Plötzlich Prinzgemahl. Regina Mars

Plötzlich Prinzgemahl - Regina Mars


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waren strahlend blau wie ein Sommerhimmel, seine Haare glänzend schwarz wie Onyx und seine Haut so köstlich karamellfarben wie Milchkaffee. Diesen Ton verdankte er seiner Mutter, die aus dem Nördlichen Wüstenreich gekommen war. Seiner verstorbenen Mutter. Er schenkte seinem Spiegelbild ein huldvolles Lächeln, bevor er sich daran machte, sich anzukleiden.

      Er streifte das seidene Unterhemd über, dann das hauchdünne Kettenhemd aus Duranit. Dieses, obwohl kaum dicker als die Seide auf seiner Haut, würde ein mittelgroßes, mittelscharfes Messer abwehren.

      Blieb zu hoffen, dass ihn niemand mit einem großen, scharfen Messer angriff.

      Die zahlreichen kleinen Knöpfe des Mantels, eines traditionellen Ghars, zu schließen, erforderte Geduld, die der Thronerbe nur zähneknirschend aufbrachte. Aber ließe er sich von einem Diener ankleiden, bestünde die Gefahr, dass dieser Diener ihn umbrachte. So war es seinem Bruder Theolan ergangen.

      In einer Lache dunklen Blutes hatten sie ihn gefunden, den stammelnden Diener mit dem Messer in der Hand über sich. Der Mann war natürlich über die Klippe gesprungen für sein Verbrechen. Aber seine Familie hatte vermutlich bis an ihr Lebensende genug zu essen gehabt. Der Adel hielt seine Versprechen, vor allem, wenn er Mörder bezahlte.

      Theolan war erst sieben Jahre alt gewesen.

      Solan streifte die Hose über, deren verschlungenes Muster türkisfarbene Steppenblumen darstellte. Diese Blumen wuchsen auf der großen Ebene, über die Solans Vorfahren jahrhundertelang gezogen waren, bevor sie sich schließlich im Felsenreich niedergelassen hatten. Hier, im blauen Schloss, direkt am Meer.

      Es hatte zwölf Näherinnen über einen Monat gekostet, die Seidenstickerei herzustellen. Nun, nicht zu wenig Aufwand, wenn man bedachte, dass ihre Farben mit Solans wunderschönen Augen konkurrieren mussten. Er streifte die mit Federn besetzten Stiefel aus weichem Otterleder über und verbarg scharfe Dolche in beiden sowie in seinen Ärmeln. Dann war er fertig. Fast. Mit einem Seufzen legte er einen Samtschal zusammen und stopfte ihn unter den Mantel. Nun sah es so aus, als hätte er, trotz seines ansonsten perfekten Körpers, ein Bäuchlein. Unwillig verzog er das Gesicht. Aber was sein musste …

      »Raga, meinst du, dieser Anzug wird mir gerecht? Oder ist er doch einen Hauch zu nüchtern?«, fragte er und trat hinter dem Paravent hervor.

      Raga, seine alte Amme, betrachtete ihn mürrisch. Sie saß mit überkreuzten Beinen auf Solans ozeangroßem Himmelbett und rauchte. Mit einem schmatzenden Geräusch entließ sie den länglichen Pfeifenstiel aus ihrem Mund.

      »Passt«, schnarrte sie.

      »Musst du den ganzen Raum mit dem Qualm verpesten?« Solan sah sie streng an. Aber das hatte, wie üblich, keine Wirkung auf die Frau die ihn großgezogen hatte. Gelbliche Zähne erschienen, als sie ihn angrinste.

      »Muss meine Nerven beruhigen, kaiserliche Hoheit.« Sie hustete. Als sie wieder sprach, wurde ihre Stimme zu einem ironischen Zwitschern. »Gleich beginnt doch der große Frühlingsball.«

      Wie ein junges Mädel klimperte sie mit den Wimpern. Dabei waren ihre Wimpern so weiß wie ihr Haar, das in drei dünnen Zöpfen bis zu ihrer Taille herunterhing.

      Solan grinste zurück.

      »Hast du vor, dir einen Kerl anzulachen, Raga? Ich habe gehört, heute wären viele begehrte Junggesellen anwesend. Nicht so begehrt wie ich natürlich.«

      »Natürlich.« Sie verdrehte die Augen. »Pass auf, dass dich keine schöne Dame bezirzt. Das könnte dich von deinem Spiegelbild ablenken.«

      »So schön kann keine Dame sein.« Solan streifte einen winzigen Fussel von seinem Ärmel. »Und du musst dir keine Sorgen machen, denn ich habe nicht vor, zu heiraten. Keine andere könnte deinen Platz in meinem Herzen füllen.«

