Du machst mich wahnsinnig. Gabriele Kuhn

Du machst mich wahnsinnig - Gabriele Kuhn


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      ERNur so nebenbei: Als ich vom Refrigerator Dating Expert las, musste ich spontan an Michael Spindelegger denken. Der hatte sich vor der Wahl bei den ORF-Konfrontationen bekanntlich mit dem Satz »Bei uns daheim bin ich der Herr des Kühlschranks« sein Platzerl in den Anekdotenbüchern der österreichischen Politik gesichert. Welche Rückschlüsse John Stonehill vom Eiskasten des Vizekanzlers auf dessen Liebesfähigkeit ziehen würde, mag ich mir aber lieber nicht ausmalen.

      Was ich hingegen sehr wohl weiß: Der Text nebenan strotzt vor Pointenhascherei. Denn wenn ich etwas sicher nicht bin und nie sein werde, dann ist es Finanzminister und folglich Herr des Kühlschranks. Im Gegenteil. Meine Ingredienzien zum kleinen kulinarischen Depotglück reduzieren sich in Wahrheit tatsächlich auf ein paar Würsteln oder ein Viertel Wassermelone. Der Rest ist: ihres. Vom Dinkeljoghurt bis zum Kapernglas, von der Kokosmilch bis zum Sojadrink, vom Gemüse über das Gemüse bis zum Gemüse. So, wie auch die Kleiderkästen des gemeinsamen Domizils in erster Linie dazu dienen, das Reich meiner Herzkönigin zu repräsentieren, während ich quasi in kleine Regalreservate verdrängt werde und für jeden zusätzlichen Kleiderbügel ein untertänig formuliertes Gesuch verfassen muss. So, wie auch die Unterlagen auf, neben und unter dem Schreibtisch, die Magazine im Zeitungskorb oder der Firlefanz in den Krimskrams-Laden keine Zweifel daran lassen, wer sich als Doyenne der Verteilungsgerechtigkeit fühlt. In Anbetracht unserer Verhältnisse würde der Dating-Experte vermutlich sofort zwei Fragen stellen: 1. »Was, hier lebt auch ein Mann?« Und 2. »Bitte, wie macht er das?« Und ich würde ihm nur antworten: Die große Kunst der Liebe ist es, irgendwann das Dinkeljoghurt nicht mehr zu sehen.

      Da hängt etwas!

      SIE»Warum hängt des scho wieder?« Als der Mann nebenan das flucht, steht er an seinem Lieblingsplatz in unserer Wohnung: vor dem offenen Geschirrspüler. Wo er versucht, meine Ordnung in seine Ordnung zu verwandeln, dabei Messer, Gabel, Teller und Töpfe neu arrangiert. Bei dieser beliebten Tätigkeit scheint sich irgendwo etwas verheddert zu haben. Ich verlasse schulterzuckend und stumm lächelnd den Ort des Geschehens, nicht ohne mir bewusst zu werden, dass der Satz »Warum hängt des scho wieder?« eine ganz besondere Symbolkraft im Leben meines Herzkönigs hat. Er ist lebensbestimmend. »Warum hängt des scho wieder?« überschattet als verbale Metapher sein Sein. Es hängt … der Husten, der just ihn in so einer Unerbittlichkeit erwischt hat, dass er seit gefühlten hundert Tagen leidet. Nicht nur. Er lässt gerne (mit)leiden – mich, die Mama, den Hund. Und 2000 Facebook-Freunde.

      Es hängt … ihm meine Art, den Geschirrspüler einzuräumen, seit gefühlten 25 Ehejahren (wir sind allerdings erst seit neun Jahren verheiratet) beim Hals heraus, sodass es fast täglich zu seinen Terroreinsätzen im Dienste der perfekten Ordnung kommt. So als gäbe es irgendwo einen Oberen Teller-Gerichtshof. Es hängt …, wo er Bastelhand anlegt. Das selbst bei so schlichten Tätigkeiten wie Bildaufhängen. Weil: das hängt dann nämlich eher nicht und wenn, dann: schief. Es hängt … das Bild im Laptop, exakt dann, wenn er parallel zur deutschen Bundesliga die spanische Bundesliga anschauen möchte. Und dann hängt auch der Haussegen schief, weil ich in diesen Momenten immer nachfrage, ob ich allenfalls noch ein drittes Gerät anschleppen darf, wo er die fantastischen Hattricks der süditalienischen Unterliga mitverfolgen könnte. Kann sein, dass Sie sich jetzt fragen, wie es mir sonst so geht. Ganz einfach: Das hängt nicht von mir ab.

      ERDer Tragikomödie »Scheidungsgrund Geschirrspüler « will ich nicht wieder eine Bühne bieten. Ich habe gerade erst eine hartnäckige Verkühlung überwunden und muss mich schonen. Was ich aber grundsätzlich anmerken kann, ist die Tatsache, dass ich mich über Kleinigkeiten a) sehr, b) kurz, aber c) für alle gut hörbar ärgern kann. Na und? So ein »Das darf doch nicht wahr sein, verdammter Schas« baut Stress ab. Den ich eben entwickle, wenn mir auf einer Leiter stehend die Schraube nicht nur aus der Hand fällt, sondern danach auch garantiert so unter das Sofa kullert, dass die Rückeroberung nur auf dem Bauch liegend stattfinden kann. Das adäquate Fluchen schenkt meiner hungrigen Frau Kolumnen-Nahrung.

