Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper

Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper - James Fenimore Cooper


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Worte antwortete Cora blos damit, daß sie die jugendliche Sprecherin an ihr Herz drückte, und sich mit inniger Zärtlichkeit über sie beugte. Der männliche Heyward schämte sich nicht, über diesen Anblick zärtlichen Entzückens Thränen zu vergießen, und Uncas stand, frisch und mit Blut bedeckt vom Kampfe kommend, ein ruhiger und anscheinend ungerührter Zuschauer da, aber mit Augen, die bereits ihre Wildheit verloren hatten, und von einem Mitgefühle strahlten, das ihn weit über den geistigen Gesichtskreis und wahrscheinlich um Jahrhunderte über die Sitten seiner Nation erhob.

      Während sich diese ihrer Lage so natürlichen Gefühle aussprachen, nahte sich Hawk-eye, dessen vorsichtiges Mißtrauen ihn überzeugt hatte, daß die Huronen, welche eine so himmlische Scene entstellt, ihre Harmonie nicht mehr zu unterbrechen im Stande waren, David und befreite ihn von den Banden, die er bis zu diesem Augenblick mit musterhafter Geduld getragen hatte.

      »Jetzt!« rief der Kundschafter, die letzte Weide hinter sich werfend, »jetzt seyd Ihr wieder Herr eurer Glieder, obgleich Ihr im Gebrauche derselben nicht mehr Verstand zeigt, als die Natur, die solche geschaffen hat. Wenn euch der Rath eines Mannes, der nicht älter ist, als Ihr, aber den größten Theil seines Lebens in der Wildniß zugebracht hat und also wohl sagen kann, daß er Erfahrung über seine Jahre besitzt, nicht verdrießt, so wäre er folgender: verkauft das kleine Pfeif-Instrument in eurer Tasche da an den ersten besten Narren, den Ihr treffet, und kauft mit dem Geld ‘ne brauchbare Waffe und wär’s auch nur der Lauf einer Reiterpistole. Mit Eifer und Sorgfalt könntet Ihr’s noch zu was bringen; denn jetzt sollt’ ich meinen, müßten eure Augen deutlich sehen, daß eine Aaskrähe ein besserer Vogel, als eine Spottdrossel ist. Die Eine schafft wenigstens dem Menschen das stinkende Aas aus dem Gesicht, indes die Andere in den Wäldern Nichts als Unheil stiftet, indem sie die Leute irre führt.«

      »Waffen und Zinken für die Schlacht, aber Lobgesang für den Sieg!« antwortete der befreite David. »Freund,« fügte er bei, seine kleine, zarte Hand freundlich gegen Hawk-eye aufreckend, indem seine Augen blinzten und sich mit Thränen füllten: »ich danke dir, daß die Haare meines Hauptes noch wachsen, wo sie die Vorsehung hingepflanzt hat. Wenn auch die der Andern glänzender und gekräuselt sind, so habe ich doch die meinen immer noch gut genug gefunden für den Schädel, den sie decken. Daß ich keinen Theil an dem Kampfe nahm, geschah nicht sowohl aus Abneigung, als wegen der Bande, in die mich die Heiden gelegt. Tapfer und flink hast du dich im Kampfe bewiesen, und hierfür danke ich dir, ehe ich mich noch anderer und wichtigerer Pflichten entledige, weil du dich des Christenlobes würdig erwiesen hast.«

      »Das ist nicht der Rede werth, und noch oft könnt Ihr’s zu sehen bekommen, wenn Ihr länger bei uns verweilt,« erwiederte der Kundschafter, ein gut Theil milder gestimmt gegen den Mann des Gesangs, der so unzweideutig seiner Dankbarkeit Worte geliehen hatte. »Ich hab’ meinen alten Kameraden, den Wildtödter, wieder,« setzte er hinzu, indem er mit der Hand an den Kolben seiner Büchse schlug; »und das ist allein schon ein Sieg. Die Irokesen sind schlau; aber das war ein dummer Streich, daß sie ihre Büchsen sich so weit aus der Hand legten; und hätten Uncas oder sein Vater auch nur die gewöhnliche Indianergeduld gehabt, so wären wir mit drei Kugeln statt mit einer hinter die Schelme gestiegen, und das hätte dem ganzen Pack den Garaus gemacht, dem Springhasen dort, wie seinen Spießgesellen. Aber ‘s war Alles so vorherbestimmt und wird auch so am besten seyn.« »Du hast Recht,« versetzte David; »hast ganz den Geist des Christenthums erfaßt. Wer gerettet werden soll, wird gerettet werden, und wer zur Verdammniß vorherbestimmt ist, wird sicherlich verdammt werden. Dies ist die Lehre der Wahrheit, und eine höchst tröstliche und erquickliche für den wahren Gläubigen!

