Adventslektüre. Sonja Oetting

Adventslektüre - Sonja Oetting


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stimmte in das Gelächter ein.

      »Das ist ein unfreundliches und furchtbar gemeines grünes Wesen, das Weihnachten nicht mag«, antwortete Kerstin. »Und weil er Weihnachten nicht mag, sollen auch alle anderen keine Freude daran empfinden. Er spielt den Menschen unfaire Streiche, um ihnen das Weihnachtsfest zu vermiesen. Aber egal, wie doll er sich auch anstrengt, er schafft es nicht. Und am Ende hat er dann doch sogar selber Spaß an Weihnachten. Also ganz der Papa!«

      »Papa, der Grinch, Papa, der Grinch!«, sangen Ben und Emma im Chor.

      »Seht ihr, Papa wird schon ganz grün«, setzte Kerstin hinzu, woraufhin alle drei lachten.

      »Ich glaube eher, dass Papa rot wird«, sagte Ben und zeigte auf seinen Vater.

      »Jetzt ist aber mal gut!« Michael bemühte sich, ernst zu bleiben. »Wieso verbündet ihr Gauner euch immer gegen mich? Und warum tust du eigentlich so, Kerstin, als ob dir dieser Weihnachtszirkus Spaß macht? Du bist ja auch nicht gerade der traditionelle Weihnachtstyp.« Michael freute sich über die Retourkutsche. »Es geht mir ja nicht nur um die Aktivitäten, sondern auch um den Stress, den du dabei verbreitest.«

      »Was soll das denn jetzt heißen? Ich bin eben berufstätig und habe nicht so viel Zeit.« Das war Kerstins Standardantwort, wenn ihr bewusst wurde, dass sie keine Vorzeigehausfrau und Bilderbuchmutti war.

      »Genau, und wenn du die Zeit hättest, würdest du zum Weihnachtsengel mutieren, oder was? Einigen wir uns einfach darauf, dass es in diesem Jahr mal nach meinen Vorstellungen läuft. Was meint ihr dazu? Dann ist der Grinch zufrieden«, schlug Michael vor.

      »Oh, nach deinen Vorstellungen … und welche wären das, außer so zu tun, als wäre nicht Weihnachten?«, fragte Kerstin und wusste ganz genau, dass sie sich auf dünnem Eis bewegte.

      Michael atmete tief aus. »Ich möchte, dass wir nur die Dinge tun, zu denen wir auch wirklich Lust haben, und uns dabei keinen Stress machen. Keine Verpflichtungen, um es anderen recht zu machen. Das ist doch wohl nicht zu viel verlangt!«

      »Müssen denn wir alle vier Lust dazu haben, oder reicht eine Mehrheitsentscheidung?«, fragte Kerstin und blickte Ben und Emma mit einem verschmitzten Lachen an.

      Michael schien den Köder zu riechen und versuchte es mit einem Frontalangriff: »Ben und Emma, möchtet ihr Weihnachten Oma Trudi, Opa Horst, Großtante Ursula und die anderen Verwandten besuchen? Lange Autofahrten und stundenlang beim Essen sitzen? Erst vom Tisch aufstehen und spielen dürfen, wenn alle fertig sind?« Michael zeigte sich bereits absolut siegessicher.

      Die Kinder zögerten.

      »Und natürlich ganz viele tolle Weihnachtsgeschenke bekommen«, legte Kerstin nach.

      »Oh ja, oh ja!« Ben und Emma waren sich einig.

      »Du spielst mit unfairen Mitteln«, sagte Michael. »Ich sehe schon, das wird hier doch wieder nix. Aber wir werden ja sehen, wie begeistert du die Vorweihnachtszeit verbringen wirst, meine liebste Gattin.«

      Ben und Emma kugelten sich vor Lachen. »Der Grinch ist beleidigt, weil er wieder mal verloren hat«, stichelte Ben, und diesmal lachten alle gemeinsam.

      »Schön, dann hätten wir das ja geklärt.« Kerstin ging auf Michael zu, umarmte ihn und gab ihm einen riesigen Schmatzer auf die Wange. »Und wer hat jetzt Lust, den Film vom Grinch zu schauen?«

      »Oh ja!« Die Kinder jubelten. Emma kannte den Film zwar nicht, jubelte aber trotzdem. So wie eigentlich immer, wenn es um einen Film ging.

      So wurde der Abend doch wieder zu einem gemütlichen Familienabend, und das war doch genau das, was Michael wollte.

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      3.

       Der Nachbar und das Rentier

      »Hast du das schon gesehen?«, fragte Michael und betrat das Haus mit großen, stampfenden Schritten.

      »Nein, was denn?«, fragte Kerstin.

