Du machst mich wahnsinnig. Gabriele Kuhn

Du machst mich wahnsinnig - Gabriele Kuhn


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las ich seine Live-vom-Komolka-Postings auf Facebook: »Achtung, eine Durchsage: Der kleine Michi sucht den Ausgang. « Da tat mir der kleine Michi fast ein bissi leid.

      ERPflichtenteilung, eh klar. Ich habe einst, als die Kindfrage im Raum stand, diesbezüglich keine Sekunde gezögert und eingewilligt. Natürlich nicht ahnend, dass im imaginären Kleingedruckten auch allerlei heimtückische Formulierungen standen. Wie: »Muss in seiner Rolle als Mann & Papa auch Demütigung ertragen.« Und dabei meine ich nicht die üblichen Tätigkeiten, die etwa ein Karenzvater zu erledigen hat, wie das Wechseln der Windeln, das Zubereiten von Püree-Potpourris oder das Pflegen eines sprachlichen Minimalismus.

      Nein, die wahren Hürden taten sich im Laufe der Jahre immer dann auf, wenn ich mich öffentlich quasi entmannen musste. Ich wollte doch immer der sein, der im Supermarkt die Frage stellt, wo er die besten Klingen für die Nassrasur findet. Und was das T-Bone-Steak denn kostet. Und nicht der, der sich im Biomarkt nach dem Weg zum Dinkelreis erkundigt. Und im Park Fachgespräche über Babywinde führt. Aber ich habe mich auch daran gewöhnt. Und dass es mich nervt, wenn auf dem Einkaufszettel Dinge wie Abschminktücher oder Hartweizengrieß stehen, liegt lediglich daran, dass ich immer so lange brauche, bis ich das Zeug endlich finde. Aber alles hat Grenzen. Und ein Besuch beim angeblich legendären Komolka war ein Anschlag auf meine Würde. Meine Frau täuschte Gastgeber-Notwendigkeiten vor und erwiderte auf meine Proteste nur ein lapidares »Jetzt stell dich nicht so an!«. Ich musste mich aber dann anstellen. Nämlich um im Stoffgeschäft, das sich über geschätzte 13 Haupt- und 21 Zubehör- Etagen erstreckt, an eine rettende Verkäuferin zu gelangen. Nie habe ich mich so verloren gefühlt. Denn bis dato wusste ich gar nicht, dass es Polyesternähseide gibt. In mir tobte nur eine Frage: Warum? In der folgenden Nacht habe ich dann von Stoffballen geträumt. Und dass ich als Quilt wiedergeboren werde. Selbstverständlich in Rosa gehalten.

      Gebäckträger & Ignorantin

      SIELänger und vor allem glücklich verheiratet zu sein, fällt für mich in die Rubrik »Kunst-Fehler«. Es ist eine Kunst, die Fehler des Partners ertragen zu lernen und die eigenen elegant zu vertuschen. Ehefrauenpsychologie, ich weiß. Aber die hilft. Weiters hilft es auch, manches zu übersehen. Übersehen ist überleben. Speziell am Wochenende. Wochenende ist die Auszeit vom 6.30-Uhr-Terror, von diesem »Ich bin spät dran«-Wahnsinn. Das Blöde: Irgendwer muss Frühstück holen. Ich verkauf ’ mich für frische Kipferln und knusprige Semmerln. Aber ich stehe sicher nicht dafür auf.

      Das fällt in seine Agenda, befand ich eines Tages. Seitdem habe ich es mir angeeignet, seine Heute-gehst-du-aber-Frühstück- holen-Signale zu übersehen. Das ist harte Arbeit. Stellen Sie sich vor, wir liegen im Bett – er sagt: »Ein Kornspitz wäre jetzt super, aber es ist draußen so kalt.« Das garniert er mit diesem Ich-bin-so-arm-Blick nach Art des Kettenhundes. Die Übersehen-Strategie ist hier äußerst hilfreich, heißt: Ja nicht auf die Mitleidstour eingehen, sondern Belangloses parlieren: »Ich muss unbedingt zum Osteopathen.« Dazu passend ein gestresster Unterton, der signalisiert: »Die Frau ist genervt und streitlustig.« Mein Mann ist ein Streitvermeider – also: kluger Schachzug.

      Nach weiteren halbherzigen Versuchen, die Semmelholerei zu umschiffen, steht er auf. Ab sofort ist großes, geradezu sehr großes Übersehen angesagt: Ich ignoriere seine Alles-muss-immer-ich-machen-Körpersprache, sein gerötetes Haupt, das auf unterdrückte Wut schließen lässt. Ich ignoriere sein Gemurmle im Stile von »Jeden-Sonntag-dasselbe «. Ich übersehe auch, dass er mir – vom Ausflug zurückgekehrt – die Backware auf den Esstisch knallt. Was soll’s? Ein guter Tag beginnt mit der richtigen Strategie. Man muss ja nicht immer reden. Endlich Wochenende!

