Lina und der magische Schmetterling. Kiki Kreuder

Lina und der magische Schmetterling - Kiki Kreuder


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musst ihn tagsüber in die Sonne halten, denn er sammelt die Sonnenstrahlen in sich. Nachts gibt er sie wieder ab und dann leuchtet er.“

      „Oh, vielen Dank!“ Sie nahm ihn und hängte ihn an den Lederbeutel, denn dort sollte er Sonnenstrahlen sammeln.

      Lina drehte sich zu ihrer Mutter Gerta um. „Mein liebes Kind, du wirst mir so sehr fehlen. Auch von mir sollst du etwas bekommen.“ Linas Mutter zog ein kleines Säckchen aus der Tasche. „Das sind Sorgenpüppchen. Hast du schon einmal davon gehört?“ Lina schüttelte den Kopf. „Auf deiner Reise wirst du manchmal alleine sein. Und vielleicht wirst du Sorgen oder Angst haben. Dann erzählst du einfach einem Sorgenpüppchen deine Angst und legst dich schlafen. Am nächsten Morgen hat das Sorgenpüppchen deine Angst von dir genommen. Aber du darfst immer nur einem Püppchen eine Sorge erzählen.“

      Lina nahm die Sorgenpüppchen entgegen und steckte sie in den Lederbeutel. „Danke, Mama“, sagte sie und umarmte sie fest.

      Auch Gregory, der Hufschmied, war gekommen, um sich von ihr zu verabschieden. Er hatte ein schlechtes Gewissen, denn nur durch seinen Vorschlag wurde ein junges Mädchen auf eine gefährliche Reise geschickt. Als Lina sich von Gregory verabschieden wollte, sah er sie ernst an. „Ein so kleines Mädchen soll eine so große Reise machen.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich möchte dir auch etwas mitgeben.“ Er streckte ihr ein kleines Kästchen entgegen und sagte: „Das ist mein magischer Ring. Er warnt dich vor Gefahren. Wenn er rot leuchtet, dann musst du ganz schnell weglaufen!“

      Lina öffnete das Kästchen und fand darin einen Ring, der die Form eines Pferdekopfes und eines Hufeisens hatte. Er war blau. „Danke, lieber Gregory! Diesen Ring werde ich nie verlieren!“ Lina umarmte auch ihn und drehte sich um. „Ich muss nun gehen. Ich werde euch alle sehr vermissen!“

      Sie winkte ein letztes Mal und machte sich auf den Weg. Als sie das Ende des Dorfes erreichte, blickte sie zum Himmel und sah einen wunderschönen, bunten Regenbogen. „Ahh, wie schön“, sagte sie und machte sich auf den Weg in das ferne Land.

      *

      L

      Viele Stunden war Lina bereits gegangen, als es immer dunkler wurde. „Ist es wirklich schon so spät? Ist es schon Abend? Dann muss ich schnell ein Dorf oder eine Hütte finden, in der ich übernachten kann“, sagte sie sich. Der Himmel wurde grauer und es fiel ihr schwer, die weit entfernten Bäume zu erkennen. Da fiel Lina etwas ein: „Ich habe doch Papas Leuchtstern! Er wird mir den Weg weisen!“ Sie zog ihn vom Lederbeutel. Er strahlte hell und deutlich in der mittlerweile düsteren Landschaft.

      Sie ging weiter und hörte plötzlich ein leises Brummen. „Was ist das?“, fragte sie sich. Sie ging weiter und das Brummen wurde lauter. Die Luft veränderte sich und sie stellte fest, dass es in der Luft nach Rauch roch. „Es wird ja noch gar nicht Abend!“, rief sie erstaunt aus. „Das ist ja Rauch! Irgendwo in der Nähe muss ein großes Feuer sein!“ Nach einigen Metern sah sie ein Schild. Sie hob den Leuchtstern und las Dorf der Düsternis.

      „Na, das ist ja mal ein passender Name“, sagte sie sich und ging weiter. Links und rechts konnte sie Häuser erkennen. Die grauen Fassaden waren über und über mit Ruß bedeckt und aus den Schornsteinen qualmte ebenfalls Rauch. Die Fenster waren so schwarz, dass man unmöglich nach draußen gucken konnte.

      Plötzlich rief jemand neben ihr: „Hey, ein Neuankömmling! Ein kleines Mädchen ist in unser Dorf gekommen!“ Lina blieb stehen und sah sich um, konnte aber niemanden sehen. „Hier unten, meine Liebe! Hier unten!“, rief die Stimme erneut. Lina blickte nach unten und sah einen kleinen, grauen Maulwurf mit einer dicken Brille.

      „Nanu, du kannst ja sprechen!“, rief sie überrascht.

