Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper

Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper - James Fenimore Cooper


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aber Alicens Angst nicht erhöhen wollte, wich sie einer bestimmten Antwort aus und verrieth blos durch ihre bleichen Züge und die unruhigen Blicke, die sie auf alle Bewegungen ihrer Feinde heftete, daß sie Nichts ausgerichtet habe. Auf die wiederholten und ernstlichen Fragen ihrer Schwester über ihr wahrscheinliches Schicksal antwortete sie nur dadurch, daß sie mit einer Bestürzung, die sie nicht mehr bewältigen konnte, auf die dunkle Gruppe hindeutete, und, Alice an ihr Herz drückend, laut ausrief:

      »Dort! dort! lies unser Schicksal in ihren Gesichtern! Bald werden wir’s sehen! Bald!«

      Die Geberden und die gebrochene Stimme Cora’s sprachen deutlicher als alle Worte und richteten schnell die Aufmerksamkeit auch ihrer Begleiter auf eine Stelle, auf die ihr eigener starrer Blick mit einer Spannung geheftet war, der nur in der Wichtigkeit des Augenblicks Erklärung fand.

      Als Magua die Rotte lungernder Wilden, die, nachdem sie ihr ekelhaftes Mahl mit gieriger Gefräßigkeit verschlungen hatten, in thierischer Trägheit auf dem Boden ausgestreckt lagen, erreicht hatte, begann er, sie mit der Würde eines indianischen Häuptlings anzureden. Seine ersten Worte hatten die Wirkung, daß seine Zuhörer mit den Zeichen ehrfurchtsvoller Aufmerksamkeit sich erhoben. Da der Hurone in seiner Muttersprache redete, so konnten die Gefangenen, obgleich von den Eingebornen aus Vorsicht im Bereiche ihrer Tomahawks gehalten, nur aus den bedeutungsvollen Geberden, womit der Indianer stets seine Beredsamkeit beleuchtet, auf den Inhalt seiner Worte schließen.

      Anfangs waren Magua’s Worte und Bewegungen ruhig und bedächtig. Als er aber die Aufmerksamkeit seiner Kameraden hinlänglich rege gemacht hatte, schloß Heyward aus seinem öfteren Hindeuten nach der Gegend der großen Seen, daß er von dem Lande ihrer Väter und ihrem entfernten Stamme spreche. Häufige Beifallsbezeigungen folgten und mit dem ausdrucksvollen »Hugh!« sahen die Zuhörer einander an, als wollten sie ihre Zufriedenheit mit dem Redner zu erkennen geben. Le Renard war zu gewandt, um seinen Vortheil nicht zu benützen. Er sprach jetzt von dem langen, mühevollen Wege, den sie zurückgelegt, seitdem sie ihre weiten Jagdgehege und ihre Dörfer verlassen hätten, um mit den Feinden ihrer canadischen Väter zu kämpfen. Er zählte die Krieger ihrer Partei auf, ihre zahlreichen Waffenthaten, ihre der Nation geleisteten Dienste, ihre Wunden und die Zahl der Skalpe, die sie gewonnen hätten. Wenn er auf einen der Anwesenden anspielte (und der schlaue Indianer vergaß keinen), strahlten die Züge des Geschmeichelten vor Entzücken, und er säumte nicht, die Wahrheit seiner Worte durch Geberden des Beifalls zu bekräftigen. Jetzt sank die Stimme des Sprechers, und die lauten, lebhaften Siegestöne, womit er ihre glücklichen Erfolge und Großthaten aufgezählt hatte, verstummten. Er beschrieb Glenn’s Wasserfall, die unzugängliche Felseninsel mit ihren Höhlen, ihren zahllosen Strudeln und Wasserwirbeln; sprach den Namen la longue Carabine aus und brach ab, bis der Wald unter ihnen das letzte Echo eines lauten und langen Geheuls widertönt hatte, womit der verhaßte Name aufgenommen wurde. Er deutete auf den jungen Kriegsgefangenen und beschrieb den Tod eines beliebten Kriegers, der von seiner Hand in die tiefe Schlucht gestürzt worden war. Er schilderte nicht nur das traurige Loos dessen, der zwischen Himmel und Erde hängend, der ganzen Truppe ein so gräßliches Schauspiel dargeboten hatte, sondern stellte von Neuem die Schrecken seiner Lage, seine Standhaftigkeit und seinen Tod an den Aesten eines jungen Baumes dar und schloß mit einer kurzen Angabe der Art und Weise, wie jeder ihrer Freunde gefallen war, wobei er nicht versäumte, ihren Muth und ihre Verdienste rühmend anzuerkennen. Als diese Aufzählung der Ereignisse zu Ende war, wechselte seine Stimme ihre Töne abermals und wurde klagend, sogar melodisch in ihren tiefen Kehllauten. Er sprach jetzt von den Weibern und Kindern der Erschlagenen, ihrer Verlassenheit, ihrem leiblichen und geistigen Elend, ihrer Entfernung, und dem Unglück, noch nicht gerächt zu seyn. Dann erhob er plötzlich seine Stimme zu furchtbarer Kraft und rief:

      »Sind die Huronen Hunde, daß sie Solches ertragen? Wer soll dem Weibe Menowana’s sagen, daß die Fische seinen Schädel haben und sein Volk noch nicht Rache genommen? Wer wagt es, der Mutter Wassawattimie’s, dem stolzen Weibe, mit unblutigen Händen unter die Augen zu treten? Was soll man den alten Männern sagen, wenn sie nach Skalpen fragen, und wir ihnen kein Haar von einem weißen Schopfe vorweisen können? Die Weiber werden mit Fingern auf uns deuten. Ein schwarzer Flecken haftet auf dem Namen der Huronen, mit Blut muß er abgewaschen werden!«

