jahre überschritten. Trotz ihrer Robustheit hatte sie eine ausnehmend gute Figur. Sie trug von Kopf bis Fuß Schwarz, aber ihre Trauerkleidung machte einen etwas improvisierten Eindruck. Nach ihrer Begrüßung trat sie einen Schritt zurück und wartete.

      Spade nahm die Hand vom Kopf der jungen Frau, betrat sein Büro und schloss die Tür hinter sich. Iva trat rasch neben ihn und reckte ihm ihr unglückliches Gesicht zu einem Kuss entgegen. Sie hatte die Arme um ihn geschlungen, noch ehe er sie an sich ziehen konnte. Nach einem langen Kuss wollte er sich wieder von ihr lösen, doch sie presste ihm das Gesicht an die Brust und schluchzte.

      Er strich ihr über den Rücken. »Mein armer Liebling.« Seine Stimme war zärtlich, sein aufgebrachter Blick aber wanderte zu dem Schreibtisch, der seinem Kompagnon gehört hatte. Er bleckte ungeduldig die Zähne und drehte das Kinn zur Seite, um ihrem Hut auszuweichen. »Hast du Miles’ Bruder benachrichtigt?«

      »Ja, er war heute Morgen da.« Die Worte wurden von ihrem Schluchzen und seinem Sakko erstickt.

      Erneut verzog er das Gesicht und warf einen verstohlenen Blick auf seine Armbanduhr. Er umschlang Iva mit dem linken Arm, die Hand ruhte auf ihrer linken Schulter. Die Manschette war so weit hochgerutscht, dass die Uhr frei lag. Zehn nach zehn.

      Iva regte sich in seinen Armen und hob erneut das Gesicht. Ihre runden blauen Augen schwammen in Tränen und waren von weißen Ringen umgeben, der Mund schimmerte feucht.

      »Ach, Sam«, stöhnte sie. »Hast du ihn erschossen?«

      Spade fiel die Kinnlade herunter. Seine Augen traten hervor. Er ließ sie los und wich einen Schritt zurück. Mit finsterem Blick räusperte er sich.

      Sie hielt noch immer die Arme erhoben, aus denen er sich gelöst hatte. Angst trübte ihren Blick, die Augen waren halb geschlossen, die Brauen eng zusammengezogen. Ihre feuchten, roten Lippen bebten.

      Spade stieß lachend eine einzelne Silbe aus: »Ha!« Dann trat er zum Fenster. Dort stand er mit dem Rücken zu ihr und blickte durch den Vorhang in den Hof, bis sie ein paar Schritte auf ihn zumachte. Rasch wandte er sich ab und setzte sich an seinen Schreibtisch. Er stützte die Ellbogen auf, legte das Kinn auf die Fäuste und betrachtete sie. Die gelblichen Augen funkelten zwischen zusammengekniffenen Lidern.

      »Wer hat dir diese grandiose Idee in den Kopf gesetzt?«, fragte er eisig.

      »Ich dachte …« Ihre Hand flog zum Mund, und erneut stiegen ihr Tränen in die Augen. Sie kam zu ihm zum Schreibtisch – leichtfüßig und sicher in schwarzen, unglaublich hohen, unglaublich kleinen Pumps. »Sei nett zu mir, Sam«, sagte sie unterwürfig.

      Er lachte ihr ins Gesicht – seine Augen funkelten noch immer. »Du hast meinen Mann erschossen, Sam, aber bitte sei nett zu mir.« Er klatschte in die Hände. »Herr im Himmel!«

      Daraufhin schluchzte sie laut auf und presste sich ein weißes Taschentuch ans Gesicht.

      Er stand auf und stellte sich hinter sie. Er legte die Arme um sie und küsste ihren Hals zwischen Ohr und Mantelkragen. »Schon gut, Iva, nicht weinen.« Sein Gesicht war ausdruckslos. Als das Schluchzen verebbte, berührten seine Lippen ihr Ohr. »Du hättest heute nicht herkommen dürfen, Liebling«, murmelte er. »Es war nicht klug. Du darfst nicht lange bleiben. Fahr lieber wieder nach Hause.«

      Sie drehte sich in seinen Armen um, sah ihn an und fragte: »Kommst du heute Abend vorbei?«

      Sanft schüttelte er den Kopf. »Heute nicht.«

      »Aber bald?«

      »Ja.«

      »Wie bald?«

      »Sobald ich kann.«

      Er küsste sie auf den Mund, führte sie zur Tür, sagte »Wiedersehen, Iva«, schob sie mit einer Verbeugung hinaus, schloss die Tür und kehrte an seinen Schreibtisch zurück.

      Er nahm Tabak und Zigarettenpapier aus der Westentasche, doch er drehte sich keine Zigarette. Er saß da, den Tabak in der einen, die Blättchen in der anderen Hand, und betrachtete nachdenklich den Schreibtisch seines toten Kompagnons.

      Effie Perine öffnete die Tür und kam herein. Ihre braunen Augen wirkten beunruhigt, doch ihre Stimme war arglos. Sie fragte: »Und?«

      Spade antwortete nicht. Sein nachdenklicher Blick ruhte noch immer auf dem Schreibtisch seines Kompagnons.

      Die junge Frau runzelte die Stirn und kam zu ihm. »Und?«, wiederholte sie etwas lauter. »Wie bist du mit der Witwe verblieben?«

      »Sie glaubt, ich hätte Miles erschossen«, sagte er. Nur seine Lippen bewegten sich.

      »Damit du sie heiraten kannst?«

      Darauf gab Spade keine Antwort.

      Die junge Frau griff nach dem Hut auf seinem Kopf und legte ihn auf den Schreibtisch. Dann beugte sie sich vor und nahm ihm Tabak und Zigarettenpapier aus den reglosen Fingern.

      »Die Polizei glaubt, ich hätte Thursby erschossen«, sagte er.

      »Wer ist das?«, fragte sie, zog ein Blättchen aus der Packung und bröselte Tabak hinein.

      »Und du? Wen habe ich deiner Meinung nach erschossen?«

      Als sie nicht antwortete, sagte er: »Thursby ist der Mann, den Miles für die kleine Wonderly beschatten sollte.«

      Ihre


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