Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper

Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper - James Fenimore Cooper


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wollte, lehnte seinen Rücken, halb zurückliegend, an die Stämme des Blockhauses, war aber fest entschlossen, kein Auge zu schließen, bis er sein ihm anvertrautes kostbares Gut in Munro’s Hände überantwortet hätte. Hawk-eye, in der Meinung, seinen Gefährten überredet zu haben, schlief seinerseits alsbald ein, und eine Stille, so tief als die Einsamkeit, die sie umgab, herrschte durch diese abgeschiedenen Räume.

      Eine Zeit lang hielt Duncan wirklich seine Sinne munter und aufmerksam auf jeden Laut, der sich in dem Walde hören ließ. Sein Gesicht ward schärfer, während die Schatten der Nacht über seine Umgebung sich lagerten, und selbst, als die Sterne über seinem Haupte funkelten, konnte er noch die rückgelehnten Gestalten seiner Begleiter, wie sie auf dem Grase hingestreckt lagen, selbst die Gestalt Chingachgook’s, unterscheiden, der aufrecht und bewegungslos da saß, einem der Bäume ähnlich, welche die dunkle Gränzlinie auf jeder Seite von ihnen bildeten. Noch hörte er die leisen Athemzüge der Schwestern, welche wenige Schritte entfernt von ihm lagen, und der Luftzug bewegte kein Blättchen, dessen flüsternden Laut sein Ohr nicht vernommen hätte. Endlich mischten sich die melancholischen Töne eines Waldvogels mit dem klagenden Geschrei der Eule; seine müden Augen suchten noch hin und wieder das funkelnde Licht der Sterne, und dann war ihm, als sähe er sie noch durch seine geschlossenen Augenlieder. In Augenblicken flüchtigen Erwachens hielt er einen Busch für seinen Mitwächter; sein Kopf sank aber bald wieder auf die Schulter und diese suchte ihrerseits auf der Erde eine Stütze; endlich erschlaffte seine ganze Gestalt und der junge Mann verfiel in einen tiefen Schlaf; er träumte, er sey ein Ritter alter Zeit, der seine mitternächtliche Wache vor dem Zelte einer befreiten Prinzessin halte, deren Gunst er durch einen solchen Beweis der Aufopferung und Wachsamkeit zu gewinnen hoffe.

      Wie lange der erschöpfte Duncan in diesem Zustande der Bewußtlosigkeit lag, wußte er selbst nicht zu sagen. Seine Schlummergesichte waren aber lange schon vorüber, als ihn ein leichter Schlag auf die Schulter weckte. Aufgeschreckt durch diese Mahnung, sprang er empor mit der verworrenen Erinnerung an die Pflicht, die er sich zu Anfang der Nacht auferlegt hatte.

      »Wer da?« fragte er, nach der Stelle greifend, wo sonst sein Degen hing. »Sprich! Freund oder Feind?«

      »Freund,« erwiederte die leise Stimme Chingachgook’s, welcher auf den Lichtkörper deutete, der seinen milden Schimmer durch die Oeffnung der Bäume gerade auf ihren Bivouac ergoß, und in seinem gebrochenen Englisch fortfuhr: »Mond kommt und weißen Mannes Fort weit – weit entfernt. Zeit zum Aufbruch, wenn Schlaf beide Augen des Franzmanns schließt!«

      »Du hast Recht, rufe Deine Freunde auf und sattelt die Pferde, während ich meine Begleiterinnen für den Marsch vorbereite.«

      »Wir wachen, Duncan,« sprach Alice mit ihrer sanften Silberstimme, innerhalb des Gebäudes, »und fühlen uns nach einem so erquickenden Schlafe zu der eiligsten Reise gestärkt. Aber Sie haben die ganze Nacht hindurch für uns gewacht, nach den langen und großen Anstrengungen des gestrigen Tages!«

      »Sagen Sie vielmehr, daß ich wachen wollte; aber meine treulosen Augen haben mir einen Spuck gemacht; zum zweiten Mal habe ich mich des anvertrauten Gutes unwürdig gezeigt.«

      »Nein, Duncan, läugnen Sie nicht,« unterbrach ihn lächelnd Alice, indem sie in aller Lieblichkeit ihrer frisch erblühten Reize aus dem Schatten des Gebäudes in das Licht des Mondes trat, »ich weiß, sorglos sind Sie, wenn Sie an sich selbst zu denken haben, und nur zu wachsam für das Wohl Anderer. Können wir hier nicht noch ein wenig verweilen, bis Sie die Ruhe gefunden, deren Sie bedürftig sind? Mit Freude, mit der größten Freude werden Cora und ich Wache halten, während Sie und diese wackern Männer einigen Schlafes genießen.«

      »Wenn Scham mich von meiner Schläfrigkeit heilen könnte, so sollte sich mein Auge nie mehr schließen,« sprach der unzufriedene Jüngling, Alice in ihr offenes Antlitz blickend, in dessen zarter Besorgniß er jedoch nichts las, was seinen halb erwachten Argwohn hätte bestätigen können. »Aber es ist nur zu wahr, nachdem ich Sie durch meine Unbesonnenheit in diese Gefahr gebracht habe, bleibt mir nicht einmal das Verdienst, Ihre Ruhe so überwacht zu haben, wie es die Pflicht des Soldaten ist.«