      Seine Stimme verhallte unter dem Rachegeschrei, das in die Lüfte erscholl, als ob der Wald, statt der winzigen Rotte, von dem ganzen Stamme angefüllt wäre. Während dieser Anrede konnten die bei dem Erfolge des Redners am meisten Betheiligten in den Mienen der Zuhörer die Fortschritte des Redners nur zu deutlich erkennen. Seine Klage und sein Leid hatten diese durch Mitgefühl und Trauer, seine Behauptungen durch Geberden der Bekräftigung und sein Ruhmreden mit dem lauten Frohlocken der Wilden beantwortet. Wenn er von Muth sprach, waren ihre Blicke fest und entsprechend; wenn er auf ihre Verluste anspielte, glühten ihre Augen vor Wuth; als er auf die Schmähungen der Weiber kam, senkten sie beschämt ihre Häupter; wie er aber auf die Mittel zur Befriedigung ihrer Rache wies, berührte er eine Saite, die noch nie verfehlt hatte, in der Brust eines Indianers wiederzuklingen. Auf den ersten Wink, daß die Schlachtopfer in ihrem Bereiche seyen, sprang die ganze Rotte auf, stieß ein wüthendes Rachegeschrei ans und stürzte mit gezückten Messern und hocherhobenen Tomahawks auf die Gefangenen los. Heyward warf sich zwischen die Schwestern und den Vordersten, welchen er mit der Stärke der Verzweiflung erfaßte und für einen Augenblick seinem Ungestüm Einhalt that. Dieser unerwartete Widerstand gab Magua Zeit, dazwischen zu treten, und durch seinen blitzschnellen Ruf und seine Geberden die Aufmerksamkeit der Bande aufs Neue zu fesseln. In jener Sprache, der er sich mit solcher Gewandtheit zu bedienen wußte, brachte er seine Kameraden von ihrem augenblicklichen Vorhaben ab und forderte sie auf, die Qual ihrer Schlachtopfer zu verlängern. Sein Vorschlag wurde mit Beifallruf aufgenommen und mit Blitzesschnelle ausgeführt.

      Zwei kräftige Krieger warfen sich über Heyward her, während ein Dritter sich des minder gefährlichen Singmeisters bemächtigte. Keiner der Gefangenen unterlag jedoch ohne einen verzweiflungsvollen Kampf. Selbst David warf seinen Angreifer zur Erde, und Heyward wurde erst bewältigt, als der Sieg über seinen Begleiter die Indianer in den Stand setzte, ihn mit vereinten Kräften anzugreifen. Er wurde gefesselt und an den Stamm des jungen Baumes gebunden, an dessen Aesten Magua den verhängnisvollen Tod des Huronen pantomimisch dargestellt hatte. Als der junge Kriegsmann wieder zur Besinnung kam, hatte er die peinvolle Gewißheit vor Augen daß sie alle ein gemeinsames Schicksal erwarte. Zu seiner Rechten war Cora, gleich ihm an einen Baum gebunden, blaß und aufgeregt, aber mit festem Blicke alle Bewegungen ihrer Feinde verfolgend. Zu seiner Linken leisteten Alice die Weiden, womit man sie an eine Fichte gebunden hatte, einen Dienst, den ihre zitternden Glieder versagten, und schützten ihre zarte Gestalt allein vor einem schnellen Zusammensinken. Ihre Hände hatte sie vor sich, wie zum Gebete gefaltet; statt sich aber aufwärts zu jener Macht emporzurichten, die allein noch retten konnte, wanderten ihre Augen unbewußt und mit kindlicher Abhängigkeit nach Duncan’s Antlitz. David hatte gekämpft, und die Neuheit dieses Umstandes hielt ihn schweigend und in stiller Ueberlegung, ob er daran Recht oder Unrecht gethan habe. Die Rache der Huronen hatte jetzt eine neue Richtung genommen, und sie schickten sich an, dieselbe mit jener raffinirten Grausamkeit zu befriedigen, die seit Jahrhunderten bei ihnen an der Tagesordnung ist. Einige suchten Aeste, um den Holzstoß zu errichten; einer schnitzte die Splitter einer Fichte, um sie brennend den Gefangenen ins Fleisch zu stoßen, während Andere die Wipfel zweier junger Bäume zur Erde bogen, um Heyward mit den Armen daran zu binden und dann zurückschnellen zu lassen. Aber Magua’s Rache suchte einen höhern und noch boshaftern Genuß.

      Während die minder raffinirten Ungeheuer der Bande, vor den Augen der Opfer ihrer Rache, diese wohlbekannten und gewöhnlichen Mittel der Marter vorbereiteten, trat er zu Cora, und machte sie mit dem Ausdruck teuflischer Bosheit auf das Schicksal aufmerksam das sie im nächsten Augenblick erwartete:

      »Nun!« rief er, »was sagt die Tochter Munro’s? Ihr Haupt ist zu gut, um ein Kissen in dem Wigwam Le Renard’s zu finden; wird sie’s besser haben, wenn es, ein Spielball der Wölfe, um diesen Hügel rollt? Ihr Busen kann nicht die Kinder eines Huronen nähren, sie soll ihn von Indianern angespieen sehen!«

      »Was will dieses Ungeheuer?« fragte der erstaunte Heyward.

      »Nichts!« war ihre feste Antwort, »Er ist ein Wilder, ein grausamer, unwissender


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