Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper

Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper - James Fenimore Cooper


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und sicherer Hand den Absturz entlang. Unmittelbar hinter ihm, das Gesicht den beiden anderen zugekehrt, befand sich eine hohe Gestalt, der nicht einmal der mit einem doppelten Kragen versehene Mantel und eine darüber geworfene Pferdedecke den Anschein von Beleibtheit zu verleihen vermochte. Sein Gesicht sprang unter einer wollenen Nachtmütze hervor und schien, als er es bei der Begegnung der beiden Sleighs Marmaduke zuwandte, von der Natur so geformt zu sein, daß es die Atmosphäre mit möglichst geringem Widerstand durchschnitt. Nur die Augen mußten dabei ein wenig hinderlich sein, da sie auf beiden Seiten als lichtblaue, glasige Kugeln hervorragten. Blässe war zu sehr die Leibfarbe des Mannes, als daß sein Antlitz selbst durch die in Mark und Bein einschneidende Kälte des Abends hätte eine Veränderung erleiden können. Diesem Herrn gegenüber saß eine kleine, gedrungene, viereckige Gestalt, von der sich gleichfalls nur das Gesicht unterscheiden ließ, in welchem die funkelnden, schwarzen Augen die übrigen ernsten Züge Lügen zu strafen schienen. Eine zierliche Perücke begrenzte die Umrisse eines angenehmen, runden Antlitzes, während – wie bei den anderen Herrn – eine Mardermütze die Kopfbedeckung bildete. Das vierte Glied dieser Gesellschaft war ein Mann mit einem langen, sanften Gesicht, der sich keines anderen Schutzes gegen die Kälte erfreute als eines schwarzen, ziemlich fadenscheinigen und etwas ins Rötliche spielenden Überrocks von nicht sehr modernem Schnitt. Er trug einen Hut von sehr anständiger Form, dessen Haare allerdings durch vieles Bürsten ausgegangen waren. Sein blasses Antlitz hatte einen nachdenklichen, etwas melancholischen Ausdruck und war für den Augenblick infolge der Kälte leicht gerötet, wie man es wohl bei Fieberanfällen sieht. Der kummervolle Ausdruck in seinen Zügen bildete einen besonders schroffen Gegensatz zu der launigen Heiterkeit seines Nachbarn vorn, des Rossebändigers. Dieser war dem anderen Sleigh kaum nahe genug gekommen, um verstanden werden zu können, als er mit lauter Stimme ausrief:

      »Stelle dich auf in dem Steinbruch – stelle dich auf, du König der Griechen! Fahre in den Steinbruch, Agamemnon, oder ich werde nicht imstande sein, an dir vorbeizukommen. Willkommen in der Heimat, Vetter Duke – willkommen, willkommen, schwarzäugige Beß. Du siehst, Marmaduke, daß ich dir zu Ehren mit einer ausgesuchten Ladung ins Feld rücke. Monsieur Le Quoi hat nur eine einzige Mütze mitgenommen, der alte Fritz ließ die Flasche halbgeleert stehen, und Herr Grant mußte es vorderhand beim Studium des ›ersten Teils‹ seiner Predigt bewenden lassen. Auch die Pferde mußten samt und sonders mit – Apropos, Richter, die Schwarzen kann ich nicht mehr behalten, ich werde sie dir nächstens verkaufen; denn sie tun nebeneinander nicht gut. Ich löse vielleicht –«

      »Verkaufe meinetwegen, was du willst, Dick«, unterbrach ihn die frohe Stimme des Richters, »wenn du mir nur meine Tochter und meine Ländereien läßt. Ah, Fritz, du alter Freund, ich weiß die Ehre zu schätzen, wenn du, ein Siebziger, einem Fünfundvierziger entgegengehst. Monsieur Le Quoi, Ihr gehorsamster Diener. Herr Grant« – er lüftete dabei seine Mütze – »ich fühle mich Ihnen sehr verbunden für Ihre Aufmerksamkeit. Meine Herren, ich habe die Ehre, ihnen meine Tochter vorzustellen. Ihre Namen sind ihr bereits hinreichend bekannt.«

      »Willkommen, willkommen, Richter«, sagte der Älteste der Gesellschaft mit auffallend deutschem Akzent. »Miss Betty wird mir doch einen Kuß erlauben?«

      »Mit tausend Freuden, mein guter Sir«, rief die weiche Stimme des Mädchens, die in der reinen Luft der Berge trotz Richards lautem Schreien wie ein Silberglöckchen tönte. »Ich habe immer einen Kuß für meinen alten Freund, Major Hartmann.«

      Inzwischen hatte sich der Herr auf dem Vordersitz, der von Marmaduke als Monsieur Le Quoi angeredet worden war, nicht ohne Mühe und unter Beihilfe des Bocks, auf den er seine Hand stützte, samt seiner Masse von Unterkleidern in dem Sleigh aufgerichtet und lüftete nun mit einer höflichen Verbeugung gegen den Richter und einer tiefen gegen Elisabeth die Mütze.

