Werwölfe Sammelband. Kayla Gabriel
Er blickte jetzt in ihre Richtung.
“Heyyyyyy …” rief sie und war sich überaus bewusst, wie rot sie gerade wurde.
“Willst du dich setzen?” fragte Ben und deutete mit der Hand auf die Sofalandschaft im Wohnzimmer. Aurelia fielen sofort seine Hände auf. Lange, schlanke Finger mit prominenten Venen an seinen Händen und Handgelenken. Sie war ein totaler Fan von sexy Unterarmen, der Sorte, die man nur bei dünneren Typen wie Ben vorfand.
“Ich, äh, wollte nicht stören. Du siehst beschäftigt aus,” sprach Aurelia hastig. Sie riss ihre Augen von seinen Händen los, nur um seine wohlgeformten Wangenknochen und seine geistreichen Ozeanaugen zu finden, die sich hinter seiner modischen transparent-schwarzen Brille verbargen.
Sie war dabei ihn anzuglotzen. Verdammt, scheinbar konnte sie sogar noch stärker erröten!
“Du störst nicht,” entgegnete er und zog eine Augenbraue hoch, als sie ihn so unverblümt musterte. Er warf ihrem spärlichen Outfit einen kurzen Blick zu, ersparte ihr zum Glück aber einen Kommentar.
“Oh, ist schon in Ordnung. Ich wollte mich vor die Glotze setzen, also gehe ich besser nach oben,” sprach sie.
“Ach, komm schon,” beharrte er. “Ich brauche sowieso eine Pause. Ich arbeite seit drei Uhr morgens.”
“Äh, na schön,” sprach Aurelia und fluchte über ihren Mangel an Schlagfertigkeit. Sie wählte die Couch neben ihm und ließ sich nieder. Ihren Snack stellte sie auf einen Tisch.
“So so, vor die Glotze setzen, hä?” fragte er.
Aurelia lächelte verhalten und schätzte seine Bemühung, das Ganze mit etwas Smalltalk aufzulockern.
“Ja. Ich habe gehofft, dass heute vielleicht auf Bravo ein geiler Reality-Marathon läuft,” räumte sie achselzuckend ein.
Ben nickte, klappte seinen Laptop zu und setzte sich auf. Aurelia bemerkte seine einfache schwarze Jeans und sein enges T-Shirt mit der Aufschrift “The Magnetic Fields”. Sie mochte diese Band!
“Ich kann die Kanäle auch mit meinem Handy wechseln,” erklärte er und wedelte mit seinem Telefon in Richtung des kolossalen Fernsehers. Das Gerät erwachte zum Leben und wenig später hatte er Bravo eingeschaltet.
“Hey, sie zeigen gerade Millionaire Matchmaker,” sprach er und grinste.
“Du kennst diese Show?” fragte Aurelia und versuchte kein dummes Gesicht zu machen.
“Ja klar. Ich mag schlechtes Fernsehen genau wie jeder andere.” Er zuckte die Achseln. “Ich hab’ noch etwas zu tun, während mein Code kompiliert wird.”
“Klar doch,” erwiderte Aurelia. Was Wölfe anbelangte, so waren die Rüden normalerweise zu neunzig Prozent arrogante Angeber. Es ging ihnen immer nur um Macht und Dominanz und darum, das Gesicht zu wahren. Sie hatte noch nie einen Rüden getroffen, der so leicht zugeben würde, dass er so ein dummes Laster hatte.
Als sich das Schweigen in die Länge zog, wurde Aurelia klar, dass sie sich etwas mehr Mühe geben sollte. Ben war nett und er war süß und es könnte nicht schaden neben Lucas noch einen weiteren Verbündeten hier im Haus zu haben.
“Möchtest du einen Cupcake?” fragte sie und bot ihm den Teller an. “Ich habe sie eben gebacken.”
Bens Gesicht strahlte sofort auf. Mit seinem längeren Haar, seinen babyblauen Augen und der begeisterten Miene wirkte er jünger, als er eigentlich war. Aurelias Wölfin ahnte, dass er Anfang dreißig sein musste, aber in diesem Moment hätte er auch als Teenager durchgehen können. Es war irgendwie herzerweichend.
“Au ja, Mann. Ich habe sie seit einer Stunde gerochen. Ich wollte mich aber nicht aufdrängen,” entgegnete er.
“Warte, du wusstest, dass ich hier unten war?” quietschte sie.
