Red Dirt Heart: Sengende Erde. N.R. Walker

Red Dirt Heart: Sengende Erde - N.R. Walker


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      Ich wusste nicht, ob er wirklich der Meinung war, Ma und ich müssten reden oder ob ihm aufgefallen war, wie blass Ma aussah, aber es war eine gute Idee.

      Und sie widersprach nicht.

      Rückblickend hätte mir genau das, dieser fehlende Widerspruch, sagen müssen, dass etwas nicht stimmte.

      Aber ich war zu sehr mit den Kartons beschäftigt, die sie im Dachstuhl gefunden hatten, um es zu bemerken. Der Karton meiner Kindheitserinnerungen und der winzige Funke Hoffnung – das Interview, das vielleicht, nur vielleicht bewies, dass mich mein Vater nicht so hasste, wie ich gedacht hatte – bestimmten mein Vorgehen.

      Ma setzte sich neben mich und ich öffnete den zweiten Karton. Er war kleiner und leichter als der erste und als ich ihn öffnete, wusste ich, warum.

      Nur ein Album lag darin.

      Ein kleines Sammelalbum. Das war alles. Ich fragte mich, warum es in einem extra Karton lag, wenn sonst nichts weiter drin war. Ich nahm das Album und stellte den Karton ab, als ein paar Zeitungsausschnitte auf den Boden segelten.

      Ich hob sie auf, es waren vielleicht sechs oder sieben, und öffnete das Album. Keiner der Artikel war eingeklebt, als wäre meinem Dad die Zeit ausgegangen oder als wäre er nicht sicher gewesen, was er damit machen sollte.

      Ich legte das Album zwischen mich und Ma und öffnete den ersten gefalteten Ausschnitt. Das Papier war alt, vergilbt und trocken. Es war ein Artikel von einer Grundschule in Darwin, bei dem es um eine Ausstellung ging. Die Namen und Hinweise sagten mir nichts.

      Ich nahm einen weiteren kleinen Ausschnitt. Es war ein Foto aus der Zeitung, auf dem einige Kinder Fußball spielten. Ich konnte keine Gesichter erkennen, aber sie mussten fünf oder sechs Jahre alt sein.

      Wieder, nichts.

      Ich reichte ihn Ma, dann nahm ich einen weiteren. Kleiner, älter. Es war eine Geburtsanzeige.

      Samuel Jennings, geboren am 4. März 1983. Mutter und Sohn sind wohlauf.

      Ich las ihn. Und las ihn erneut.

      Ich hatte keine Ahnung, wer das war oder warum mein Vater es aufgehoben hatte.

      Stirnrunzelnd reichte ich Ma das vergilbte Stück Zeitung. »Ich kenne niemanden mit dem Nachnamen Jennings.«

      Das war der Moment, in dem ich Ma wirklich ansah. Also wirklich ansah. Sie war blass, blasser als jemals zuvor und die dunklen Ringe unter ihren Augen stachen hervor. Ihre Atmung kam schnell und abgehackt und als ich ihre Hand nahm, war sie klamm.

      Ich nahm ihr den Zeitungsausschnitt ab, nahm ihre andere Hand und zog sie auf die Füße. »Ins Bett mit dir«, sagte ich. »Versuch nicht, mit mir zu diskutieren.«

      Und sie tat es nicht.

      Es war sehr untypisch für sie, aber sie nickte. »Ich fühle mich nicht gut.«

      Ich führte sie in ihr Zimmer, an der Küche vorbei, wo Travis unterbrach, was er gerade tat, und uns folgte. »Alles in Ordnung?«, fragte er.

      »Ma geht's gut«, antwortete ich, während ich sie noch immer langsam zu ihrem Schlafzimmer im hinteren Teil des Hauses führte. »Sie braucht nur etwas Ruhe.«

      »Danke«, sagte Ma schwach. »Ich will nicht, dass sich jemand Sorgen macht.«

      Wir kamen bei ihrem Bett an und ich schlug die Decke zurück, während ich darauf wartete, dass sie hineinkrabbelte. »Wie wäre es, wenn du es uns zur Abwechslung überlässt, uns Sorgen zu machen?«, sagte ich. »Ich mach dir etwas Zitronentee und bring dir ein paar Panadol, ja?«

      Sie nickte und ich verließ das Zimmer. In der Küche stieß Travis zu mir. »Charlie?«

      »Ich mache ihr Tee«, sagte ich.

