Du machst mich wahnsinnig. Gabriele Kuhn

Du machst mich wahnsinnig - Gabriele Kuhn


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würden wir zu ewigem Zuckerwatteschlecken verdammt werden, nur weil wir uns irgendwann nach einer rosafarbenen Zuckerwattewolke gesehnt haben.

      Die große Kunst des Paarseins ist es, an der Zeit zu wachsen – abseits idealisierter Vorstellungen. Erst wenn zwei Menschen es schaffen, trotz immergleicher Kleinigkeiten, Rituale, Pflichten und damit verbundener immergleicher Diskussionen, eine gemeinsame Abbiegespur zu entdecken, die irgendwo hinführt, wo es anders, lustiger, schräger, ruhiger oder aber aufregender ist, wird’s spannend.

      Besonders lustig fanden wir folgenden Ratschlag: »Sprechen Sie abends vorm Einschlafen miteinander über das, was Sie am Tag erlebt haben. Rufen Sie sich schöne, gemeinsame Erfahrungen ins Gedächtnis. Diese positiven Gedanken versüßen Ihnen nicht nur die Träume der kommenden Nacht, sondern auch die gemeinsame Zukunft.« Sehr lustig. Es muss in der Tat extrem beziehungsfördernd sein, wenn er ihr im Halbschlaf die sehr lange Geschichte von der sehr langen Schlange beim Supermarkt erzählt und … gähn. Oder sie ihm die ausufernde Anekdote zum Thema »Als ich auszog, um tanken zu gehen, aber den Tankdeckel auf dem Auto liegen ließ« schildert. Dass das der Stoff ist, aus dem die »gemeinsame Zukunft« gebastelt werden kann – na ja.

      Unser Zugang zum Thema »Alltagsfalle« ist um einiges schlichter. Immer wenn einer von uns beiden Fluchttendenzen verspürt, halten wir uns an folgendem Klospruch fest: »Derselbe Zirkus – andere Clowns.« Und umgekehrt: »Dieselben Clowns, anderer Zirkus.« Woanders und mit jemandem »Neuen« mag’s zwar kurzfristig aufregender sein – aber spätestens nach einem Jahr sind sie wieder da, die bekannten und nicht bewältigten Themen. Deshalb bleiben wir, versuchen uns lieber an neuen Zirkusnummern und lachen über so manch misslungenen Trapezakt.

      Wegräumen, aber dalli!

      SIEZu den Mysterien meines Alltags gehören seine Socken. Manchmal träume ich, sie leben, haben eine Seele und stecken mit meinem Mann unter einer Decke. Im Auftrag seiner Majestät machen sie sich auf perfide Weise unsichtbar oder trennen sich. Speziell in der Waschmaschine: Ich gebe acht Stück hinein – um am Ende des Waschgangs festzustellen: Es sind nur mehr vier. Vier, die nicht zusammenpassen. Die andere Hälfte feiert irgendwo ein Weichspüler-Gelage.

      Oder aber sie liegen herum. Im Bad. Im Wohnzimmer. In der Küche. Dann raunen sie dreckig: Räum! Mich! Weg! Ich raune zurück: Ich! Sicher! Nicht! Die Harmonie kippt, die Socken kichern. Und mein Mann kann wieder einmal sagen: »Worüber du dich aufregst. Lä-cher-lich. Socken! Jetzt fehlt nur noch, dass du mit ihnen sprichst.« Doch wehe, er sucht »dieses bestimmte Paar« für »diesen bestimmten Anlass« und findet es nicht innerhalb von Hundertstelsekunden. Ein Amoklauf beginnt. Das, was er da von sich gibt, hätte ich ja verraten, wurde aber von der Schlussredaktion zensuriert. Ein Kollege meint, dass das gemeinsame Zusammenleben in einer Wohnung der Tod jeder Beziehung sei. Falsch. Ich glaube, es sind die Socken. Sie stehen im Kleingedruckten meines Eheversprechens, kaum lesbar. Ergänzt durch die Gugelhupfbröseln auf meinem – Betonung auf meinem – Lieblingssofa. Den zum Zeitungsarchiv (Halt, das profil aus dem Jahr 1999 brauch ich noch!) degradierten Esstisch. All die auf dem Parkett verwaisten Hemden, die immer noch nicht gelernt haben, sich alleine zu waschen. Und was tut er? Er sagt: »Baby, wir sind schon ein tolles Team.« Team, jo eh. Sein Codewort für »Lass doch die Mutti hackeln«. Im nächsten Leben werde ich seine Socke. Dann lass ich mich verschwinden.

      ERMeine Frau hat ein stetes Problem damit, wenn etwas herumliegt. Einmal abgesehen von den eigenen Taschentüchern, die aber offenbar eine Botschaft haben: Wohin auch immer du schaust, wirst du bemerken, dass es mir wegen eines Schnupfens nicht gut geht. Ansonsten kann ein Sockenpaar auf dem Boden oder eine Zeitung auf dem Esstisch für erstaunlichen Furor sorgen. Der nur noch übertroffen wird, wenn es gilt, den wahren Skandal lautstark zu beklagen. Denn manchmal, ich gebe es zu, passiert mir ein Hausordnungslapsus, der seinesgleichen sucht: Ich! Lasse! Zwei! Paar! Schuhe! Herumstehen!