      »Ui.« Raga schien noch eine Spitzfindigkeit loswerden zu wollen, aber ihr Blick wurde unvermittelt ernst. Sie räusperte sich. »Du wirst heiraten, ob du willst oder nicht.«

      »Wie bitte?« Solan sah sie misstrauisch an. »Wie meinst du das?«

      »Du bist jetzt achtzehn und damit im heiratsfähigen Alter. Erinnere dich, deine Mutter war erst vierzehn, als sie den Kaiser heiratete. Eigentlich war das illegal, aber für Ihre Majestät gelten andere Gesetze. Schon immer.«

      »Ja, das tun sie wohl.«

      Für einen Moment sank Solans Herz. Er atmete tief ein, um sein Gesicht mit der üblichen Arroganz zu füllen. Raga sah ihn streng an. Selbst hier, allein in seinem Schlafzimmer mit seiner engsten Vertrauten, durfte er seine Maske nicht fallen lassen. Das hatte sie ihm eingeschärft.

      »Es gibt Pläne«, sagte sie. Ihre Miene verdüsterte sich. »Du sollst mit Tudans Nichte verheiratet werden.«

      »Mit Tudans Nichte?« Solan legte den Kopf schief. Kratzte sich am Kinn. »Sie ist hübsch, aber neben mir wird sie doch recht gewöhnlich aussehen.«

      »Du weißt, was ich meine.«

      »Dass sie eine Mörderin in mein Schlafzimmer schleusen wollen? Natürlich weiß ich das.« Er ballte die linke Hand zur Faust. »Langsam fragen sie sich wohl, warum das unfähigste seiner Kinder immer noch lebt. Warum sie es nicht geschafft haben, mich zu töten, so wie all die anderen.«

      »Es konnte nicht ewig gutgehen«, murmelte sie. »Irgendwann mussten sie Verdacht schöpfen. Ab sofort wird es schwerer werden, die Anschläge abzuwehren.«

      »Das schaffe ich schon«, sagte Solan und lächelte. »Schließlich bin ich so klug wie schön, und solange ich dich an meiner Seite habe …«

      »Ich werde nicht ewig an deiner Seite sein.« Ihre hellen Äuglein durchbohrten ihn. »Falls du es nicht bemerkt hast: Ich bin scheißalt.«

      »Ist mir nicht aufgefallen«, log er. »Du bist doch frisch wie der Morgentau. Man würde dich höchstens auf sechsundzwanzig schätzen. Siebenundzwanzig, maximal.«

      Raga rieb ihre faltigen Nasenflügel.

      »Danke für das windige Kompliment, aber wir werden handeln müssen. Wir haben nicht mehr viel Zeit. Du weißt, was zu tun ist.«

      »Ja.« Seine Schultern sanken. »Aber … ich denke immer noch, dass es eine bessere Lösung gibt, als«, er senkte die Stimme, »meinen Vater zu töten.«

      »Wenn es eine gibt, dann nenn sie mir.« Auch Raga wurde leiser. »Er wird dich nicht am Leben lassen. Du bist jetzt achtzehn Jahre alt. Sollte dein Vater sterben, wärst du direkt an der Macht.«

      »Aber ich kann doch nicht einfach meinen Vater umbringen«, murmelte Solan. Er fühlte sich wie ein kleiner Junge, der ausgescholten wurde.

      »Er hat deine Mutter töten lassen, falls du’s vergessen hast.« Ragas Stimme war stahlhart.

      »Hat er nicht. Das war … Tudan, vermutlich.«

      »Tudan, der die Drecksarbeit für deinen Vater erledigt, seit sie Knirpse waren.« Raga seufzte. Sie hob die runzligen Hände in einer Geste des Aufgebens. »Aber gut, dann zögert das Prinzlein eben weiter das Unvermeidbare hinaus. Steht ja nur sein Leben auf dem Spiel. Tu wenigstens was gegen deine Heirat.«

      »Kein Problem, ich weigere mich einfach«, sagte Solan, wohl wissend, dass es nicht so einfach war.

      »Das Wort des Kaisers ist Befehl«, sagte Raga. »Und er wird dir befehlen, das Mädel zu heiraten. Das Einzige, was du tun kannst, ist, ihm zuvorzukommen.«

      »Was? Wie?« Er musterte Raga. Ein ungutes Gefühl breitete sich in seinem Magen aus.

      »Indem du eine Andere heiratest.«

      »Auf gar keinen Fall!«, rief er. Er reckte sich, so dass er hoch über der winzigen Alten aufragte. »Niemals, hörst du?«

      »Junge.« Sie seufzte. »Sei doch vernünftig. Wenn der Kaiser dir befiehlt, zu heiraten, musst du es tun. Aber falls du bereits verheiratet bist, wenn er es dir befiehlt, kann er nichts machen. Die Ehe ist ein heiliger Bund, die kann nicht mal der Kaiser beenden.«

      »Doch,


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