      »Niemand außer Duncan kann sich selbst einer solchen Schwäche anklagen. Gehen Sie denn zur Ruhe, glauben Sie mir, keine von uns beiden, so schwache Mädchen wir auch sind, wird sich als läßige Wache erweisen.«

      Der junge Mann sah sich der Verlegenheit, seine Schuld auf’s Neue zu betheuern, durch einen Ausruf Chingachgook’s und die Stellung gespannter Aufmerksamkeit, die dessen Sohn einnahm, überhoben,

      »Die Mohikaner hören einen Feind!« flüsterte Hawk-eye, der indessen mit den Uebrigen wach und munter geworden war. »Der Wind läßt sie Gefahr wittern.«

      »Das wolle Gott verhüten!« rief Heyward. »Wir haben genug Blutvergießen gehabt.«

      Mit diesen Worten jedoch griff der junge Kriegsmann nach seiner Büchse und trat in den Vordergrund, bereit, seine unverzeihliche Nachläßigkeit abzubüßen, indem er sein Leben für die Vertheidigung seiner Schutzbefohlenen unbekümmert aussetzte.

      »Es ist das Knistern eines Waldthiers, das um uns herum Futter sucht,« flüsterte er, sobald die leisen und anscheinend entfernten Laute, welche die Mohikaner aufgeschreckt hatten, sein eigenes Ohr erreichten. »St!« entgegnete der aufmerksame Kundschafter, »‘s ist ein Mensch; ich selbst erkenne jetzt seinen Tritt, so unvollkommen auch meine Sinne im Vergleich mit denen eines Indianers sind. Der entwischte Hurone ist wahrscheinlich auf eine Streifpartie Montcalm’s gestoßen und hat jetzt unsere Fährte. Es sollte mir Leid thun, wenn ich an diesem Orte noch mehr Blut vergießen sollte,« fuhr er mit einem unruhigen Blick auf seine düstere Umgebung fort, »aber wenn es seyn muß, muß es seyn! Führe die Pferde in das Blockhaus, Uncas, und Ihr, Freunde, folgt ihnen nach. So alt und dürftig das Gebäude ist, so gewährt es immerhin einigen Schutz, und hat manchesmal schon von Büchsenknall wiedergetönt!«

      Er fand keine Widerrede, und die Mohikaner führten die Narragansets in die Ruine, wohin sich auch die übrige Gesellschaft in größter Stille begab.

      Das Geräusch nahender Fußtritte ließ sich jetzt zu deutlich vernehmen, als daß man noch über die Art der Unterbrechung hätte ungewiß seyn können. Bald mischten sich Menschenstimmen darein, sie riefen sich einander in einer Mundart zu, die, wie der Jäger Heyward zuflüsterte, die Sprache der Huronen war. Als sie an die Stelle kamen, wo die Pferde das Dickicht in der Umgebung des Blockhauses betreten hatten, verloren sie offenbar die Spur, weil ihnen die bisherigen Kennzeichen mangelten.

      Nach den Stimmen zu schließen, waren bald ihrer zwanzig an jenem Orte versammelt, und gaben lärmend ihre verschiedenen Meinungen und Rathschläge.

      »Die Schelme kennen unsere Schwäche,« flüsterte Hawk-eye, welcher neben Heyward in tiefem Schatten stand und durch eine kleine Oeffnung zwischen den Stämmen blickte, »sonst würden sie kein so müßiges Squawgeschwätz führen. Da hört ‘mal das Gewürm, jeder von ihnen scheint zwei Zungen und nur ein Bein zu haben.«

      So tapfer Duncan im Kampfe war, so vermochte er doch auf diese kaltblütige und charakteristische Bemerkung des Kundschafters nicht zu antworten. Er faßte nur seine Büchse fester und heftete mit steigender Unruhe seinen Blick durch die enge Oeffnung auf die mondbeleuchtete Umgebung. Die tieferen Töne eines Wilden, der mit gebieterischem Nachdruck zu sprechen schien, ließen sich vernehmen, und die Stille, mit welcher sein Befehl, oder vielmehr sein Rath aufgenommen wurde, bewies die Achtung, in der er stehen mußte. Aus dem Rauschen der Blätter und dem Brechen der dürren Zweige ging jetzt hervor, daß sich die Wilden trennten, um die verlorene Spur wieder aufzufinden. Zum Glück für die Verfolgten war das Mondlicht, welches einen milden Schimmer über die kleine Lichtung vor der Ruine verbreitete, nicht stark genug, um die dichten Waldgewölbe zu durchdringen, wo alle Gegenstände noch in trügerischem Schatten lagen. Die Nachforschung blieb erfolglos; denn so kurz und plötzlich war der Uebergang von dem schwachen Pfadstrich der Reisenden in das Dickicht gewesen, daß jede Spur ihrer Fußtritte in der Dunkelheit der Wälder sich verloren hatte.

      Nicht lange jedoch währte es, so hörte man die rastlosen Wilden durch das Gestrüpp brechen und sich allmählich dem innern Rande des dichten Kreises


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