“Ähm, ja schon. Du hast abgerockt und bist herumgetanzt und hast etwas gebacken, das köstlich riecht. Ich wäre ein mieser Wolf, wenn ich das alles irgendwie verpasst hätte,” sprach er und grinste.
“Verdammt,” fluchte sie und rümpfte die Nase. “Ich hatte gehofft, du hättest wenigstens mein Getanze verpasst.”
“Es kommt nicht gerade oft vor, dass hier heiße Frauen in Höschen rumlaufen. Was es zum perfekten Ort macht, um ungestört zu arbeiten, aber nicht besonders lebendig. Ich freue mich, dass du hier bist,” sprach er und seine Augen blitzten schelmisch.
“Es ist ziemlich still und einsam hier, oder? Bestimmt hört man sein Echo.” erwiderte Aurelia, nahm sich den anderen Cupcake und pulte die Papierhülle ab.
Ben nickte mit vollem Mund. Eine Minute lang aßen sie schweigend, ihre Blicke waren auf den Fernseher gerichtet. Das Schweigen war jetzt aber weniger unbehaglich. Komfortabler.
“Woran arbeitest du so?” wollte Aurelia wissen, als ihr Blick auf seinen Laptop fiel.
“Ähm … ich starte ein neues Softwareprojekt. Eine Art Web-Intelligenz. Das hört sich wahrscheinlich langweilig an.” Ben kratzte sich etwas verlegen am Ohr.
“Was für eine Art Web-Intelligenz? Quellsammlung oder Datenanalyse?” fragte Aurelia. Ihre Neugierde war sofort geweckt.
Ben blinzelte überrascht.
“Ähm, beides,” entgegnete er und schüttelte den Kopf. “Ich möchte ein System entwickeln, das alles aus einer Hand bietet. Etwas, das Massenüberwachungsdaten generiert, aber mit einer Funktion, die die Quellen vollständig anonymisiert. Wenn wir ihnen eine bessere Möglichkeit anbieten könnten, dann könnten wir die NSA möglicherweise dazu bringen, nicht länger auf den gesamten Informationsfluss zuzugreifen.”
“Ganz zu schweigen vom Profit, den so ein bürgerfreundliches Programm abwerfen würde,” äußerte Aurelia beeindruckt.
“Au ja,” sprach Ben und blickte zu ihr. “Genau. Lucas glaubt, es könnte eine Menge Potenzial haben.”
“Hm, eine geniale Idee. Wie soll die Datengewinnung vonstattengehen?”
“Auf alle möglichen Wege. Hauptsächlich über Web Crawler. Websites, soziale Medien, alles worauf wir zugreifen können. Das System verarbeitet jeden Tag Billionen von Daten, im Grunde suchen wir nach Mustern und nach Anomalien. Verhaltensänderungen werden bereits vom System zur Kenntnis genommen. Wenn bestimmte Muster erfüllt sind, stellt das System eine Liste von Verdachtsmomenten auf. Wir legen die Parameter fest und lassen es einfach für uns arbeiten.”
“Was ist dann der Unterschied zum aktuellen System?” fragte Aurelia herausfordernd. Sie mochte das Leuchten in seinen Augen, wenn er von seiner Arbeit sprach. Der Look stand ihm definitiv gut, urteilte sie.
“Wir entfernen die Identifizierungsmarker der Daten, sobald sie in unser System gelangen. Wir sind neutral, weil Daten neutral sind,” sagte er, lehnte sich zurück und stützte den Kopf in die Hand. Der dichte Muskel seines Bizeps wölbte sich und lenkte Aurelia wieder ab.
“Äh …” sprach sie und brachte ihre Gedanken wieder auf den Punkt. “Wie weit seit ihr jetzt genau mit diesem Projekt”
“Ich habe ein kleines Systemmodell entwickelt. Ich habe den ganzen letzten Monat daran gearbeitet. Im Grunde bin ich fertig damit, es muss nur tonnenweise Daten durchsuchen, damit ich die Filter prüfen und das Parametersystem verfeinern kann. Ich habe es die ganze Nacht im Auge behalten,” beendete er verlegen.
“Ich … ich glaube, das ist das Projekt, für das Lucas mich hergeholt hat,” sprach Aurelia aufgeregt.
“Warte, du machst Datenanalyse?” sprach Ben. Er klang unsicher.
“Deine andauernde Verwunderung beleidigt mich langsam,” sprach Aurelia und warf ihm einen eindringlichen Blick zu.
“Tut mir leid. Es ist nur, du weißt schon …” Er verstummte.
“Nein, das glaube ich nicht. Es ist bitteschön was?” wollte sie wissen und kniff die