      Warum diese unfassbare Schlamperei das ästhetische Auge meiner Frau so beleidigt, hat sich mir nie erschlossen, ich weiß nur: Ich muss ein Traummann sein, wenn nur ein nicht weggeräumter Schuh drückt. Gerne habe ich diesbezüglich die fast rituellen, präzise formulierten Vorwürfe. 1. Der leichte Hang zur Übertreibung: »Muss es sein, dass alle deine Schuhe (Anm.: zwei Paar) überall in der Gegend (Anm.: im Vorzimmer) herumstehen?« 2. Der Hinweis auf die akute Gefährdung von Leib und Seele: »Wenn man da nicht aufpasst, fliegt man über deine Schuhe und bricht sich das G’nack.« In Folge gibt es zwei Arten, mit der prekären Situation umzugehen. 1. Eine Diskussion eröffnen. Die endet aber meistens mit einer leicht kalkulierbaren, von beiden verursachten Immer-Inflation – immer machst du, immer sagst du, immer glaubst du … Ist also kaum zielführend. 2. Die Erfahrung einer langjährigen Ehe nützen und in der Sekunde ein Paar Schuhe wegräumen. Bestenfalls begleitet von einem Null- oder einem süffisanten Kurzkommentar. Ist sinnvoll, wirkt beruhigend. Und die Revanche glückt ohnehin: Warte nur auf meinen nächsten Schnupfen.

      Wer suchet, der findet … nicht

      SIEAn einem sonnigen Sonntag war ich gut aufgelegt – nach Vergleich aller Wochenhoroskope in allen Zeitungen des In- und Auslands. Ich las, dass die vor mir liegenden Tage formidabel sein würden. Vor allem die Liebe (ich bin Sternzeichen Schütze, der Mann da drüben ist es auch) betreffend. Demnach würde mich der wohltuende Einfluss einer milden Venus einlullen. Noch dienstags versicherte mir die Kurier-Astrologin: »Der Liebeshimmel ist blau, keine Störung in Sicht.« Das schien allerdings nicht für den Schützen nebenan zu gelten. Bei dem stand der Saturn gerade im Quadrat zu seiner Intelligenz. Das wiederum führte dazu, dass die Woche bei mir doch nicht so eine gute Woche geworden ist. Und zwar ab Dienstagabend. Da fragte mich Herzkönig, wo denn seine Bankomatkarte sei. Nun, ich bin schon erwachsen und habe eine eigene Karte, folglich: keine Ahnung. Eine fieberhafte Suche begann, untermalt von seinem »Verdammt, was mache ich jetzt?«. Die ganze Familie war auf den Beinen, sogar der Hund wurde mit einem »Suchs Karti, such doch das Karti!« animiert. Wir überlegten die Anmietung eines Fahndungshubschraubers.

      Nach zwei Stunden hatte ich die Idee, noch einmal in seinem Börserl nachzusehen – und oha: Das Karti steckte gut eingewickelt in der Rechnung einer Pizzeria, neben Visitenkarten von Menschen, die vor drei, vier Jahren zur letzten Ruhe gebettet worden sind. Da wurde ich laut: »Das ist die vierte sinnlose Suche in zwei Wochen – erst deine Sportjacke (fand sich bei den Sportjacken), dann der Pass (fand sich bei den Pässen), dann die Haube (fand sich bei – ja, genau …) und jetzt die depperte Karte. Wie wär’s mit Denken? Oder einer Brille?« Ab diesem Zeitpunkt verlief die Woche durchwachsen – vermutlich hatte ich einen überraschenden Marstransit und er was mit Neptun. Der lässt immer alles verschwinden und keiner ist daran schuld.

      ERJa, es kommt vor, dass ich gelegentlich etwas nicht finde. Zum Beispiel die Butter, die sich im Kühlschrank hinter ca. zwölf Bechern selbst gemachten Dinkelpops-Joghurts versteckt. Oder die Zeitung, die im Papiermist liegt, wo sie ga!ran!tiert! niemand hinbefördert hat. Aber dass ich mich als sporadisch Suchender just vor meiner Frau rechtfertigen muss, fällt wohl in die Kategorie »Ganz schlechter Witz«. Erst unlängst ereignete sich Folgendes: Wir bummelten an einem sonnigen Tag durch die Stadt, als die Liebste meinte, telefonieren zu müssen. Sofort begann das obligatorische Vier-Phasen-Ritual. Phase 1: Sie kramt während des Gehens in ihrer Handtasche und findet das Handy nicht. Phase 2: Sie bleibt abrupt stehen, kramt und findet das Handy nicht. Phase 3: Sie stellt die Handtasche auf eine Fläche (diesfalls ein Mauervorsprung), kramt und findet das Handy nicht. Phase 4: Sie leert die Handtasche Stück für Stück aus (sagenhaft, was da zum Vorschein kommt) und findet das Handy nicht. Stattdessen hat sie eine Idee. Sie muss es im Kaffeehaus, wo wir zuvor waren, liegen gelassen haben.

      Was tut der Kavalier (nachdem er das auf, eh klar, stumm geschaltete Gerät angerufen hat)? Richtig: Er läuft. Aber leider war der Sprint in der Mittagssonne vergeblich. Auch der Ober bestätigt: Kein Handy da. Ich jogge zurück, um meiner Frau die Hiobsbotschaft zu übermitteln und … werde mit den Worten empfangen: »Sorry, aber ich hab’s eh schon gefunden. Es war in einem Seitenfach.« Oh ja, das Leben ist ein Seitenfach. Und die (stets übergroße) weibliche Handtasche, in der sich alles befindet, das nie gefunden werden will, zählt sicher zu den größten Rätseln seit dem Bau der Pyramiden. Das Gute an


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