      »Na da drüben, die Weihnachtsbeleuchtung bei den Meyers.« Michael zeigte auf das gegenüberliegende Haus. »Das wird auch jedes Jahr mehr bei denen. Das macht Harald nur, um mich zu provozieren.«

      »Ist mir noch gar nicht aufgefallen. Wo denn?«

      »Na gleich da drüben!« Michael zeigte mit ausgestrecktem Arm auf die offenstehende Haustür.

      »Ach, Schatz. Lass dich davon doch nicht so stressen! Wie war das noch gleich? Ruhe und Besinnlichkeit? Atme einfach tief durch.« Kerstin stellte sich vor Michael und strich ihm über die Schultern. »Oder musst du jetzt auch gleich wieder was Neues kaufen?«

      »Was soll das denn heißen?«

      »Na ja, im letzten Jahr war es ja auch so. Irgendwie kannst du es nicht auf dir sitzen lassen, wenn Harald Meyer mehr zu bieten hat als du. Also in Sachen Weihnachtsbeleuchtung.«

      Ihr Zwinkern konnte Michael nicht aufheitern.

      Sie wollte ihn mit dem Spruch eigentlich nur ein wenig triezen, hatte aber voll ins Schwarze getroffen.

      »Schön, dass du das lustig findest«, antwortete er.

      »Ach, jetzt spiel hier nicht die beleidigte Leberwurst! Vor ein paar Jahren habe ich nur dir zuliebe zugestimmt, dass du diesen komisch leuchtenden Hirsch mit Schlitten im Vorgarten aufstellen darfst. Ich mag dieses kitschige Zeug nun mal nicht. Und was ist seitdem daraus geworden? Mittlerweile haben wir einen Weihnachtsmann, einen Weihnachtsbaum, drei Elfen und diese irre blinkenden Sterne, die eher einen epileptischen Anfall verursachen, als Weihnachtsstimmung zu erzeugen. Jetzt reicht es langsam!«

      »Ein Rentier«, antwortete Michael.

      »Bitte?«, fragte Kerstin verwirrt.

      »Es ist ein Rentier und kein Hirsch.«

      »Du meine Güte, dann eben ein Rentier. Wir haben jedenfalls definitiv keinen Platz mehr für ein weiteres Leuchtspektakel im Garten.« Kerstin wollte sich gerade umdrehen, als Michael ihr widersprach: »Seit wann hast du das denn alleine zu entscheiden? Das ist auch mein Garten, in dem definitiv genug Platz wäre. Außerdem war ich der Erste in der Nachbarschaft, der überhaupt eine Weihnachtsbeleuchtung aufgestellt hat. Harald hat es mir nachgemacht und versucht seitdem, mich zu übertrumpfen. Er hat mit diesem Wettstreit angefangen, nicht ich. Du weißt gar nicht, wie unangenehm er sich manchmal verhält.«

      »Ach herrje, du armes Opfer! Hörst du dir eigentlich selber zu? Du hättest diesen Wettstreit ja nicht eingehen müssen. Du klingst wie ein kleines Kind. Da ist Ben ja vernünftiger.«

      »Schön, dass du immer bei allem so reflektiert bist. Aber es hat jetzt keinen Zweck, mit dir darüber zu diskutieren. Du willst das gar nicht verstehen. Ich bringe jetzt die Weihnachtsbeleuchtung an, die wir haben, und dann sehen wir weiter.« Ohne ein weiteres Wort verließ er das Haus.

      Kerstin war genervt. Nein, sie verstand es nicht. Und ja, sie wollte es auch nicht verstehen. Harald war zwar etwas merkwürdig, aber in diesem Fall übertrieb Michael. Harald war eher der ruhige, beobachtende Typ.

      Dieses Gehabe sah Michael überhaupt nicht ähnlich. Den heutigen Samstag hatte sie sich jedenfalls anders vorgestellt. Als Familie.

      Nach dieser Ansage war es allerdings sinnvoller, alleine mit den Kindern Pläne zu schmieden. Michael würde in den folgenden Stunden beschäftigt sein.

      Als sie aus dem Fenster schaute, sah sie, wie Ben draußen um seinen Vater herumwuselte. Er war auch ganz verrückt nach diesem Kitsch. Dann würde sie heute wohl etwas mit Emma alleine unternehmen. Kerstin nahm sich vor, das Thema Weihnachtsbeleuchtung für den heutigen Tag abzuhaken.

      Etwa drei Stunden später kamen Emma und sie aus dem Schwimmbad zurück, wo sie riesigen Spaß hatten. Emma machte gewaltige Fortschritte beim Schwimmen lernen.

      Kerstin hatte währenddessen den Trubel zu Hause fast


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