      Nun ist es aber keineswegs so, dass die Dame da drüben stets vom Kwan Yin, dem lichtvollen Strahl der Gelassenheit, durchflutet ist. Nein, sie lebt Zorn nur anders. Meistens in drei Phasen. Zuerst verschwindet sie. Wortlos. Um sich irgendeiner Sache zu widmen. Nach längerer Zeit registriere ich die Stille und suche sie. Um sie etwa beim Computer zu entdecken, wie sie sich mit tiefen Denkfurchen auf der Stirn in einer iCloud verliert. Fragen wie »Was, herrje, tust du hier seit Stunden?« beantwortet sie mit Stammeln im Stil von »Nein … ich versuche … aber … das ist so … hm … warum … pff …«. Dieser Geisteszustand bedeutet: Lassen! Unbedingt lassen! Wissend, dass sie mir Stunden später nach Ablauf ihres Pitbull-Seins ohnehin die Story eines Problems, für das ich bereits nach 15 Minuten den Techniker engagiert hätte, erzählen wird. In einem wütenden Monolog zum Thema »Da hängt etwas«. Ich verstehe dann meistens nix und denke: Lieber räum’ ich fluchend den Geschirrspüler um.

      Der Mann am Herd

      SIENicht einmal eine Eierspeise, vielleicht ein Paar Würstel. Das war, was der Mann nebenan kochen konnte, als ich ihn kennenlernte. Relativ rasch befand ich: So. Sicher. Nicht. Seine Kochkarriere begann dann mit Hirse-Ziegenmilchbrei, den er während seines Vaterkarenzjahres unserer kleinen Tochter zubereitete. Mit den Jahren erweiterte sich das Repertoire – heute halten wir bei folgender Menükarte: Reisfleisch, Schweinefilet im Speckmantel, Tomatensuppe aus der Dose, Butterbrot, überbackene Schinkenfleckerln, Boeuf Stroganoff.

      Prekär wird’s, wenn der gute Mann ein kulinarisches Drängen verspürt und findet, es wäre Zeit für etwas Neues. Dann sucht er stundenlang mit dem Zeigefinger in den Kochbuchlandkarten unseres Haushalts – der Jamie Oliver in ihm hungert nach einem Drei-Hauberl-Essen. In dessen Vorfeld es streng verboten ist, die Küche zu betreten. Was insofern blöd ist, als wir Bewohner einer offenen Küche sind, mit direktem Anschluss an den Wohnbereich. Heißt: Wenn er kocht, wird der Rest der Familie in die Schlaf- oder Arbeitsräume verbannt und muss warten, bis ein »Es ist angerichtet!« durch die Räume hallt. Was sehr, sehr lange dauern kann. Und was auch nicht ganz ohne meine niederen Dienste abläuft. Denn zwischendurch kommt er immer wieder extrem empört und nervös zu mir, um sich über Begriffe wie »anschwitzen«, »bähen«, »reduzieren«, »montieren« oder »parieren« zu outrieren. Beziehungsweise höre ich im Viertelstundentakt: »Scheiße, das wird nix, das wird nix, das wird nix.« Ich entgegne dann stets gelassen: »Warum suchst du dir eigentlich immer so wahnsinnig komplizierte Sachen aus? Schuster, bleib bei deinem Reisfleisch.« Erst als unlängst ein Rezept den Einsatz einer Flotten Lotte und eines Spätzlehobels verlangte, hatten wir es endlich wieder einmal richtig lustig.

      ERGut essen ist mir mit Sicherheit eines der größten Vergnügen. Kochen hingegen nicht. Und zwar gar nicht. Daher bewundere ich leidenschaftliche und kreative Köche auch so viel mehr als alle anderen Künstler auf der Welt. Der Grund, warum ich mich dennoch regelmäßig dem Stress der Nahrungszubereitung hingebe, ist meine Ehefrau. Ich habe nämlich einst diese 50:50-Sache (fahr-)lässig abgenickt. Vermutlich in der Glückseligkeit nach einem 27-Gänge-Menü mit Weinbegleitung. Heißt: Ich habe Jahr für Jahr mein alltagstaugliches Repertoire um eine weitere Messerspitze an Ideen gewürzt. Was gar nicht so leicht ist. Denn für jemanden, der auf jede Betriebsanleitung mit allergischen Schocks reagiert (ist nur mit Beiried und Bier wieder in den Griff zu kriegen), sind auch die simpelsten Rezepte eine Herausforderung an Geist und Geduld.

      Meine Frau ist dabei wenig hilfreich. Denn als wäre die Kochsprache nicht schon mühsam genug (von »Verwenden Sie am besten einen Spezialschöpfer zum Degraissieren« bis »Die Sauce bitte unbedingt langsam legieren«), macht auch sie mir als Informantin das Zubereitungsleben schwer. Und zwar durch fehlende Präzision. Ich hantiere (und fluche) zwar ohnehin als Vierhauben-Eremit vor mich hin, aber gelegentlich begehre ich doch Auskunft von Madame »Le-goût-c’est-moi«. Vorzugsweise nach Mengenangaben. Dann höre ich von ihr aber lediglich Tipps wie »Ach, nur a bisserl« oder »Na, schon eher mehr«. Am liebsten habe ich »Musst halt schauen, nach Gefühl«. Wichtig dabei: Der genervte Unterton muss vor dem Servieren immer leicht angeschwitzt werden.

      Die Last der Liste

      SIEEinfacher


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