      Der Kundschafter, der in dieser Zeit dagesessen hatte, den Zustand seiner Büchse mit einem gewissen väterlichen Eifer prüfend, blickte zu dem Andern mit einem Ausdruck des Mißvergnügens auf, den er keineswegs zu verhehlen gemeint war, fernere Rede rauh unterbrechend: –

      »Lehre oder nicht,« sprach der kecke Waldmann, »das ist der Glaube von Schurken und der Fluch eines ehrlichen Mannes. Ich kann glauben, daß der Hurone dort durch meine Hand fallen mußte; denn ich hab’ es mit meinen eigenen Augen gesehen. Aber nur wenn ich Zeuge davon bin, will ich glauben, daß er irgend einen Lohn empfangen, oder daß Chingachgook dort am jüngsten Tag verdammt werden wird.«

      »Ihr habt keine Gewährleistung für solch eine verwegene Lehre, noch eine Autorität, auf die Ihr euch berufen könnet,« rief David, dessen Glaube eine starke Färbung jener metaphysischen Spitzfindigkeit trug, durch welche man zu jener Zeit und vornehmlich in seiner Provinz die schöne Einfachheit der Offenbarung verhüllte, indem man sich bestrebte, in das heilige Dunkel der göttlichen Natur einzudringen, Selbstgenügsamkeit an die Stelle des Glaubens setzte und folglich Alle, welche von solchen menschlichen Dogmen ausgingen, in Absurditäten und Zweifel verwickelte; »euer Tempel ist auf Sand gebaut, und der erste Sturm wird ihn von seiner Stelle reißen. Ich frage euch, welche Autoritäten habt Ihr für eine so unchristliche Behauptung (gleich andern Verteidigern eines Systems war David nicht immer genau in der Wahl seiner Ausdrücke). Nennt Kapitel und Vers; in welchem der heiligen Bücher findet Ihr einen Text, welcher für euch spräche?«

      »Buch!« wiederholte Hawk-eye mit auffallender, unverholener Verachtung; »haltet Ihr mich für einen wimmernden Knaben, der einer eurer alten Großmütter an der Schürze hängt; und die gute Büchse auf meinem Knie da für eine Gänsefeder, mein Pulverhorn für ein Tintenfaß und meine Jagdtasche für ein übergeschlagenes Taschentuch, mein Essen drin in die Schule zu tragen? Was? Buch? Was hab’ ich, ein Krieger der Wildniß, obgleich ein Mann von reinem Blut, mit Büchern zu schaffen? Ich las immer nur in einem, und die Worte, welche in diesem geschrieben sind, sind zu einfach und zu klar, um viel Schulens zu bedürfen; und doch kann ich mich rühmen, vierzig lange und harte Jahre darin gelesen zu haben.«

      »Was meint Ihr da für ein Buch?« fragte David, der des Andern Meinung nicht recht verstand.

      »Es liegt offen vor euern Augen,« erwiederte der Kundschafter, »und der Eigenthümer ist nicht karg damit, läßt gerne darin lesen. Ich hörte schon sagen, es gebe Leute, die in Büchern lesen, um sich zu überzeugen, daß ein Gott ist. Es ist möglich, daß sie in den Niederlassungen seine Werke so verunstalten, daß das, was in der Wildniß so klar und deutlich vor Augen liegt, unter Krämern und Priestern zweifelhaft wird. Wenn’s einen Solchen gibt und er will mir von einer Sonne zur andern durch die Windungen der Wälder folgen, so soll er genug sehen, um sich zu überzeugen, daß er ein Narr ist und daß seine größte Narrheit darin besteht, an ein Wesen hinanreichen zu wollen, dem er niemals, weder an Güte noch an Macht gleichkommen kann.«

      Sobald David merkte, daß er mit Einem stritt, der seinen Glauben aus Naturanschauungen geschöpft habe, und sich auf keine Spitzfindigkeit der Lehre einließ, so gab er gerne einen Kampf auf, in dem er weder Vortheil noch Ehre Ernten konnte. Während der Kundschafter sprach, hatte auch er sich gesetzt, und das allzeit bereite Büchlein nebst der in Eisen gefaßten Brille hervorziehend, schickte er sich an, eine Pflicht zu erfüllen, die allein in Folge des unerwarteten Angriffs auf seine Rechtgläubigkeit so lange unerfüllt geblieben war. Er war in der That ein Minstrel des westlichen Continents in einer weit spätern Zeit, als jene begeisterten Barden, welche früher den profanen Ruhm eines Freiherrn oder Fürsten besangen; aber er war ein Barde im Geiste seiner Zeit und seines Landes, und jetzt im Begriff, den so eben errungenen Sieg zu verherrlichen, oder vielmehr einen Lobgesang dafür anzustimmen. Er wartete geduldig, bis Hawk-eye ausgeredet hatte, und begann, seine Augen erhebend, mit lauter Stimme:

      »Ich lade euch ein, meine Freunde, euch mit mir zu einem Lobgesang für die wunderbare Errettung aus den Händen der Barbaren und Ungläubigen zu vereinigen, nach der kräftigen und feierlichen Melodie, genannt »Northampton«.«

      Er benannte nächstdem Seite und Vers, wo die von ihm gewählten Strophen zu finden waren und brachte die kleine Pfeife an seine Lippen mit einem so würdevollen Ernste, als ob er in der Kirche sich befände. Dies Mal blieb übrigens seine Stimme ohne Begleitung; denn die beiden Schwestern erfreuten sich noch an jenen zärtlichen Liebesbeweisen, von denen wir bereits gesprochen haben. Nicht abgeschreckt durch die kleine Zuhörerschaft, welche in Wahrheit nur aus dem verdrießlichen Kundschafter bestand, erhob er seine Stimme, begann und endete seinen heiligen Gesang, ohne durch irgend Etwas unterbrochen


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