Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper
nach dem Delaware gekommen sind?«
»Wo sind die Blüten jener Sommer! – gefallen, Einer nach dem Andern: denn Alle von meiner Familie sind, wie die Reihe an sie kam, in das Land der Geister hinübergegangen. Ich stehe oben auf dem Berg und muß ins Thal hinab; und wenn Uncas meinen Fußstapfen folgt, so ist keiner mehr übrig vom Blut der Sagamoren: denn mein Knabe ist der letzte Mohikaner.«
»Uncas ist da!« sprach eine andere Stimme in denselben sanften Kehllauten, dicht bei ihm; »wer fragt nach Uncas?« Der Weiße fuhr bei dieser plötzlichen Unterbrechung mit seinem Messer aus der ledernen Scheide und machte eine unwillkürliche Bewegung mit der Hand nach seiner Büchse; der Indianer aber saß ruhig da, ohne den Kopf nach den unerwarteten Tönen umzuwenden.
Im nächsten Augenblick schritt ein junger Krieger mit geräuschlosem Tritt zwischen ihnen durch und setzte sich an das Ufer des reißenden Stromes. Kein Laut der Ueberraschung entfuhr dem Vater, mehrere Augenblicke hiedurch ward keine Frage gethan, noch eine Antwort gegeben, da Jeder den Moment zu erwarten schien, wo er sprechen könnte, ohne weibische Neugierde oder kindische Ungeduld zu verrathen. Der Weiße schien ihr Beispiel nachzuahmen, zog seine Hand von der Büchse zurück und blieb gleichfalls still und in sich gekehrt. Endlich wandte Chingachgook seine Augen langsam nach seinem Sohn und fragte:
»Wagen die Maquas, die Spuren ihrer Moccasins diesen Wäldern einzudrücken?«
»Ich war ihnen auf der Fährte,« antwortete der junge Indianer, »und weiß, daß ihrer so viele sind, als Finger an meinen zwei Händen; aber sie liegen wie Feiglinge verborgen.«
»Die Diebe sind auf der Lauer nach Skalpen und nach Beute?« sprach der Weiße, den wir mit seinen Begleitern Hawk-eye nennen wollen. »Der rührige Franzmann Montcalm wird seine Spione noch bis in unser Lager schicken, aber er soll erfahren, welchen Weg wir nehmen.«
»Genug!« versetzte der Vater, sein funkelndes Auge nach der untergehenden Sonne gerichtet! »sie sollen vertrieben werden, wie das Wild aus den Büschen. Hawk-eye, wir wollen zu Nacht essen und morgen den Maquas zeigen, daß wir Männer sind.«
»Ich bin zu dem Einen, wie zu dem Andern bereit; aber um mit den Irokesen zu kämpfen, muß man sie in ihrem Verstecke finden, und um zu essen braucht man ein Wild – sprich vom Teufel und er ist nicht weit von dir; da bewegt sich ein Paar der stärksten Geweihe, die ich dieses Jahr gesehen habe, hinter den Büschen den Hügel hinab. Nun, Uncas,« fuhr er halb flüsternd fort, indem er vor sich hin lachte, wie Jemand, der gelernt hat, auf seiner Hut zu seyn, »ich wette mein Horn, dreimal mit Pulver gefüllt, gegen einen Wampumfuß, daß ich ihn zwischen den Augen und näher dem rechten als dem linken Auge nehme.«
»Es kann nicht seyn!« sprach der junge Indianer, indem er mit jugendlichem Ungestüm aufsprang; »‘s ist ja Alles bis auf die Spitze des Geweihes hinter dem Gebüsch verborgen!«
»Er ist ein Knabe!« sprach der Weiße, den Kopf schüttelnd und sich zum Vater wendend. »Meint er, der Jäger könne, wenn er einen Theil vom Thiere sieht, nicht sagen, wo das Uebrige zu finden ist?«
Er richtete sein Gewehr und war im Begriff, eine Probe der Geschicklichkeit abzulegen, die er so sehr an sich schätzte, da fuhr der Krieger mit der Hand nach der Waffe und sagte:
»Hawk-eye! hast du Lust mit den Maquas zu fechten?«
»Diese Indianer kennen die Wälder wie durch Instinkt!« versetzte der Kundschafter, indem er seine Büchse sinken ließ und sich abwendete wie Einer, der sich eines Irrthums überwiesen steht. »Ich muß den Bock deinem Pfeil überlassen, Uncas, oder wir tödten das Thier, nur um die Diebe, die Irokesen, damit zu füttern.«
Kaum hatte der Vater diese Aufforderung mit einer ausdrucksvollen Bewegung der Hand begleitet, so warf sich Uncas zu Boden und näherte sich mit vorsichtigen Bewegungen dem Thiere. Als er nur noch wenige Klafter von dem Verstecke entfernt war, legte er mit größter Sorgfalt einen Pfeil auf den Bogen, und das Geweih bewegte sich, als ob sein Besitzer Unrath witterte. Im nächsten Augenblick schwirrte der Bogen, ein weißer Streif fuhr in das Gebüsch, und der verwundete Rehbock stürzte aus seinem Schutzorte zu den Füßen des verborgenen Feindes. Dem Geweih des wüthenden Thieres ausweichend sprang Uncas auf die Seite und stach ihm das Messer durch die Kehle, der Rehbock stürzte an den Rand des Flußes und fiel zu Boden, indem er die Wasser mit seinem Blute röthete.
