Alltagsrassismus. Wolfgang Benz

Alltagsrassismus - Wolfgang Benz


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vom freien Leben der Roma mit ihren stolzen Männern und lockenden Frauen, ist Aufklärung notwendig, denn Konstrukte sind gefährlich. „Die Franzosen“ oder „die Rumänen“ waren jahrhundertelang mit schlechten Eigenschaften charakterisiert, die sie zum kollektiven Erbfeind westlich des Rheins bzw. östlich der Habsburger Monarchie machten. Nach zwei Weltkriegen konnten viele Feindbilder überwunden werden, erhebliche Anstrengungen waren dazu notwendig und ihr Erfolg war in hohem Maß Ergebnis politischer Bildung.

      Antisemitismus, d.h. Judenfeindschaft in jeder Erscheinungsform, ist das älteste politisch und gesellschaftlich wirksame Vorurteil mit den schlimmsten Folgen in der Geschichte. Als Antijudaismus diente ursprünglich religiös motivierte Judenfeindschaft zur Ausgrenzung der Minderheit. Im 19. Jahrhundert entwickelte sich mit rassistischer statt religiöser Begründung der moderne Antisemitismus, dem nach dem Holocaust ein aus Schuld- und Schamgefühlen genährter „sekundärer Antisemitismus“ folgte. Als politisch argumentierende Judenfeindschaft trat nach der Gründung Israels der aktuelle Antizionismus hinzu.

      Muslimfeindschaft, für die auch die Begriffe Islamkritik und Islamophobie benützt werden, setzt sich aus religiösen, kulturellen und rassistischen Vorbehalten zusammen und enthält ein aus Bedrohungsgefühlen entspringendes Abwehrpotential. Die strukturelle Verwandtschaft von Antisemitismus und Islamophobie wird oft nicht erkannt oder von Akteuren aggressiv geleugnet, weil die Erkenntnis verweigert wird, dass Opfergruppen beliebig austauschbar sind, die Methoden der Ausgrenzung aber gleich bleiben.

      Versteht man – mit der notwendigen Differenzierung – Rassismus gegen ganz unterschiedliche Menschengruppen aufgrund ethnischer, religiöser, sozialer, kultureller Stigmatisierung als Summe der Begründungen von Fremdenfeindlichkeit, als Begründung von Ausgrenzung, Intoleranz und Inhumanität, als Argument zur Rechtfertigung von Gewalt, dann ist evident, dass jede daraus erwachsende Haltung undemokratisch ist.

      Die theoretisch-exakte Definition sowohl des Begriffs Rechtsextremismus als auch seiner Inhalte stößt auf erhebliche Schwierigkeiten. Rechtsextreme Gesinnung und daraus entspringende Bestrebungen – Organisationen, Publikationen, Aktionen – können als politische Erscheinung immer nur annähernd bestimmt werden, da ihr keine allgemein verbindliche, wissenschaftlich entwickelte und systematisch fassbare Ideologie zugrunde liegt. Es gibt nicht einmal eine Übereinkunft, ob „Extremismus“ oder „Radikalismus“ die richtige semantische Kategorie ist, unter der Gesinnung und Aktivitäten der äußersten Rechten einzuordnen wären. Ebenso wenig ist festgelegt, wo rechtspopulistische und demagogische Strömungen in Rechtsextremismus übergehen.


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