1431. Sophie Reyer

1431 - Sophie Reyer


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      Sophie Reyer

      1431

       Roman

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      Sophie Reyer

      1431

       Roman

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      Gedruckt mit Unterstützung der Stadt Wien, Kultur

      Reyer, Sophie: 1431 / Sophie Reyer

      Wien: Czernin Verlag 2021

      ISBN: 978-3-7076-0726-0

      © 2021 Czernin Verlags GmbH, Wien

      Lektorat: Evelyn Bubich

      Autorinnenfoto: Konstantin Reyer

      Umschlaggestaltung und Satz: Mirjam Riepl

      Druck: Florjancic

      ISBN Print: 978-3-7076-0726-0

      ISBN E-Book: 978-3-7076-0727-7

      Alle Rechte vorbehalten, auch das der auszugsweisen Wiedergabe in Print- oder elektronischen Medien

      Inhalt

       Prolog

       1. Kindheit

       2. Gott ist ein Lichtweber

       3. Älterwerden

       4. Feenbaums Wunder

       5. Lernen

       6. Vater

       7. Aufbruch

       8. Wachsen

       9. Ankunft

       10. Der Dauphin

       11. Panzer

       12. Schlachten

       13. Die Reise geht weiter

       14. Krieg

       15. Der Kampf geht weiter

       16. Rausch

       17. Krönung

       18. Verzögerungen

       19. Gefangenschaft

       20. Der Sprung

       21. Hinrichtung

       Epilog

       Prolog

      Am Ende und am Anfang, da ist immer eines: Brennen. So auch jetzt. An diesem 30. Mai 1431. Ketzerin, sagen sie, als man sie aufrichtet. Die, die man Jungfrau nennt. Die mit dem heiligen Augenaufschlag. Die im Körper einer einfachen Bauernmagd steckt. Früher rotwangig, jetzt blass, auf dem Place du Vieux-Marché in Rouen. Und überall: Brennen. Ja, Flammen auch in den Mündern der Menschen. Lauffeuer, von Lippe zu Lippe springt der Funke über: »Die Jungfrau! Sie wird hingerichtet!«

      So viele Zuschauer wie möglich sollen Zeugen ihres Todes sein, oder? So zumindest will es die Regierung, ja? Eben noch krank in einem Gefängnis weggesperrt, diese Frau, munkelt man im Dorf. Und weiter: dass der König keinesfalls sehen wolle, dass sie einfach so sterben würde. Eines natürlichen Todes. Darum ordnete man noch schnell diese Hinrichtung an! Sie muss inszeniert werden, auch, wenn sogar die Richter weinen. Auch, wenn die Mehrzahl der Zuschauer schaudert und sich tief bewegt zeigt. Jetzt hat es einfach zu sein, es führt kein Weg daran vorbei! Ja, der Earl von Warwick selbst soll gesagt haben: »Sie darf nicht eines natürlichen Todes sterben. Unser Herrscher schätzt sie zu sehr, jetzt, nachdem er sie doch so teuer erkauft hat!«

      Grausig ist der Beruf des Henkers, meint man. Aber dieser hier, der jetzt vor dem Mädchen steht, das Johanna heißt, es an den Pfeiler kettet, er schaudert. Im Wissen, dass er verdammt ist, als er die Jungfrau vor sich sieht. Im Wissen, er würde schon bald eine Heilige hingerichtet haben. Aber was hilft es: Pflicht ist Pflicht! Man beobachtet ihn, beobachtet sie, die Jungfrau, von außen: ihren Lidschlag, ihr Zittern. Wer liebt, tanzt mit dem Tod. Er lernt nach und nach alle Schritte Gottes, sagt sich Johanna, doch die Stimmen schweigen dazu. Angespannte Stimmung. Aufgerissene Münder. Sie ist mit einem Mal eine Drehtür ohne Richtung. Gelber Sand im Hirn. Sie ist nicht in sich. Ist bloß nebenan. Danach das Knistern von Flammen, ein Schicksal ist besiegelt. Sie brennt. Johanna brennt. Um sie herum neugierige Blicke, die sie würgen. Doch sie erkennt schon nicht mehr. Welt hinter Vorhang. Nebel und Rauch.

      »Ich bitte Gott, dass meine Seele einmal an dem Ort sein wird, dort, wo, wie ich glaube, diese Frau jetzt sitzt!«, wispert da einer der Priester. Dann Stille und das Knistern von brennendem Holz.

      Später mag der eine oder andere Soldat eine weiße Taube aufsteigen gesehen haben. Das ist alles. Johanna ist indes verbrannt.

       1. Kindheit

      Man hat sie angeklagt. Der Ketzerei beschuldigt. So wird es ihm erzählt. Sofort ist er Feuer und Flamme für den Fall. Wer mag sie sein, diese Johanna? Dieses Mädchen mit der trotzigen Schönheit, das sich als Heilige ausgibt, als wäre so etwas selbstverständlich? »Könnt Ihr euch vorstellen, euch als einer ihrer Verbündeten auszugeben?«, fragt der Bischof und sein Unterkinn labbert dabei. Loyseleur verachtet ihn insgeheim. Der Bischof widert ihn an wie all die Gelehrten, die so tun, als läge ihnen etwas an der Religion, und die doch in Wahrheit nur ihre Machtspiele spielen. Doch er nickt. Nimmt das Angebot an. Er will das Geheimnis dieser Frau herausfinden, die kaum älter ist als ein Kind. Und ja: Die Kindheit scheint dieser Johanna wichtig zu sein. Von einem Feenbaum ist bei dem Verhör die Rede und von einem Heiratsversprechen, das sie Gott gegeben haben mag, dort, am Fuße des Baumes. Man dringt also in Johanna in den ersten Verhandlungen. Fragt sie aus.

      Das Mädchen hält sich wacker. Bietet den Gelehrten die Stirn in ihren flammenden Reden, die von Engeln beflügelt zu sein scheinen. Dann verfrachtet man Johanna in ihr Gefängnis. Der Bischof wirft Loyseleur einen verstohlenen Blick zu. Es ist sein Signal, und er versteht. Er folgt der Magd, lautlos wie ein Schatten. Folgt ihr in den Turm, in


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