FREMDE HEIMAT. Petra E. Jörns

FREMDE HEIMAT - Petra E. Jörns


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Monitor füllte sich mit Daten. Aber da waren keine Angreifer.

      »Bericht«, fauchte Alan in Polas Richtung.

      Das Quäken des Alarms brach ab. Die Stille danach war ohrenbetäubend.

      »Bericht!« Das war Mabutos Stimme.

      »Sir, wir …« Polas Blick irrte von Alan zu Mabuto, der die Brücke hatte.

      Der zweite Offizier stand vor dem Kommandostuhl. In seinem ebenholzfarbenen Gesicht regte sich kein Muskel.

      »Sir?«, wandte sich Alan an ihn.

      Mabuto sah ihn an, als bemerke er erst jetzt, dass Alan auf der Brücke war. Bedächtig wandte er sich seiner Konsole zu. »Brücke an Commander. Mabuto spricht. Commander Delacroix auf die Brücke! Alphacode. Bestätige: Alphacode. Wir haben Kontakt. Eine Nachricht von der Antarctica

      Träumte er etwa schon wieder?

      Die Antarctica war vor der Sydney gesprungen. Sie konnte es geschafft haben. Himmel, das war zu schön, um wahr zu sein.

      »Mister McBride, versuchen Sie den Ursprungsort des Signals zu ermitteln!«

      Yael tippte einige Befehlssequenzen ein und ein Wust von Daten erschien auf Alans Monitor. Seine Finger krampften sich immer noch um das Notepad. Es fiel ihm schwer, die Finger zu lösen, damit er es in die Tasche stecken konnte.

      Später, mahnte er sich. Aber sie hatten Kontakt zur Antarctica. Vielleicht brauchten sie die Krail-on gar nicht mehr. Warum freute er sich dann nicht?

      Seine Finger glitten langsam aus seiner Tasche, während er die Zahlen auf dem Monitor überflog. Die Struktur, die ihnen zugrunde lag, sprang ihn nahezu an. Zwei Befehle und er hatte die Daten neu angeordnet.

      Besser. Aber das war eine bezugslose Hyperfunksendung. Wieso sagte der Zwei-O, sie hätten Kontakt? Das war Unfug. Das war nichts. Gar nichts. Nur ein Schrei ins All in der Hoffnung, dass ihn jemand hörte. Selbst wenn die Sydney mit größtmöglicher Geschwindigkeit an den Ursprungsort des Signals flog, konnte die Antarctica schon wieder ganz woanders sein, bis sie sie erreichten. Warum tat Admiral Nishimura das? Die Irhog konnten doch mithören. Warum verriet er sich ihnen? Was sollte das?

      »Wir leben noch. Ihr seid nicht allein.« Das wollte er ihnen damit sagen. Der Sydney und all den anderen, die das Massaker überlebt hatten. Nishimura riskierte sein Schiff und all die Leben darauf, um ihnen das zu sagen.

      Das war Irrsinn. Oder reine Verzweiflung. Aber Nishimura war der beste Stratege der Flotte. Es musste ein Sinn darin liegen, dieses Risiko einzugehen.

      Keine Zeit dafür. Er musste sich auf die Daten konzentrieren. Ein paar Suchalgorithmen, ein paar Permutationen und er hatte den Ursprungsort des Signals. Mit ein paar Befehlen stülpte Alan eine Sprungmatrix darüber und ermittelte die Kursvektoren.

      Der Rand des Pferdekopfnebels hinter dem Krail-on-Raum. Alan starrte auf sein Ergebnis.

      Das ergab Sinn. Der Admiral hatte die gleiche Idee wie er gehabt. Der Nebel störte die Sensoren gewaltig und machte das Aufspüren selbst dann schwierig, wenn man wusste, wo man suchen musste, und die Krail-on waren gutes Kanonenfutter, um die Irhog von der kleineren Beute abzulenken. Dort konnte man die verbliebenen Schiffe sammeln und unterwegs Proviant und Energiereserven aufnehmen, um dann das weitere Vorgehen zu planen. Und jetzt rief Nishimura seine Schäfchen zusammen.

      »Die Antarctica! Die Antarctica. Das ist unglaublich!« Dean packte Alan an den Schultern und schüttelte ihn. Außer Atem und mit erhitztem Gesicht hielt er inne. Seine Augen strahlten. »Ich könnte dich küssen!«

      Sie waren unterwegs zum Besprechungsraum, wohin der Commander alle Offiziere gebeten hatte, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Ein Crewman, der vor ihnen den Gang entlang eilte, warf einen Blick zurück, bevor er um eine Ecke verschwand.