»Das nenn’ ich Indianergeschick!« sprach der Kundschafter, vor sich hin lachend, mit großem Wohlgefallen; »und ‘s war ein artiger Anblick! obschon der Pfeil nur in die Nähe geht und der Nachhülfe des Messers bedarf.« »Ha!« rief sein Begleiter, sich plötzlich wendend wie ein Hund, der die Fährte eines Wildes wittert.
»Bei Gott, da ist ein ganzes Rudel!« rief der Kundschafter, dessen Augen vor Lust zu seiner Lieblingsbeschäftigung funkelten. »Wenn sie in Kugelweite kommen, brenn’ ich einem eins auf, und wenn alle sechs Nationen auf der Lauer lägen! Was hörst du, Chingachgook? Für meine Ohren sind die Wälder stumm.«
»Hier ist nur ein Reh, und das ist todt,« sprach der Indianer, indem er sich niederbückte, bis sein Ohr beinahe die Erde berührte. »Ich höre Fußtritte!«
»Vielleicht haben die Wölfe den Rehbock in das Versteck getrieben und sind ihm jetzt auf der Spur.«
»Nein, Pferde weißer Männer kommen!« erwiederte der Andere, indem er sich mit Würde erhob und mit der früheren Ruhe seinen Sitz auf dem Stamme wieder einnahm. »Hawk-eye, es sind deine Brüder; sprich mit ihnen!«
»Das will ich und in einem Englisch, auf das der König sich nicht schämen dürfte zu antworten,« versetzte der Jäger in der Sprache, deren er sich rühmte: »aber ich seh’ Nichts, noch höre ich einen Laut von einem Menschen oder Vieh: ‘s ist sonderbar, daß ein Indianer die Laute von Weißen besser kennen soll, als Einer, dem seine Feinde selbst gestehen müssen, daß er kein Falsch in seinem Blute hat, obgleich er lange genug mit den Rothhäuten gelebt haben mag, um einiges Mißtrauen zu erregen. Ha! da kracht etwas, wie dürres Holz, – nun höre ich das Gebüsch sich bewegen – ja, ja, es sind Pferdetritte, die ich für das Fallen des Wassers nahm – und – aber da kommen sie selbst! Gott behüte sie vor den Irokesen!«
Viertes Kapitel.
Wohl! Geh’ nur deines Wegs,
aus diesem Haine kommst Du nicht,
bis für dein Unrecht ich mich räche.
Sommernachtstraum.
Noch sprach der Kundschafter, als der Führer der Parthie, deren nahende Tritte das wachsame Ohr des Indianers vernommen hatte, sichtbar ward. Ein gebahnter Pfad, wie ihn der gelegentliche Durchzug des Wildes bildet, wand sich durch ein nahes Thälchen und führte an den Fluß auf die Stelle, wo der weiße Mann und seine rothen Genossen Halt gemacht hatten. Auf diesem Wege kamen die Reisenden, welche so unerwartet in der Tiefe des Waldes erschienen, langsam auf den Jäger zu, welcher, vor seinen Genossen stehend, bereit war, sie zu empfangen.
»Wer da?« fragte der Kundschafter, seine Büchse nachläßig über den linken Arm werfend, und den Vorderfinger der Rechten auf dem Drücker haltend, wobei er jedoch allen Schein von Drohung vermied. – »Wer kommt hieher, unter die Thiere und die Gefahren der Wildniß?«
»Gläubige Christen und Freunde von Gesetz und König,« antwortete der vorderste Reiter. »Menschen, welche seit Sonnenaufgang in dem Schatten des Waldes gereist haben, ohne Nahrung und erschöpft von der Anstrengung des Weges.«
»So habt Ihr euch verirrt,« unterbrach ihn der Jäger, »und habt gefunden, wie übel man daran ist, wenn man nicht weiß, ob man sich zur Rechten oder Linken wenden soll.«
»So ist es; der Säugling ist nicht abhängiger von der Amme, als von dem Führer wir, die Erwachsenen, welche jetzt nur die Gestalt, nicht aber den Verstand von Menschen haben. Wißt Ihr, wie weit es nach einem Posten der Krone, genannt