      »Hat sie etwas aufgewühlt?«, fragte er. »Was war in dem zweiten Karton? Ich weiß, dass es ihr nicht gut ging, aber…«

      Ich schüttelte den Kopf. »Sie war schon eine Weile nicht mehr sie selbst. Seit Wochen. Erinnerst du dich, dass sie diese Erkältung hatte?«, fragte ich. »Da fing es an.«

      Ich hatte irgendwie vergessen, dass Nara mit uns in der Küche war. »Mr. Sutton«, sagte sie leise und reichte mir eine Tasse Zitronentee. »Ich hab ihn ein wenig für sie abgekühlt, wie sie es mag.«

      »Danke«, sagte ich. Nara lächelte schüchtern und widmete sich wieder der Vorbereitung des Mittagessens. »Nara? Hast du bei Ma eine Veränderung bemerkt?«

      Das Mädchen sah zu mir auf, als hätte es Angst zu antworten. Doch dann nickte sie. »Sie wird sehr müde.«

      Travis legte eine Hand auf meine Schulter. »Charlie, als Scott gestern hier war, hat er dasselbe gesagt.«

      »Was?«

      »Er hat zu mir gesagt, dass ihm nicht klar war, wie schlecht es Mrs. Brown ging. Er sagte, dass er sie das letzte Mal vor drei Jahren hier gesehen hätte, bei der Beerdigung deines Vaters.« Travis schluckte schwer.

      »Und?«

      »Und er sagte nur, dass es ein kleiner Schock war, sie so dünn und blass zu sehen.«

      Und so dachte ich zurück, wie Scott es getan hatte und erst, als ich mich an die Ma von vor ein paar Jahren oder auch nur ein paar Monaten erinnerte, wurde mir klar, dass sie wirklich nicht sehr gut aussah.

      Und ich hätte mich selbst treten können, weil ich so verdammt blind gewesen war.

      Vielleicht war es nur eine Erkältung, wie sie sagte, aber sie war blass und sah müde aus. Sie war ruhiger als sonst und aß kaum etwas. Viele ihrer Teetassen blieben unberührt. Sie war so beschäftigt damit, sich um alle anderen Sorgen zu machen und wir so beschäftigt damit, das zuzulassen, dass ich es nicht einmal bemerkt hatte.

      In dem Moment schlug die Fliegengittertür zu und ich erkannte am Klang der Schritte, wer es war. »George«, rief ich.

      Er kam in die Küche und in seinen Augen blitzte etwas auf, das ich nicht erkannte. Ob es die Tatsache war, dass Ma nicht in der Küche war, oder der Ausdruck auf meinem Gesicht, wusste ich nicht.

      »Wo ist Ma?«

      »Sie ist im Bett«, sagte ich. »George, wahrscheinlich geht es mich nichts an, aber ich glaube nicht, dass sich Ma so gut fühlt. Und damit meine ich nicht, dass sie ein wenig krank ist, ich meine, dass es ihr nicht gut geht.«

      Ich erwartete viel Überraschung oder einen Schock, stattdessen sah er zu Boden und seufzte. »Es geht ihr schon eine Weile nicht gut.«

      Mein Körper bewegte sich wie von allein einen Schritt auf ihn zu. »Was hat sie gesagt?«

      Er zuckte mit den Schultern. »Sie ist gut darin, es zu verbergen.«

      »Warum hat sie nicht früher etwas gesagt?«, fragte ich leise. »Zu mir, meine ich. Ich hätte sie dazu zwingen können, sich freizunehmen, sich auszuruhen oder so was.«

      »Du kennst sie doch, Junge. Sie ist dickköpfig und stolz. Wollte nicht, dass sich jemand Sorgen macht.«

      »Ich rufe den Arzt«, sagte ich.

      George lächelte und schüttelte den Kopf. »Das sage ich schon seit zwei Wochen. Sie hat mir jedes Mal körperliche Schmerzen angedroht.«

      »George, sie ist nie krank«, sagte ich, als würde ich ihm etwas erzählen, das er nicht bereits wusste. »Solange ich sie kenne, war sie noch nie so.«

      »Ich weiß«, sagte er traurig. Er versuchte zu lächeln, aber es funktionierte nicht. »Und sie sagt, dass es nur eine Erkältung oder Grippe oder so was ist. Der Winter hat ihr schwer zugesetzt, aber sie sagt, dass sie in ein oder zwei Tagen wieder auf dem Damm ist.«

      Ob er etwas wiederholte, was Ma ein Dutzend Mal gesagt hatte, oder ob er versuchte, sich selbst zu überzeugen, konnte ich nicht sagen. Ich schüttelte den Kopf. »Das hat sie vor zwei Wochen zu mir gesagt, als Trav und ich nach Alice gefahren sind.«

      George nickte. »Ich weiß, Charlie.«


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