Alltagsrassismus. Wolfgang Benz

Alltagsrassismus - Wolfgang Benz


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      Wolfgang Benz

      Alltagsrassismus

      Feindschaft gegen „Fremde“ und „Andere“

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      Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.

      © WOCHENSCHAU Verlag, Dr. Kurt Debus GmbH Frankfurt/M. 2019

       www.wochenschau-verlag.de

      Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie oder einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet werden.

      Gesamtherstellung: Wochenschau Verlag

      Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier

      ISBN 978-3-7344-0794-9 (Buch)

      E-Book ISBN 978-3-7344-0795-6 (PDF)

      Vorwort

      Das Theater in Frankfurt am Main zeigt an seiner Fassade das Transparent „47 Nationen unter einem Dach. Für eine weltoffene Gesellschaft ohne Rassismus“. In Dresden könnten die Pegida-Leute an der Semper-Oper, neben der sie montäglich ihr Wutgebrüll erschallen lassen, ein ähnliches Signal erkennen „Für eine weltoffene Gesellschaft“, „Wir sind kein Bühnenbild für Fremdenhass“, „Wir sind keine Kulisse für Intoleranz“ (Sie wechseln die Transparente und hängen zusätzlich auch Fahnen aus etc.). „Schule ohne Rassismus“ ist längst das Gütesiegel fortschrittlicher Gymnasien. Mit souveräner Empörung weisen Funktionäre, Mandatsträger und Wähler der „Alternative für Deutschland“ den Vorwurf zurück, etwas mit Rassismus zu tun zu haben. Die Partei hat aber wegen ihrer Muslimfeindschaft, die ihr eigentliches Programm ist, Erfolg, sie duldet maulstarke Antisemiten in ihren Reihen und hat einen Flügel, in dem völkisches Denken, wie es einst Hitler und die NSDAP propagierten und praktizierten, vertreten wird.

      Eine Frankfurter Rechtsanwältin, die durch die Vertretung von NSU-Opfern prominent wurde, erhält Morddrohungen per Fax, in denen es z.B. heißt „Dir hirntoten Scheißdöner ist offensichtlich nicht bewusst, was du unseren Polizeikollegen angetan hast“. Hessische Sicherheitsbehörden haben Polizeibeamte im Visier, denn die Drohschreiben enthalten Insiderwissen der hessischen Polizei. Was bedeutet es für den Zustand von Staat und Gesellschaft, dass die Beleidigung und Bedrohung einer türkeistämmigen deutschen Juristin möglicherweise in deutschen Amtsstuben ausgeheckt wurden? Deutlichere Indizien für einen weit verbreiteten Alltagsrassismus sind kaum vorstellbar.

      Aufklärung über Positionen und Phänomene, Argumente und Parolen des Rassismus ist notwendig, um ihm entgegentreten zu können. Aufklärung über alltäglichen Rassismus soll in diesem Band geleistet werden durch Informationen über dessen historische Wurzeln, seine aktuellen Erscheinungsformen, über Akteure und Schauplätze, ideologische Komponente und strukturelle Voraussetzungen und emotionale Dispositionen.

      Das Buch möchte verstanden werden als Kompendium, das Fakten und Begriffserklärungen bietet, Zusammenhänge erläutert, politische und soziale Dimensionen von Ressentiments auslotet und anhand von Ereignissen den Blick für rassistische Vorurteile und Feindbilder sowie deren Wirkungen schärft, damit alltäglichem Hass und daraus entstehender Gewalt begegnet werden kann.

      Berlin, Februar 2019

      I. Ressentiments und Methoden der Ausgrenzung

      Vorurteile und Feindbilder

      Vorurteile äußern sich vor allem als Zuschreibung von Eigenschaften, die unsere Wahrnehmung und unser Verständnis von Individuen, Personengruppen, Ethnien, Nationen bestimmen – als „geschäftstüchtige Juden“, „diebische Zigeuner“, „eroberungssüchtige Muslime“, „unzuverlässige Levantiner“, „kriminelle Albaner“ usw. Bausteine des Ressentiments sind Stereotype, die geläufige Vorstellungen von Personen, Kollektiven, oder auch Sachverhalten und Dingen fixieren. Stereotype, zu Formeln erstarrte Beschreibungen, besser: Zuschreibungen, erlauben rasche und nicht reflektierte Einordnung und Erklärung, sie sind in der Regel langzeitig tradiert. Das Stereotyp entzieht sich analytischem Zugriff, denn es tritt an dessen Stelle, wird nicht hinterfragt und braucht keine Begründung. Der Angehörige einer bestimmten Ethnie ist deshalb durch stereotype Klischees ein für alle Mal als listig oder verschlagen, als faul oder berechnend charakterisiert. Natürlich gibt es auch positive stereotype Bilder wie z.B. die „schöne Jüdin“ oder den „edlen Magyaren“. Funktion und Wirkung von Vorurteilen sind unabhängig von ihrer positiven oder negativen Belegung. Die pejorativen, d.h. herabsetzenden Stereotype überwiegen in der gesellschaftlichen Realität, dementsprechend sind Vorurteile in der Regel an unangenehmen Eigenschaften verankert und entfalten vor allem negative Wirkung.

      Vorurteile spielen im privaten Alltag wie im öffentlichen Leben die Rolle von Katalysatoren für individuelle und kollektive Ängste, Frustrationen und Aggressionen. Vorurteile verdichten sich zu Feindbildern, die als Bestandteile politischer Ideologien instrumentalisiert werden. Das negative Fremdbild steht am Anfang der agierten Feindseligkeit, die als individuelles fremdenfeindliches Delikt, als gemeinsamer Angriff gegen stigmatisierte Minderheiten, als kollektive Raserei gegen Fremde bis hin zum organisierten und geplanten Völkermord zum Ausdruck kommt.


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