      „Aber natürlich kann ich sprechen!“, antwortete der Maulwurf entrüstet. „Alle hier können sprechen.“

      „Warum ist hier so viel Rauch? Alles ist grau und ich kann kaum etwas sehen!“

      „Ja, der Rauch, ich weiß, er ist überall. Ich kann ihn riechen. Aber weißt du, wir Maulwürfe sind blind. Die Düsternis stört uns nicht so sehr. Doch der Rauch, der stinkt ein bisschen.“

      „Ja, in der Tat. Das ist ja kaum auszuhalten!“, sagte Lina und rümpfte die Nase. Plötzlich rumpelte ein großes Ungetüm an ihnen vorbei und hinterließ eine große Rauchwolke. Lina musste husten. „Was war denn das?“, fragte sie entsetzt.

      „Das war ein Auto. Es fährt mit Feuer! Toll, nicht?“

      „Nein, ich finde das ganz und gar nicht toll. Wie könnt ihr denn Auto fahren? Ihr seid doch blind!“, rief sie.

      „Na ja, ich muss zugeben, hier passieren viele Unfälle“, gestand er ein. „Aber manche von uns sind nicht vollkommen blind. Ein paar wenige können ein kleines bisschen sehen. Komm, ich führe dich herum und zeige dir alles.“

      Der Maulwurf nahm Lina an der Hand und führte sie durch das Dorf. „Wir heizen unsere Häuser mit Feuer, wir kochen unser Essen mit Feuer, wir heizen das Wasser mit Feuer, wir machen Licht mit Feuer. Eigentlich machen wir hier alles mit Feuer. Daher auch der viele Rauch“, erklärte er stolz. Lina wusste nicht so recht, was sie davon halten sollte.

      „Na ja, also ich weiß nicht. Ihr braucht dafür sehr viel Holz, nicht wahr?“ Der Maulwurf trat verlegen von einem Fuß auf den anderen. „Aber ihr müsst doch nicht mit Feuer heizen oder mit Feuer Auto fahren oder mit Feuer Licht machen. Mein Leuchtstern braucht ja auch kein Feuer und er leuchtet mir den Weg!“, schimpfte Lina.

      Der Maulwurf drehte sich zu Lina und fragte: „Dein Leuchtstern?“

      „Ja, schau her.“ Lina streckte ihm die Hand entgegen. „Das ist mein Leuchtstern!“, sagte sie stolz. „Er leuchtet mir den Weg, wenn es dunkel ist.“

      „Ich bin blind! Schon vergessen? Kannst du ihn mir in die Hand legen?“ Der Maulwurf tastete vorsichtig über die Spitzen.

      „Er sammelt am Tag die Sonnenstrahlen und am Abend, wenn es dunkel ist, leuchtet er“, erklärte Lina.

      „Das ist ja ... also das ist ja ...“ Der Maulwurf war sprachlos. „Das gibt es ja nicht! So eine tolle Erfindung! Das muss ich sofort unserem Ober-Maulwurf Wuli sagen. Haha!“ Er sprang vor Freude in die Luft.

      Lina begleitete den Maulwurf zum Ober-Maulwurf. Dieser dachte nach und sagte: „Wenn der Leuchtstern Licht machen kann, dann speichert er irgendwie die Energie der Sonne. Lina, weißt du, wie das funktioniert?“ Lina schüttelte den Kopf, darüber hatte sie noch nie so richtig nachgedacht und niemand hatte es ihr erklärt. Der Ober-Maulwurf Wuli runzelte die Stirn, strich mit den Fingern die Zacken entlang und fragte schließlich: „Lina, kannst du uns ein kleines Stück von deinem Leuchtstern überlassen, damit wir herausfinden, aus welchem Material er ist?“

      „Aber natürlich, wenn ich euch helfen kann, gebe ich euch gerne eine Spitze von meinem Stern“, sagte sie strahlend.

      Die Maulwürfe sahen sie dankbar an und Wuli sagte: „Liebe Lina, wie können wir dir nur danken?“

      Lina schaute auf den Boden. „Na ja, also, ich benötige ein Bett zum Schlafen, aber nur für diese Nacht. Morgen muss ich wieder weiter!“, druckste sie rum.

      „Ein Bett sollst du haben. Wir haben sogar ein Haus, in dem es keinen Rauch gibt, aber da ist es ein bisschen kalt“, sagte der Ober-Maulwurf.

      „Das macht nichts“, antwortete Lina. „Hauptsache, ich muss diesen fürchterlichen Gestank nicht länger ertragen!“

      So kam es, dass Lina im Dorf der Düsternis übernachtete. Am nächsten Morgen verabschiedete sie sich und wünschte den Maulwürfen viel Glück für den Bau ihres großen Leuchtsterns. „Komm uns besuchen, wenn du den Schmetterling gefunden hast. Wenn wir einen großen Leuchtstern haben, dann geben wir unserem Dorf einen neuen Namen. Dorf des Lichts!“, rief der Ober-Maulwurf Wuli und winkte ihr nach.

      *


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