      ERZugegeben: Der rituelle Semmerlbesorgungsterror am Wochenende nervt. Und es nervt, dass mein Genervtsein übergangen wird. Aber ich habe mich mit meiner Rolle als Gebäckträger der Familie abgefunden. Und ich bin zur Rache bereit. Ich ignoriere nämlich beharrlich jenen Unruhegeist, der meine Frau (nach dem Aufstehen!!!) beherrscht. Wenn ich auf dem Sofa liege, um Zeitungen zu lesen oder das knifflige Rätsel aus dem Zeit-Magazin zu lösen, dann entgeht mir natürlich nicht ihr Erledigungsfuror – ein Treiben, das meinen Augenwinkel irritiert. Soll so sein, mag man denken. Jede, wie sie mag. Aber gleichzeitig kommentiert sie auch jeden Handgriff. Ächzend. Anklagend. Sie kehrt beispielsweise die Wohnung und würzt diese Tätigkeit mit ausufernden Erklärungen, dass es ein Wahnsinn sei, wie viel Dreck »da so« entsteht. Da ich aber eh schon beim Bäcker war, ruht mein Gewissen sanft. Ich weiß: Sie will jetzt nicht, dass ich kehre. Sie will, dass ich irgendetwas »Nützliches« tue. Aus Solidarität. Tue ich aber justament nicht. Daher lässt sie subtil die nächsten Versuche folgen. Phase 1, die grundsätzlich neutrale Bemerkung: »Unglaublich, so viele Algen im Biotop. « Phase 2, die Annäherung mit der »man«-Taktik: »Im Badezimmer sollte man zwei Lamperln austauschen.« Phase 3, die sanfte »du«-Erinnerung: »Wolltest du nicht heute Holz kaufen?«

      Die Gemeinsamkeit der Anläufe ist das Ansinnen, mich zu einem Tun zu bewegen, ohne es direkt zu sagen. Ein schlichtes »Mach ich« würde die Situation augenblicklich befrieden. Mach ich aber nicht. Das ist zwar gemein, aber notwendig. Ihr letzter Ausweg ist … Phase 4, die konkrete Anrede: »Könntest du bitte den Mist rausbringen, der stinkt.« Darauf antworte ich dann gerne mit »gleich«. Man gönnt sich ja sonst nix.

      Der Pokal muss weg – oder: das große Loslassen

      SIEEines Tages zog unsere Kolumne um, wir wechselten Ort und Zeit. Und erschienen von da an immer wieder sonntags. Dabei erzeugt nur der Gedanke an Umzug Panik in mir. Lieber fünf Wimmerln, als einmal mit dem Mann nebenan von da nach dort gehen. Der ist ein Bewahrer. Den muss man sogar zum Loslassen von 1980er-Slips überreden. Dann landen sie erst im Umzugskarton. Beim letzten Ausmist-Prozedere dieser Art stieß ich auf einen Koffer. Schwarz und schwer. Ich dachte: Aha, der Mann führt ein Doppelleben und da drin sind die Beweismittel. Pornos, russischer Pass, Damenstrümpfe.

      Zittrig und darauf vorbereitet, dass sich mein Leben gerade ändern könnte, öffnete ich ihn. Was sah ich? Nix Pornos, nix Pässe. Stattdessen offerierten sich mir Pokale, Medaillen und Urkunden. »Michi Hufnagl, geboren 1970, 3. Platz beim Sackhüpfen, 1975. Weiter so!« Ich finde das Sammeln solcher Siegesbeweise total blöd – wir sind ja nicht Steffi Graf und Andre Agassi. Noch blöder finde ich es, wenn Menschen ihre lächerlichen Trophäen für irgendwelche Pimperlturniere in Glaskästen oder auf ihren Klos ausstellen. Wen interessiert’s, ob der Herr Huber oder die Frau Mayer irgendwann Bezirksmeister im Weitspucken waren? Aber: Herzkönig hätte gerne so eine Vitrine gehabt – Motto: Das ist die Chronik meiner großen Momente – das gehört gesehen. Hallo? Du bist ja nicht der Karli Schranz. Umziehen bedeutet loslassen, sagte ich mir also damals in der Koffer-Causa und boykottierte entschlossen seine Sammelwut. Die Zeugnisse seines Tollseins landeten im Schlund eines Plastiksacks, um auf der Deponie für Egomanien entsorgt zu werden. Das war vor zehn Jahren. Das Schöne daran: Er hat’s bis heute nicht bemerkt. Geht doch, Schatzi.

      ERVeränderung ist immer eine Herausforderung. Und wenn es nur eine Kolumne ist, die in die Sonntagszeitung, die ja besonders gern gestohl… also … gelesen wird, übersiedelt. Aber Melancholie befällt uns doch alle, wenn wir an Vergangenes denken. Nun ist es zwar so, dass der Montag auf der Hitliste der Bevölkerung eher nicht unter den Top-6 der Wochentage rangiert, aber: Abschied ist Abschied. Und ein solcher fällt manchen eben leichter als anderen. Ich bin grundsätzlich kein manischer Sammler, aber ich erliege beim Aufbewahren von Dingen dennoch zwei wesentlichen Gedanken. 1. Wer weiß, wofür ich das noch einmal brauche? Das mag beim gebrauchten Pinselset aus der Volksschulzeit ein fragwürdiger Ansatz sein. Aber wenn ich dann eines Tages aus 68 Angeboten am Kabelsalat-Buffet das einzig richtige finde, darf ich mir familiärer Hoch-Rufe sicher sein. 2. Ich habe das Recht, selbst zu entscheiden, welche Puzzlesteine meines Lebens ihren Fixplatz im Keller behalten. Denn in Wahrheit ist es ja bei Ausmist-Diskussionen so: Wir trennen uns sehr leicht von Dingen, die anderen gehören. Ich hätte die 127 kg schwere Briefesammlung meiner Frau längst schon entsorgt. Oder deren Ordner mit Abrechnungen aus der Zeit des Vierteltelefons. Aber dann heißt es natürlich: »Bist du verrückt!?«

      Sie hingegen befindet, dass der Pokal vom Jugendskirennen 1985 hässlich und unnötig ist. Hässlich stimmt, weil


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