      »Lass das!« Mit einem Ruck befreite sich Alan aus Deans Griff. Ihre Schritte hallten auf dem Stahlblech des Bodens wider.

      Dean deutete im Laufen einen Schlag gegen Alans Nieren an, doch Alan blockte ihn ab. »Ich sagte, lass das.«

      »Was ist los mit dir? Freust du dich nicht? Wir sind gerettet. Die Antarctica ist ein Trägerschiff. Die haben jede Menge Platz an Bord, Lebensmittel, Medikamente, Energiereserven …«

      »Träum weiter!« Alan blieb stehen. »Bist du so naiv oder tust du nur so?«

      »Wie meinst du das?« Das Feuer in Deans dunklen Augen erlosch.

      Er war ein Idiot! Dean konnte nichts für ihre Situation. Es war nicht fair, wenn er seine Wut an ihm ausließ. »Tut mir leid«, murmelte Alan und ging weiter.

      Aber Dean verbaute ihm den Weg. »Wie meinst du das? Los! Wenn du mehr weißt als ich, dann erklär es mir!«

      Deans Blick war nicht zu ertragen. Alan starrte an Dean vorbei den Gang entlang und dann auf den Stahlboden.

      »Alan, ich bitte dich …«

      »Du hast die Flüchtlinge vergessen. Die Trägerschiffe wurden vor dem Kampf im Solsystem damit beauftragt, so viele Menschen wie möglich aufzunehmen. Ich kenne die Daten. Die Antarctica war die Erste, die damals gesprungen ist. Wahrscheinlich konnte sie deshalb entkommen. Es würde mich nicht einmal wundern, wenn die Antarctica nicht allein ist.« Bestimmt hatte Nishimura schon ein paar Schäfchen eingesammelt.

      »Und du meinst, die Flüchtlinge …«

      »Die Antarctica dürfte mit all den Flüchtlingen an Bord ihre Versorgungskapazitäten weit überschritten haben. Ich befürchte, dass sie schlimmer dastehen als wir. Nein, sie können eigentlich nur überlebt haben, wenn sie irgendwo Proviant und Energiereserven aufnehmen konnten. Da bin ich sicher.«

      »Du meinst, sie haben die Krail-on kontaktiert? So, wie du es dem Commander vorschlagen wolltest?«

      »Nein.« Alan schüttelte den Kopf. »Die Antarctica ist ein Trägerschiff. Sie hat wesentlich mehr Feuerkraft als die Sydney. Für sie dürfte es ein Leichtes gewesen sein, einen unserer Versorgungsstützpunkte von den Irhog zu erobern. Im Gegensatz zu uns. Wir können von Glück sagen, dass wir dem Hinterhalt bei Delta-Neun entkommen sind.« Die Worte schmeckten bitter.

      »Und wo ist dann das Problem? Ich meine, wenn wir uns der Antarctica anschließen, können wir doch auch von ihrer Feuerkraft profitieren und von ihren Reserven. Du sagst doch selbst, dass sie Reserven haben müssen, weil sie sonst mit den Flüchtlingen an Bord schon längst am Ende wären.«

      »Dean, der Ursprungsort des Signals lag jenseits des Pferdekopfnebels. Wenn wir dorthin fliegen, dann sind unsere Energiereserven am Ende. Dann ist es aus. Vorbei. Finito. Verstehst du?«

      »Ja, aber dann haben wir doch die Antarctica …«

      »Und wenn sie nicht mehr da ist? Glaubst du im Ernst, die warten auf uns, damit die Irhog kommen und sie eliminieren können?«

      Deans Gesicht wurde starr. »Ich verstehe«, murmelte er.

      »Es tut mir leid.« Wofür entschuldigte er sich? Etwa dafür, die Wahrheit gesagt zu haben?

      »Dann sind wir trotzdem am Arsch«, sagte Dean bitter.

      »Es gibt immer noch die andere Möglichkeit.«

      »Die Krail-on?«

      Alan nickte.

      »… Rückzug … befehle allen … sich unter … sammeln … wiederhole … allen … Erdstreitkräften und zivilen … sammeln … Gegenschlag …«

      Die ruhige Stimme schaffte es kaum, das Rauschen zu durchdringen. Aber sie gehörte unverkennbar Admiral Nishimura.

      Alan erinnerte sich an ihn: ein untersetzter Japaner mit ergrauten Schläfen und kantigem Kinn. Genauso ruhig hatte Nishimuras Stimme geklungen, als dieser ihm


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