      »Bedecke deinen Schädel, Franzmann, bedecke deinen Schädel«, rief der Rossebändiger, der niemand anders als Herr Richard Jones war, »bedecke deinen Schädel, sonst erfrieren dir die paar Locken, die noch darauf vegetieren. Wäre Absaloms Kopf so dünn mit Haaren besät gewesen wie der deinige, so könnte er heutigentags noch leben.«

      Richards Scherze verfehlten nie, ein Gelächter zu veranlassen; denn gewöhnlich erwies er schon in eigener Person seinem Witz diese Ehre, und auch diesmal begleitete er seine Worte mit einem herzlichen Lachen, während Monsieur Le Quoi mit einer höflichen Erwiderung dieses Heiterkeitsausbruches seinen früheren Platz einnahm. Der Geistliche – denn ein solcher war das als Herr Grant bezeichnete Glied der Gesellschaft – begrüßte die Ankömmlinge gleichfalls, zwar bescheiden, aber herzlich, und Richard schickte sich nun an, die Köpfe seiner Pferde der Heimat zuzuwenden.

      Nur der Steinbruch setzte ihn instand, diese Bewegung auszuführen, ohne daß er ganz den Berg hinauffahren mußte. Eine sehr beträchtliche Vertiefung, die an jenem Teil des Berges lag, wo Richard die Gespanne hatte haltmachen lassen, und von wo aus die Bauten des Dorfes gewöhnlich mit dem nötigen Gestein versehen wurden, diente zur Ausführung dieses Versuchs, welcher jedoch nicht ganz leicht und des engen Pfades wegen mit einiger Gefahr verbunden war, um so mehr, da Richard mit vieren umzuwenden hatte. Der Neger bot seine Dienste an, um die Vorderpferde auszuspannen, – eine Maßregel, die von dem Richter sehr ernstlich angeraten, von Richard aber mit großer Verachtung abgelehnt wurde.

      »Warum und weswegen, Vetter Duke?« rief er etwas unmutig. »Die Pferde sind so sanft wie die Lämmer. Du weißt ja, daß ich die vorderen selbst eingefahren habe, und die an der Deichsel sind meiner Peitsche zu nahe, um nicht bewältigt werden zu können. Frage nur den Monsieur Le Quoi, der doch etwas vom Kutschieren verstehen muß, weil er so oft mit mir gefahren ist; er soll sagen, ob auch nur die mindeste Gefahr besteht.«

      Es lag nicht in der Natur des Franzosen, so zuversichtlich ausgesprochene Erwartungen zu täuschen, obgleich er, als Richard mit den Grauschimmeln nach dem Steinbruch einlenkte, mit ein Paar Augen, welche ihm wie die eines Hummers aus dem Gesichte hervorstanden, in den vor ihm liegenden Abgrund hinunterblickte. Die Gesichtsmuskeln des Deutschen blieben ruhig, aber sein rascher Blick bewachte jede Bewegung. Herr Grant stemmte seine Hände an die Wände des Sleighs, um sich für den Sprung bereitzuhalten, aber seine natürliche Schüchternheit hielt ihn von der Ausführung ab, obgleich ihn die Angst stark dazu drängte.

      Inzwischen war es Richard durch eine plötzliche Anwendung der Peitsche gelungen, die Vorderpferde nach dem Schneedamm zu drängen, der den Steinbruch bedeckte; sobald aber die ungeduldigen Tiere fühlten, daß sie bei jedem Schritt tiefer einsanken, weigerten sie sich entschieden, in dieser Richtung auch nur einen Zoll weiter vorwärts zu gehen, indem sie sich im Gegenteil, durch das verdoppelte Rufen und Drauflosschlagen ihres Treibers in Verwirrung gebracht, gegen die Deichselpferde zurückbäumten, die ihrerseits den Sleigh rückwärts drängten. Nur ein einziger Holzbalken lag gegen das Tal hin als Schranke an dem Weg und war jetzt im Schnee begraben. Der Sleigh wurde leicht über ein so schwaches Hindernis weggeschoben, und noch ehe Richard sich der Gefahr bewußt wurde, ragte bereits die Hälfte des Schlittenkastens über einem Abgrund, der mehr als hundert Fuß senkrecht abfiel. Der Franzose, der vom Rücksitz aus die volle Gefahr des drohenden Sturzes vor Augen hatte, schob unwillkürlich seinen Körper so weit wie möglich vor und rief:

      » Ah, mon cher Monsieur Dihk! mon Dieu! que faites-vous!«

      »Donner und Blitz, Richard«, rief der deutsche Veteran in ungewöhnlicher Bewegung über die Seite des Sleighs hinaussehend; »wollen Sie denn den Schlitten samt den Pferden in den Abgrund werfen?«

      »Lieber Herr Jones«, sagte der Geistliche, »seien Sie doch klug – nehmen Sie sich in acht.«

      »Vorwärts, ihr störrischen Teufel!« rief Richard, der sich aus der Vogelperspektive von der ganzen Gefahr seiner Lage überzeugte und, in ungeduldiger Hast, vorwärts zu kommen, mit den Füßen gegen den Bock, auf dem er saß, trommelte, »vorwärts, sag’ ich – Vetter Duke, ich werde die Grauschimmel auch verkaufen müssen; sie sind die am schlechtesten eingefahrenen Pferde, die mir je vorgekommen. Monsieur Le Quaw« – Richard war zu aufgeregt, um es mit der Aussprache genau zu nehmen, auf die er sich sonst ein bißchen zugute tat – »Monsieur Le Quaw, ich bitte, lassen Sie mein Bein los; wenn Sie es so fest anfassen, so ist es kein Wunder, daß die Pferde zurückgehen.«

      »Barmherziger


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